Kritische Diskussion nötig – Live-Chat am 10. Juni und Stellungnahme

Städtische Bühnen Frankfurt: Mangel an Transparenz, fehlende Offenheit im Umgang mit kritischen Stimmen und kein Denkmalschutz. Initiative kündigt kritischen Live-Chat zur Diskussion am 10. Juni an.

Wir begrüßen die neue Lebendigkeit, welche die Diskussion um die Zukunft der Städtischen Bühnen in den letzten Wochen gewonnen hat. Wir sehen darin auch einen Gewinn für die notwendige öffentliche Auseinandersetzung, bleiben aber skeptisch, ob die Verantwortlichen an einer Diskussion ernsthaft interessiert sind. Denn die für eine solche Angelegenheit von allgemeinem öffentlichen Interesse notwendige Transparenz wird weiterhin nur eingeschränkt gewährt, wesentliche Aspekte des Projekts werden gar nicht oder nur ungenügend behandelt und wichtige Stimmen bislang nicht in die Debatte einbezogen. Zu den Entwicklungen der letzten Wochen bezieht die Initiative hier noch einmal knapp Stellung und verweist auf die Webseite www.zukunft-buehnen-frankfurt.de, auf der kontinuierlich Informationen, Rechercheergebnisse und Diskussionsbeiträge veröffentlicht werden.

Für Mittwoch, den 10.6.2020, 19 Uhr, hat die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig eine – wenn auch alles andere als kontrovers konzipierte – Diskussion im Livestream angekündigt. Wir werden diese im Live-Chat auf der Plattform nachtkritik.de kritisch kommentieren und laden alle Interessierten ein, sich an dieser offenen Diskussion in unserem Chat zu beteiligen.

Hier geht’s zum Live-Chat

Unsere Positionen und Kommentare zum aktuellen Stand der Debatte:

Denkmalschutz

Das Landesamt für Denkmalpflege Hessen hat in einem Gutachten dargelegt, dass die Drehbühne, die erhaltenen Teile des alten Theaters und das Wolkenfoyer Denkmalwert besitzen. Die Äußerungen der städtischen Vertreter lassen allerdings nicht darauf schließen, dass die Belange des Denkmalschutzes nun adäquat aufgegriffen werden, vielmehr ist das Gutachten für die Kulturdezernentin „kein Grund, unsere Planung in Frage zu stellen,“ und sie spricht davon, „den Denkmalwert des Wolkenfoyers in etwas Neues [zu] überführen“. Ein solches Raumkunstwerk kann aber nicht nach Belieben transloziert werden, allein schon aus urheberrechtlichen Gründen. Der Urheberrechtsvertreter des Künstlers, Roland Wäspe, hat sich erst vor kurzem gegen ein solches Vorgehen ausgesprochen.

Gutachten

Es ist zu begrüßen, dass ein Teil der Gutachten, auf deren Basis die Empfehlung zur Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung verfasst wurde, nun öffentlich ist. Allerdings bleiben wesentliche Teile der Unterlagen weiter unter Verschluss, etwa das Validierungsgutachten oder die Kostenermittlung und das Raumprogramm des Planerteams. Falls tatsächlich Transparenz geschaffen werden soll, kann dies nicht selektiv vonstatten gehen; insbesondere die Zahlen und Berechnungsgrundlagen, die ja allen Erklärungen der städtischen Vertreter zufolge für die Entscheidung ausschlaggebend waren, müssen veröffentlicht werden.

Fünf Optionen?

Die Verantwortlichen der Stadt wollen nun fünf Standortvarianten für den Theaterneubau prüfen. Neben dem heutigen Standort gehören hierzu der Osthafen sowie zwei Standorte in den Wallanlagen. Der nicht zuletzt denkmalpflegerisch gebotene Erhalt des Foyers ist nur sinnhaft, wenn die beiden Häuser – wenn auch in einem Teilneubau – am jetzigen Standort verbleiben. Eine Bebauung in der Wallanlage führt zudem zu einem zusätzlichen Schaden, welcher diesen historisch geschützten Grünzug erheblich beeinträchtigt. Aus Sicht der Initiative ist schon jetzt absehbar, dass unter den gegebenen Optionen nur der Erhalt beider Häuser am heutigen Standort sinnvoll sein kann. Um so dringender ist die Frage eines Interims zu klären, eine auch international übliche Lösung (in den letzten Jahren z.B. Staatsoper Berlin, Oper und Schauspiel Köln, Staatstheater Augsburg, Opéra des Nations Genf, Comédie-Française Paris u.v.m.).

