Wolken retten!

Die berühmten Wolken im Foyer der Städtischen Bühnen Frankfurt. Bild: Alfons Maria Arns

Zoltan Kemenys bedrohte Deckenskulptur im Frankfurter Theaterfoyer

Von Alfons Maria Arns

Wolken sind bekanntlich flüchtige metereologische Gebilde, die sich stets verändern und nur mithilfe technischer beziehungsweise künstlerischer Mittel wie der Malerei, der Fotografie oder dem Film bildmäßig dauerhaft festgehalten werden können. Erst kürzlich hat dies eine Ausstellung der Stiftung Kunst und Natur im Bad Homburger Museum Sinclair-Haus wieder anschaulich vor Augen geführt mit Künstlerinnen und Künstlern wie Ian Fisher, Barbara Klemm, Marie-Jo Lafontaine und Gerhard Richter: „Wolken als Sinnbild für Bewegung, Weite, Freiheit, Leichtigkeit, Energie, aber auch als Indikator für Wetter und Klima“, wie es programmatisch hieß.

Eine besonders eigenwillige Form des Festhaltens von Wolkengebilden hat der ungarisch-schweizerische Bildhauer, Maler und Architekt Zoltan Kemeny (1907-1965) gefunden, der bereits im Jahre 1963 in wenigen Monaten eine riesige Decken- beziehungsweise Raumskulptur aus Metall für das Foyer der seinerzeit neu erbauten Theaterdoppelanlage von Schauspiel und Oper am Willy-Brandt-Platz entwarf, damals noch Theaterplatz genannt. Ausgehend von einer ovalen trommelartigen Grundform aus glänzendem Messingblech, einer Legierung aus Kupfer und Zink, und in unterschiedlichen Größen, schweißte er diese zu vielgestaltigen wolkenähnlichen Clustern zusammen, die dann über die ganze Länge des Stahl-Glas-Foyers von 120 Metern hin in unregelmäßiger Reihenfolge an die zehn Meter hohe Decke gehängt wurden. Die Schwere des Materials stand damit im völligen Kontrast zur luftigen Leichtigkeit realer Wolken; und doch vermochte es der Künstler diesen Widerspruch produktiv zu machen, indem er die Auflösung dieser Paradoxie ganz dem Betrachtenden überließ: „Eine große Form – (…) – in der die Besucher ihrer Phantasie freien Lauf lassen können (…), so wie man das Vorüberziehen der unendlichen, sphärischen Wolken am Himmel betrachtet.“ (Z.K., Meine Skulptur, 1963)

Dieser Artikel erschien zuerst in der strassen gazette, Ausgabe 241, September-Oktober 2023.

Allein schon der Blick nach oben in den goldschimmernden Theaterhimmel imitiert so auf vergleichende Weise den alltäglichen, in der Regel prüfenden Blick in den mal sonnen-, mal wolken- und regenverhangenen Himmel. Zeitgenossinnen und Zeitgenossen sprachen damals von „optischen Abenteuern“ für das Auge und der „raum- und menschenaktivierenden, physisch unmittelbaren Kraft“ des Kemenyschen Kunstwerks, das weltweit zu den größten Deckenskulpturen gehört und als sein eigentliches künstlerisches Vermächtnis gelten kann, zwei Jahre vor dessen Tod 1965. Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, welch hoffnungsvoller Aufbruch Mitte der 1960er Jahre mit der Theaterdoppelanlage verbunden war. Über die Jahrzehnte hinweg avancierte das Wolkenfoyer nach und nach zum Wahrzeichen des Hauses, ja sogar der ganzen Stadt, die es als wertvollen Schatz betrachten sollte.

Dieses Kunstwerk ist nun in seiner Existenz und Integralität bedroht, obwohl es zusammen mit dem Foyer unter Denkmalschutz gestellt wurde. Denn seit dem Abrissbeschluss der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung vom Januar 2020 für das Gesamtgebäude der Städtischen Bühnen am Willy-Brandt-Platz steht auch die Raumskulptur zur Disposition, geschützt zusätzlich durch das künstlerische Urheberrecht, das aber im Jahre 2035 ausläuft. Die nach dem Abrissbeschluss gegründete Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt kämpft seitdem für den Erhalt beziehungsweise die Teilsanierung der Doppelanlage am bestehenden Standort und plädiert für eine Sanierung im Bestand.

