STATEMENT VON ANETT-MAUD JOPPIEN ZUR ZUKUNFT STÄDTISCHE BÜHNEN FRANKFURT
„Ich möchte mich klar für die Teilerhaltung der Doppelanlage aus Theater, Oper und dem einzigartigen sehr schönen Wolkenfoyer aussprechen. Dieser Ort ist ein kulturelles Zeichen mit hoher Identifikation und sozialgesellschaftlicher Identität. Es ist aber auch wirklich vor allem ein Ort, wo seit 60 Jahren Menschen wunderschöne Stunden verbringen, so wie mir das auch bisher vergönnt war.
Aber vor gestalterisch kulturellen Argumenten steht vor allen Dingen unsere gemeinsame Verantwortung für den Klima- und Ressourcenschutz. Und wir dürfen und wir dürfen und können weiter nicht zulasten der nachfolgenden Generationen handeln. Graue Energie und CO2-Emissionen, das sind wirklich keine oberflächlichen Schlagworte, sondern ganz im Gegenteil, sie beruhen auf wissenschaftlichen Fakten. Denn zusätzlich zur Doppelanlage muss ein völlig intaktes Bürogebäude von 40.000 Quadratmetern Fläche abgerissen werden. Und die Abrisse erfordern nach validen Berechnungen einen zusätzlichen Bauschutz von 70.000 Kubikmetern und einen CO2-Ausstoß von 25.000 Tonnen.
Aber es liegen auch die negativen ökonomischen Fakten auf dem Tisch. Die Kosten für die Realisierung der Kulturmeile sind erheblich höher und bringen wirklich keinen Mehrwert. Ganz im Gegenteil, sie gehen zu Lasten von Projekten, wie zum Beispiel dem Wohnungsbau, der dringend hier und heute gebraucht wird. Und es fallen zusätzliche Kosten für die Grundstückspacht und höhere Finanzierungskosten an. Und dies sind auch langfristige Haushaltsbelastungen, die keinerlei Mehrwert haben.
Auch der Betrieb von zwei Häusern bedeutet ein Vielfaches an negativen Umweltwirkungen. In Deutschland verbrauchen im Betrieb Gebäude 75 Prozent aller CO2-Emissionen. Insofern sind das auch ganz negative Umweltwirkungen.
Aber darüber hinaus diese wirtschaftlich-ökonomische Spiralwirkung, man denke zum Beispiel auch an die Entwicklung der Baupreise in den letzten zwei Jahren. Diese Spirale dreht sich weiter und die ist weder kalkulierbar noch kontrollierbar.
Ich bin daher für den Verbleib am Standort. Er ist kostengünstiger, er ist vor allen Dingen auch schnelle umsetzbar, nachhaltiger und zeugt von kulturellem und sozialem Respekt. Wir könnten zum Beispiel zügig über einen Architektenwettbewerb klären, welche Teile des Gebäudes saniert werden, welche rückgebaut werden müssen und wie ein Teil Neubau aussieht. Parallel dazu könnten wir unverzüglich Planungen für das Produktionszentrum und ein nachhaltiges Interim in in dezentraler Stadtlage starten.
Die Stadt Frankfurt hat wirklich die historische Chance Vorbild zu sein, so wie beispielsweise auch in den 20er Jahren in Zeiten schlimmster Wohnungsnot, damals mit einem international renommierten Wohnungsbau, kann Frankfurt nun Vorbildfunktion für Umbaukultur im Sinne von Klima- und Ressourcenschutz übernehmen. Und es ist undenkbar für mich, dass der Weg der Kulturmeile dieser im Grunde rückwärtsgewandte Weg beschritten wird. Denn die nächste Generation wird uns mit Recht fragen, ob wir die ökologischen und ökonomischen Folgen verschleiert, verdrängt oder gar bagatellisiert haben.
Und diese negativen Folgen, und das sage ich als Wissenschaftlerin, können durch klare Fakten nachgewiesen werden. Ich möchte daher nicht nur als Frankfurterin an alle Entscheiderinnen und Entscheider nachdrücklich appellieren, die Entscheidung auf den Prüfstand zu stellen und zukunftsorientiert zu handeln, solange das noch möglich ist.“
Prof. Anett-Maud Joppien ist Inhaberin und Gesellschafterin von dem Architekturbüro Dietz Joppien Hammerschmidt (DJH) in Frankfurt am Main und Professorin an der TU Darmstadt im Fachgebiet Entwerfen und Gebäudetechnologie. Sie war und ist Mitglied in mehreren Gestaltungsbeiräten von Städten (Karlsruhe, Mainz, Mannheim und Freiburg). Seit 2013 ist Anett-Maud Joppien Vizepräsidentin der deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB).
Ein Kommentar zu “„Vorbildfunktion für Umbaukultur“”