„Signum und Herzstück dieser Theaterinsel“

Panorama Bar, Bild: Jessica Schäfer

Erschienen am 27. April 2020 in der F.A.Z./Rhein-Main-Zeitung

Leserbrief zum Beitrag von Michael Hierholzer Gute Geschichte, schlechte Idee.

Von Alfons Maria Arns

Ein bisweilen angewandtes Mittel im Zusammenhang kontroverser Debatten besteht in der Methode bewussten Missverstehens. So deutlich erkennbar in diesem Beitrag, wo es anhand eines Arrangements vorgeblich rein fachlicher Zitate verantwortlich beteiligter Frankfurter Stimmen darum geht, das Anliegen der Petition als einseitig, unberechtigt, theaterfremd und ressentimentgeladen zu diskreditieren.

Ein zentraler Aspekt der Initiative für die Theater-Sanierung und den Erhalt der Doppelanlage betrifft das Glasfoyer mit den Wolkenskulpturen von Zoltán Kemény (1907-1965). Ganz entgegen der abfällig zu verstehenden Kennzeichnung des Foyers durch Michael Guntersdorf als „ein Zufallsprodukt, das sich aus der Gebäudestruktur ergeben und nichts mit demokratischem Aufbau zu tun gehabt habe“, handelt es sich, das zeigt bereits der kursorische Blick in wichtige Quellen aus der Entstehungszeit, um ein sorgfältig durchdachtes und wohlproportioniertes Konzept der deutlich sichtbaren Verklammerung von Oper und Theater. Statt Zufall also eine bewusste Entscheidung der Annäherung von Theater und Oper in räumlicher wie soziologischer Hinsicht als gleichwertige künstlerische Formen bürgerlicher Selbstverständigung in einem demokratischen Staat.

Die 2013 von Dieter Bartetzko in bezug auf die gläserne 120 Meter lange Schaufront des Theaters beobachtete radikale Verweigerung jeglicher vordergründiger architektonischer Repräsentation ist natürlich weit mehr als nur „ein tolles Statement für Transparenz“ (Ina Hartwig). Sie ist Ergebnis einer von dem Entwurfsarchitekten Hannsgeorg Beckert ganz bewusst geplanten gestreckten Wandelhalle zum „Promenieren der Theaterbesucher“: „Dieses Gehäuse war der Rohstoff, mit dem der Idee Foyer Ausdruck zu geben war.“ (Architektur und Plastik)

Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die im Jahre 1963 vom damaligen Amt für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung der Stadt Frankfurt am Main zur Eröffnung herausgegebene Broschüre Zoltan Kemeny Deckenskulptur im Frankfurter Theaterfoyer (mit Fotos von Trebor, d.i. Horst Robert Kratzmann, und Essays von H. Beckert, H. Buckwitz, Z. Kemény u. E. Rathke).

Wie der damalige Generalintendant Harry Buckwitz treffend bemerkte, sollte so das Erlebnis des Theaters von außen wie von innen für alle sichtbar ergänzt werden „durch das Erlebnis des Mitmenschen. Der Sinn des Theaterbesuchs erfüllt sich, denn die Botschaft des Dichters dringt nicht nur in uns ein, sondern ihr wird auch die Möglichkeit des Austausches, der Begegnung im Gespräch geschenkt.“ (Mein Foyer) Das großzügige Foyer als Zwischenbereich der Musen, „Signum und Herzstück dieser Theaterinsel“, schiebt sich so vermittelnd zwischen Straße und Bühne, wird der ehemals königliche Boulevard transformiert zur bürgerlichen Promenade. Ist es zuviel behauptet, dies als baulichen Ausdruck einer neu entstehenden demokratischen Gesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland zu interpretieren?

Dem korrespondieren die Deckenskulpturen von Zoltán Kemény, die der Künstler „als ein zweites Theaterspiel erdacht (hat), das in horizontaler Bewegung, die Höhe belebend, das Foyer durchquert wie die Akte einer unendlichen Komödie: Irrational in einer rationalen Architektur“. Mit voller Absicht hatte er seine Skulptur „im Gegensatz zur Architektur geschaffen, um zu einer ausgeglichenen Harmonie zwischen beiden zu gelangen. Darum wird meine Skulptur zum organischen Teil der Architektur.“ (Meine Skulptur) Aus diesem Grund handelt es sich eben gerade nicht „um ein mobiles Kunstwerk“, so Peter Cachola Schmal, „das anderswo ohne große Schwierigkeiten wieder aufgebaut werden könne“. 

Der Kunsthändler und damalige Direktor des Frankfurter Kunstvereins Dr. Ewald Rathke hat diese Besonderheit schon bei der Eröffnung klar erkannt: „Nie in unserem Jahrhundert ist Kunst und Architektur so miteinander in Beziehung gesetzt worden, nie in dieser Dimension.“ Skulptur und Bauwerk würden „zu untrennbarer Einheit (verschmilzen), denn das eine könnte ohne das andere nicht bestehen. Für diesen Platz geschaffen und nur an ihm denkbar, ist Zoltán Keménys Deckenskulptur im Frankfurter Theaterfoyer eine verheißungsvolle Voraussage auf künstlerische Möglichkeiten, die in unserer Zeit liegen. Aber nicht an den Künstlern sondern an uns wird es liegen, frei und offen genug zu sein, das Neue in seiner ganzen Bedeutung zu erfassen.“ (Zur Kunst Zoltan Kemenys)

Frage: Wie soll der „gute Geist des Hauses“, den die Kulturdezernentin Ina Hartwig beschwört, „in die Gegenwart und mehr noch in die Zukunft“ übersetzt werden, wenn das Gehäuse, in dem dieser „Geist“ seit Jahrzehnten Regie führt in just dieser Einheit der Zerstörung preisgegeben wird?

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