Der Architekturkritiker Dieter Bartetzko hat einmal darauf hingewiesen, dass die Schaufront des Architekturbüros ABB (Apel/Beckert/Becker) sich wie kein anderer Theaterbau der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland jeglicher Repräsentation verweigere. Und in der Tat wirkt diese Verweigerung stärker denn je wie ein sich sprichwörtlich querlegendes Statement gegen die immer noch anwachsende Hochhausbebauung von Banken und Versicherungen – transparente demokratisch-kulturelle Horizontalität gegen die herrschaftliche Geste der Vertikalität in der Ökonomie von Soll und Haben.

Schon allein aus diesem Grund sollte sowohl der seit langem bewährte stadteigene Standort als auch das direkte Nebeneinander von Oper und Schauspiel beibehalten werden; nicht zuletzt, um die immer noch unterschiedliche soziale Schichtung des Publikums stets neu auf räumliche Weise zusammenzubringen, eine Erneuerung der Vorstellung von Stadttheater natürlich inbegriffen. Das als gelungene architektonische Klammer zwischen Oper (Umbau des Alten Schauspielhauses) und Theater (Neubau) konzipierte Glasfoyer war und ist eben mehr als eine bloße räumliche Verbindung zweier Häuser, sondern sollte mit seiner Transparenz der Öffentlichkeit signalisieren, dass hier ein neues Kapitel der vordem eher in sich abgeschlossenen Welt des Sprech- und Musiktheaters aufgeschlagen wurde. Und so fanden hier denn auch viele bedeutende Inszenierungen statt mit Intendanten wie Harry Buckwitz, Michael Gielen, Bernd Loebe und Peter Palitzsch.

Dieser Artikel erschien zuerst in der strassen gazette, Ausgabe 241, September-Oktober 2023.

Die Kemenysche Wolkenskulptur war damals Teil einer ganz bewussten engen räumlichen Verbindung von Architektur und Kunst, „Kunst am Bau“ genannt, die ganz gezielt den Raum auf dialogische Weise zum „Sprechen“ bringen sollte. Der Chagall-Saal, genau in der Mitte des Foyers plaziert, mit dem bereits 1959 entstandenen Auftragsgemälde von Marc Chagall (1887-1985) „Commedia dell’arte“ gehört gleichfalls in diesen Kontext und stellt mit seiner Anspielung auf gemalte Bühnenbilder die Repräsentation des Bühnengeschehens im Flanier- und Warteraum der Wandelhalle dar. Um das Kunsttrio zu komplettieren, wurde noch die Plastik „Standing Figure: Knife Edge“ (1961) von Henry Moore erworben und als Sinnbild des Humanen im Foyer aufgestellt.

Die „unendliche Baugeschichte der Städtischen Bühnen Frankfurt“ wurde durch den Opernbrand im Jahre 1987 nicht wirklich unterbrochen, sondern durch Umbauten verschiedener Architektinnen und Architekten auf pragmatische Weise fortgeführt, sodass man beinahe von einer Theaterbauhütte sprechen könnte – in Analogie zu den klassischen Dombauhütten. Noch vor zehn Jahren – nach dem Umbau für die Kammerspiele an der rückwärtigen Hofstraße – bot sich für Bartetzko „der Riesenbau nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch und einheitlich dar. Die Vollendung kommt zur rechten Zeit, denn künftig wird sich das Theater gegen die glamourösen Attacken der steinbeschichteten weißen Türme und Großkuben des neuen ‚Riverside Financial Districts‘ behaupten müssen. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn zumindest gegen den erhebenden ‚himmlischen‘ Glanz der Kumuli von Zoltan Kemeny kommt kein Werk der aktuellen Event-Dekorationskunst an.“ (2013)

Es scheint so, als stünde die Erprobung dieser Hoffnung angesichts der Abrissdrohung erst jetzt wirklich an.

Der freie Kulturhistoriker Alfons Maria Arns gehört zu den Gründern der Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt und ist Co-Autor in dem von Philipp Oswalt herausgegebenen Band „Zoltan Kemenys Frankfurter Wolkenfoyer. Entstehung und Zukunft einer gefährdeten Raumkunst“, Berlin u. München: Deutscher Kunstverlag 2022.

