Zu den jüngst bekannt geworden Konkretisierungen der Pläne zum Kauf des Grundstücks an der Neuen Mainzer Landstraße für den Neubau des Schauspiels schrieb Joachim Gres in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29.07.2024 einen kritischen Leserbrief. In diesem folgert er, der Deal zum Theaterprojekt wird „zum finanziellen und damit kulturellen Desaster“.
Daran anknüpfend schrieb der Frankfurter Stadt- und Regionalplaner Peter G. Lieser, emeritierter Professor für Umweltgestaltung an der Kunsthochschule der Gutenberg-Universität Mainz und ehemals Mitglied der Magistratsgruppe der Grünen im Frankfurter Römer, einen ergänzenden Leserbrief, den die FAZ am 12.08.2024 veröffentlichte:
Der Neubau des Theaters an der Neuen Mainzer droht ein 199 Jahre andauerndes Fiasko für die Frankfurter Theaterwelt zu werden, weil weitere, grundlegende Dinge missachtet wurden:
- Das zukünftige Schauspiel gehört nicht zwischen Bankentürme. Ein freier, das Theater umgebende Raum gehört dazu, als kulturelle, gerade auch städtebauliche Würdigung dessen, was die innere Bühne bietet. Kulturpolitik heute, im Schatten der Bankentürme, oder Fiasko durch falsche (OB-) Entscheidung?
- Die Wallanlage ist ein Ort des Ausgleichs im Alltag, ein Ort der Erholung in der Stadt und der Ruhe. Ist es nicht Frevel, hier einen Theaterplatz als städtebaulichen Ersatz für den fehlenden Raum hineinzuzwängen? Für den „Etikettenschwindel Kulturmeile“ (die es bereits gibt, auch ohne dass dafür ein Theater an den falschen Ort bemüht werden muss) einen Diebstahl am denkmalgeschützten Traditions- und Klima-Raum „Wallanlage“ zu begehen?
- Weiß man in den Kämmerchen der Entscheider, ob zwei getrennte große Bühnen in zwei getrennten großen Häusern den zukünftigen Ansprüchen an das Theater gerecht werden? Gibt es nicht (weltweit) gute Beispiele von Repertoiretheater-Häusern, deren (Guckkasten-) Bühnen sich koppeln lassen zu großen Hallen, in denen dann modernes Ensuite- und Festival-Theater spielbar ist? Nicht über den Bühnenrand geschaut?
- Die bisherigen Vorbereitungen liegen in Händen einer Stabsstelle, die nicht kreativ und unabhängig, eher weisungsgebunden wie der „Stab“ von Kulturdezernat und Oberbürgermeisterei operiert. Die intensive Suche nach Interims-Orten (wie Opernplatz 2/Signa-Pleite, siehe auch gutes Beispiel Düsseldorf) verläuft phantasielos und versandet. Sand in unsere Augen?
- Wäre bei einem Milliardenprojekt nicht ein internationaler Architektur-Wettbewerb für eine neue Doppelanlage (unter Bewahrung denkmal-geschützter und historischer Elemente) auf dem bestehenden stadteigenen Grundstück als allererste Aktivität angesagt? Und könnte dieser nicht zu einem weltweit beachteten Entwurf für die Zukunft des (Frankfurter) Theaters führen? Provinzposse in der Metropole, zugunsten der skandalträchtigen Helaba?
- Werden hier nicht städtische Subventionen in Millionenhöhe für Abriss- und Bauwirtschaft (die auf der nachbarschaftlichen Baustelle bereits mit dem Pickel scharrt) sowie für die Helaba und Sparkasse verdeckt am EU-Wettbewerbsrecht vorbei geschleust?
- Spielt nicht die Zeitdauer der Projektentwicklung (im Angesicht der bislang behaupteten Dringlichkeit der Neubauten wegen drohender Schließung der maroden Doppelanlage) die allerwichtigste Rolle? Wie soll das ohne Bau-Skandal ablaufen, wenn Jahre verplempert werden, nur um einen unnötigen, intransparenten Deal, der private Ideen zum Hintergrund haben könnte, zu machen?
- Einen Deal der überteuert ist, logistisch schwer beherrschbar, zeitlich völlig unwägbar und an Fixsternen vorbeigemogelt, städtebaulich ein absolutes No-Go, herbeigeschwindelt mit der Etikette „Kulturmeile“ (die längstens existiert, würde man sie pflegen) und für das Frankfurter Theater alles andere als zukunftsweisend?
- Nur der verhandelte Erbpachtvertrag weist in die Zukunft: 199 Jahre steht das Schauspiel eingezwängt auf Grund und Boden der Helaba – falls nicht noch etwas dazwischenkommt.
…un es will merr net in mein Kopp enei…
na wenn dieses Stück, das gerade eben im Frankfurter Rathaus gegeben wird, mal nicht zum Skandal wird…
Frankfurt am Main, 30.07.2024,
Peter Lieser