Öffentliche Diskussion

Erfreulicherweise stellt die Kulturdezernentin sich am Mittwoch den 10. Juni im DAM einer öffentlichen Diskussion. Neben der Kulturdezernentin werden der Intendant des Schauspielhauses, für dessen Vertragsverlängerung die Dezernentin alleinverantwortlich ist, sowie der Vorsitzende des Städtebaubeirats, der ihren Kollegen, den SPD-Vorsitzenden Mike Josef berät, an der Veranstaltung teilnehmen. Das heißt: Eine kontroverse inhaltliche Diskussion abseits von parteipolitischen Verlautbarungen ist hier kaum zu erwarten. Kritische Stimmen sind nicht auf dem Podium vertreten. Jenseits der Initiator*innen dieser Initiative hätten Kritiker am Vorgehen der Stadt eingeladen werden können, die sich etwa in der Frankfurter Rundschau zum Thema geäußert haben. Es hätten Theaterleute mit hinzugezogen werden können, die andere Konzepte als das traditionelle Literaturtheater vertreten. Es hätten Expert*innen für Denkmalschutz beteiligt werden können, die ein Wort zur Abwägung zwischen Aspekten des Denkmalschutzes und solchen der Arbeitsschutzbedingungen hätten sagen können. Auch wäre bei einer solchen, von der Stadt ausgehenden Veranstaltung zu erwarten gewesen, dass zumindest das Spektrum der in der Koalition vertretenen Standpunkte abgebildet worden wäre.

Komplexität

Trotz der durchaus positiven Entwicklungen ist nach wie vor nicht zu erkennen, dass die Diskussion der Komplexität der Sache gerecht wird. Es werden weder gesamtökologische Fragen noch Theaterkonzeptionen oder gar gesellschaftliche Themen verhandelt.

Eine Diskussion, die kritische Stimmen nicht aufgreift, Transparenz nur insoweit herstellt, wie sie unumgänglich ist, und die der Sache angemessenen Tiefe nicht öffentlich geführt wird muss aus unserer Sicht scheitern.

Die Initiatoren der Petition zur Zukunft der Städtischen Bühnen

Prof. Dr. Maren Harnack (Frankfurt University of Applied Science), Hanns-Christoph Koch (Deutscher Werkbund Hessen), Prof. Dr. Nikolaus Müller-Schöll (Goethe-Universität Frankfurt am Main), Prof. Philipp Oswalt (Universität Kassel) und Prof Dr. Carsten Ruhl (Goethe-Universität Frankfurt am Main)

Weiterführende Informationen

Statement von Roland Wäspe, Direktor des Kunstmuseums St.Gallen, zur Raumskuptur von Zoltán Kemény: Kosmische Elemente in musischer Ordnung

Zur aktuellen Diskussion zum Denkmalschutz: Stadt Frankfurt ignoriert Denkmalschutz und Urheberrechte und hält Unterlagen unter Verschluss

Zum Prozess allgemein: unser Statement von April 2020

Zur Diskussion und zum Live-Chat am Mittwoch, den 10.6.2020.

Bei der Veranstaltung „Zur Zukunft der Städtischen Bühnen: Standorte und Stadträume“ diskutieren auf dem Podium:

Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin Stadt Frankfurt
Anselm Weber, Intendant Schauspiel Frankfurt
Torsten Becker,  Stadtplaner und Vorsitzender des Städtebaubeirats von Frankfurt,
moderiert von Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums

Auf Nachtkritik.de ist neben dem Livestream ein Live-Chat möglich. Bei diesem kann sich jeder einbringen. Mitdiskutieren und  -kommentieren werden auch Maren Harnack, Hanns-Christoph Koch, Nikolaus Müller-Schöll, Philipp Oswalt und Carsten Ruhl von der Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt.

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