Dieser Artikel erschien zuerst in der strassen gazette, Ausgabe 241, September-Oktober 2023.

Reparieren ist das neue Neu

Städtische Bühnen am Willy-Brandt-Platz. Foto: Pxhere

Weshalb der Abriss der Städtischen Bühnen für die von der Stadt Frankfurt am Main präferierte Kulturmeile nicht nur ökologisch ein Desaster ist.

Von Martina Metzner

Nun soll es die Kulturmeile werden. Nach jahrelangen Debatten um die Zukunft der Städtischen Bühnen, das Ensemble aus Schauspiel und Oper Frankfurt am Willy-Brandt-Platz, haben Oberbürgermeister Mike Josef und Kulturdezernentin Ina Hartwig kurz vor Beginn der Sommerpause Fakten geschaffen: Sie haben sich mit der Helaba über den Kauf des Grundstücks an der Neuen Mainzer Straße geeinigt, auf dem sich heute noch der Hauptsitz der Frankfurter Sparkasse befindet. Nun soll alles ganz schnell gehen: Im September will man die Kulturmeile, nachdem der Abriss im Januar 2020 – im Übrigen in Reaktion auf einen Antrag der AfD-Fraktion – im Römer beschlossen wurde, durch die Stadtverordnetenversammlung bringen. Sind wir damit wirklich einen Schritt weiter? Oder fallen wir dadurch nicht in längst überholte Zeiten zurück?

Drei Neubauvarianten

Vielleicht wird man das Drama um die Städtischen Bühnen eines Tages als Theaterstück inszenieren – als vertrackte Diskussion, in der sich Meinungen rieben, Ideologien aufeinanderprallten, Euphorie, Zweifel und Enttäuschung sich abwechselten. Die Vorlage für dieses Stück geht nun schon ins zehnte Jahr. Drei Varianten wurden von der Stadt Frankfurt und ihrer Stabsstelle untersucht und zur Diskussion gestellt: der Neubau einer Doppelanlage am Willy-Brandt-Platz, die Spiegellösung, wobei das Schauspiel in die Wallanlagen gesetzt würden, sowie die Kulturmeile, bei der die Oper am Willy-Brandt-Platz neu gebaut werden würde und das Schauspiel als Teil eines neuen Hochhauses an der Neuen Mainzer Straße, für das die Frankfurter Sparkasse abgerissen werden soll. Die Idee, Schauspiel und Oper zu separieren, ist Teil der Strategie, die Nutzung des Interims zu verkürzen, da die Häuser zeitversetzt gebaut würden und sich beide Sparten vorübergehend ein Haus teilen könnten.

Dieser Artikel erschien zuerst in der strassen gazette, Ausgabe 241, September-Oktober 2023.

Expert*innen und Politiker*innen für Sanierung und Teilerhalt

Nicht mehr zur Diskussion steht die Sanierung, ja nicht einmal der Teilerhalt der Städtischen Bühnen, die 1963 von ABB Architekten als Paradestück der Nachkriegsmoderne einer jungen demokratischen Gesellschaft gebaut wurden und deren Wolkenfoyer seit Ende 2020 in der Denkmalliste eingetragen ist. Eine Position allerdings, die immer mehr Bürger*innen sowie Expert*innen teilen – darunter etwa die Politiker*innen Thomas Dürbeck (CDU), Sebastian Popp (Grüne) und Jutta Ditfurth (ÖkoLinX-Antirassistische Liste) oder Architekt*innen wie Christoph Mäckler, Klaus Jürgen Engel oder Astrid Wuttke. Und die auch von der Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt vertreten wird. Was aber spricht für die Sanierung beziehungsweise den Teilerhalt der Städtischen Bühnen?

Zunächst sah alles nach einer Sanierung der Bühnen aus. Doch nach mehreren, von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachten stellte sich heraus, dass die Kosten dafür sehr hoch liegen würden – genau 1,3 Milliarden Euro nach dem letzten Stand der Berechnungen vom Februar 2023 – genauso teuer wie die verschiedenen Neubaulösungen. Dabei legte die Bewertungsmatrix, aus der die Abrissentscheidung resultierte, den Fokus mit 70 Prozent vor allem auf die Ökonomie und nur zu 5 Prozent auf ökologische Aspekte. Zudem lagen allen Analysen die maximalen Forderungen der Intendanz zu Grunde. 

Kreislaufwirtschaft verringert CO2-Emissionen

Wir kennen es aus unserem Alltag: Soll man den alten Fernseher reparieren oder ist es nicht viel einfacher und günstiger, einen neuen zu kaufen? Bis vor wenigen Jahren konnte man diese Frage vielleicht noch mit „Ja“ beantworten – doch die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Durch Klimawandel und Ressourcenknappheit können wir uns diese Verschwendung – sei es der neue Fernseher oder eben die neuen Städtischen Bühnen – nicht mehr leisten. Die Müllberge wachsen, Rohstoffe werden knapp, teuer – und manchmal sind sie zum Teil gar nicht mehr verfügbar. Jede Herstellung eines Produktes, eines Fernsehers, und natürlich erst recht die von neuen Gebäuden, verursacht hohe CO2-Emissionen. Nicht zufällig will die EU per Gesetz auf eine Kreislaufwirtschaft umstellen, in der Materialien und Produkte stets im Kreislauf gehalten werden – und nie auf der Deponie landen. Nicht nur für den Fernseher, sondern auch für die Städtischen Bühnen gilt: Reparieren ist das neue Neu.

Dieser Artikel erschien zuerst in der strassen gazette, Ausgabe 241, September-Oktober 2023.

Umweltkosten nicht einkalkuliert

Natürlich ist die Reparatur der Bühnen nicht mit der eines Fernsehers zu vergleichen. Die Sanierung beziehungsweise der Teilerhalt ist aufwendig – das Haus besteht aus vielen Bauabschnitten, sogar das ursprüngliche Theatergebäude im Stil der Neorenaissance von 1902 steckt noch in den Gemäuern. Noch 2014 wurden die Werkstätten für 80 Millionen Euro neu gebaut. Zugegeben: Der Großteil des Hauses ist längst sanierungsbedürftig, Mitarbeitende berichten von schwierigen Arbeitsbedingungen, die Flächen seien zu klein, im Sommer zu heiß, es sind sogar schon Fassadenelemente heruntergefallen. Alles in allem also eine große Herausforderung für eine Sanierung und einen Teilerhalt. Eine, der wir uns stellen müssen. Auch, wenn sie scheinbar genauso teuer wird wie ein Neubau. Das Problem bei diesen Rechnungen ist nämlich: Die Umweltkosten – also die Kosten, die die Allgemeinheit später aufbringen muss, um dem Klimawandel, der Vermüllung und den daraus resultierenden Umweltkatastrophen sowie der Rohstoffknappheit zu begegnen – sind nicht einkalkuliert. Die wahren Kosten für neue Produkte und Gebäude wären dann um ein Vielfaches höher – und gerechter. Für die Kulturmeile müssten nicht nur die 66.000 Quadratmeter der Städtischen Bühnen der Abrissbirne zum Opfer fallen, sondern auch die 39.000 Quadratmeter der Frankfurter Sparkasse – das entspricht 25.000 Tonnen CO2.

Konzeptionelle Debatte fehlt

Zu den ökologischen Argumenten gesellen sich kulturelle: Das Gebäude hat in Frankfurt Stadtgeschichte geschrieben und Identität gestiftet. In dem Haus mit seinem großen urbanen Glasfoyer, das sich der Stadt zuwendet und sie als eine Bühne des öffentlichen Lebens inszeniert, hat die Stadtgesellschaft über ihre Gegenwart und Zukunft nachgedacht und gestritten. Das integrierte Gemälde von Marc Chagall und die Goldwolken des jüdisch-ungarischen Künstlers Zoltán Kemény sind einzigartige Beispiele ihrer Epoche. Auch eine konzeptionelle Debatte, was für Theater man sich für die Zukunft von Frankfurt wünscht, gibt es so gut wie nicht.

Mit der nun scheinbar gefundenen Lösung sollen all diese Argumente vom Tisch sein – dabei blendet man die Wirklichkeit geschickt aus. Die Entscheidung für den Neubau der Städtischen Bühnen, zumal in Form der Kulturmeile, ist nicht nur ökologisch ein Desaster. Die bessere Alternative: Einen Architektenwettbewerb ausschreiben, und offen lassen, welchen Teil der aktuellen Städtischen Bühnen man sanieren oder neu gestalten will – so die Idee des Architekturprofessors Philipp Oswalt, Mitglied der Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt.

Die freie Design- und Architekturjournalistin Martina Metzner unterstützt die Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt.

„Schauspiel wird nach der Kulturmeilen-Planung als großer Verlierer dastehen“

Die Diskussion um die Zukunft der Städtischen Bühnen schlägt hohe Wellen. Dabei geht es vor allem um städteplanerische Belange. Theaterwissenschaftler Nikolaus Müller-Schöll wirft im Gespräch mit dem JOURNAL FRANFKURT einen besonderen Blick auf die ästhetische Dimension des Problems:

https://www.journal-frankfurt.de/journal_news/Kultur-9/Debatte-um-Staedtische-Buehnen-Schauspiel-wird-nach-der-Kulturmeilen-Planung-als-grosser-Verlierer-dastehen-41141.html

Die Kulturmeile ist nicht nur ökologisch ein Desaster

Stellungnahme der Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt

Freitag, 28. Juli 2023

Die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig teilte gemeinsam mit Oberbürgermeister Mike Josef am 26. Juli 2023 mit, die erst vor wenigen Monaten aus guten Gründen verworfene Kulturmeilenvariante könne und solle nun doch realisiert werden. Der Widerstand gegen die zwischenzeitlich propagierte Spiegellösung war offenkundig zu hoch. Und keinesfalls soll der Abrissbeschluss von 2020 hinterfragt werden, obwohl sich zuletzt führende Fachleute wie der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA Frankfurt, das Urban Future Forum, der Architekt Christoph Mäckler, der Stadtplaner Peter Lieser und Kulturpolitiker wie Thomas Dürbeck, Sebastian Popp oder die Arbeitsgruppe Planen Bauen Wohnen der GRÜNEN Frankfurt dafür ausgesprochen hatten.

Trotz allem will man an dem einst unter fragwürdigen Umständen eingeschlagenen Kurs festhalten und propagiert gegen jede haushaltspolitische, ökologische und denkmalpflegerische Vernunft einen Theaterneubau an der Neuen Mainzer Straße. Gegenüber der Alternative einer Doppelanlage am bestehenden Standort mit der Option des Teilerhalts guter Gebäudeteile ist die Variante Kulturmeile mehr als 100 Mio. Euro teurer. Dieses gewichtige Faktum können Stabsstelle und Dezernentin nicht mehr leugnen. Zum einen gehört das Grundstück nicht der Stadt Frankfurt am Main, und für ein Nutzungsrecht über 199 Jahre muss die Stadt in diesem Zeitraum 431 Mio. Euro an die Sparkasse/Helaba bezahlen. Abgezinst auf heute sind dies bei 2,5% 105 Mio. Euro (bei 3% 89 Mio. Euro) an Kosten, die bei dem bestehenden städtischen Grundstück am Willy-Brandt-Platz nicht anfallen. Im Februar dieses Jahres stellte die Stabsstelle Städtische Bühnen noch fest: Um „schnellstmögliches Bauen zu gewährleisten, bietet sich die Realisierung von Oper und Schauspiel auf stadteigenem Grund und Boden an. Dies ist auch ökonomisch nachhaltig.“ Das spielt nun offenkundig keine Rolle mehr. Da inzwischen allen Beteiligten klar geworden ist, dass an dem Standort Neue Mainzer nur ein Theaterbau realisiert werden kann, müssten zudem noch die Mehrkosten für ein Operninterim von 53,1 Mio. Euro zzgl. Baupreissteigerung berücksichtigt werden. Auch die Kosten für das ebenfalls erforderliche Werkstattinterim müssten noch einbezogen werden. Die neuerdings vorgesehene Idee, dass neu gebaute Schauspiel als Operninterim zu nutzen, wurde von der Stabsstelle noch vor drei Jahren als unmöglich verworfen: Die Zahl der Zuschauerplätze würde sich halbieren, und es gäbe keinen Orchestergraben.

Ebenso wenig ist der Vorschlag ökologisch nachhaltig und denkmalpflegerisch vertretbar. Die gegenwärtige Planung sieht nicht nur den kompletten Abriss der bestehenden Doppelanlage inkl. denkmalgeschütztem Foyer vor, sondern auch die Beseitigung der völlig intakten Bestandsbebauung von Sparkasse/Helaba. Für die vorgesehene Errichtung des Ersatzbürobaus stehen zudem zwei weitere Denkmale im Wege, das Geschäftshaus des Neoklassizismus von 1908 (Neue Mainzer Str. 53) und das klassizistische Wohnhaus um 1830 (Neue Mainzer Str. 55). Dass diese am Ende beide erhalten werden können, erscheint fraglich.

Zusätzlich ist der Abriss in Zeiten der für alle spürbaren Klimakrise völlig unverantwortlich. Der zum Abriss vorgesehene Gebäudekomplex der Sparkasse wurde erst 2004 aufwändig erneuert. Der Werkstattanbau der Städtischen Bühnen wurde erst 2014 für 80 Mio. Euro fertiggestellt, und auch Zuschauerbereich und Bühne des Schauspiels sind strukturell intakt. Doch offenkundig interessieren sich die Verantwortlichen nicht für den Gebäudebestand. Mit dem Standort an der Neuen Mainzer Straße erhöht sich das Abrissvolumen um etwa 39.000 qm auf insgesamt ca. 105.000 qm. Im Vergleich zur Option Doppelanlage am Willy-Brandt-Platz entsteht bei der Option Kulturmeile durch den erhöhten Umfang der Abrisse ein zusätzlicher CO2-Ausstoß von schätzungsweise über 25.000 Tonnen. Für die Herstellung der Neubauten müssen über 800 Millionen Megajoule Primärenergie aufgewendet werden, dies entspricht dem Energiegehalt von 19.500 Tonnen Erdöl. Doch solche ökologischen Kennwerte interessieren die politisch Verantwortlichen nicht. Sie wurden trotz dreijähriger Untersuchung von der Stabsstelle für die jetzt zur Diskussion stehenden Optionen nicht benannt.

Selbst für die betroffenen Beschäftigten ist der Vorschlag der Kulturmeile von Nachteil. Die Sparkassen-Mitarbeiter*innen müssen umziehen und möglicherweise ein mehrjähriges Interim in Kauf nehmen. Aber auch der Bühnenbelegschaft mutet die Lösung Einiges zu. Vor fünf Monaten hieß es vonseiten der Stabsstelle: „Bei den Abstimmungen mit der Eigentümerin stellte sich heraus, dass, eine grundsätzliche Einigung vorausgesetzt, der optimistische Übergabezeitpunkt des bebauten Grundstücks angesichts der benachbarten, heute bestehenden Großbaustelle im Jahr 2028 läge. (…) Vor dem Hintergrund des desolaten Zustands der Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz ist dieser Zeithorizont für den Beginn der Vorarbeiten für den Neubau einer Spielstätte keine befriedigende Option, zumal die Planbarkeit zusätzlich eingeschränkt würde.“ Auch das scheint keine Rolle mehr als Argument zu spielen. Auch wenn man inzwischen hofft, ein Jahr früher anfangen zu können, ändert dies an dem Gesamtablauf wenig: verzögerter Beginn, gestufte Umsetzung, Fertigstellung des Hauptgebäudes mit Oper und Werkstätten am Willy-Brandt-Platz realistisch geschätzt im Jahr 2038.Für eine Doppelanlage am Willy-Brandt-Platz als Neubau mit oder ohne saniertem Teilerhalt sind die Gutachter im Jahr 2020 von einem Gesamtzeitraum inkl. Planung von neun Jahren ausgegangen. Eine Umsetzung wäre also bis zum Ende dieses Jahrzehnts möglich gewesen, aber auch jetzt noch wäre die Option Doppelanlage etwa fünf Jahre früher fertiggestellt als die Option Kulturmeile. Fahrlässig haben es die Verantwortlichen in den letzten Jahren versäumt, die unvermeidlichen Interimslösungen zu klären und hierfür eine belastbare Lösung vorzulegen.

Der Abrissbeschluss von 2020 kam in Reaktion auf einen AfD-Antrag binnen 24 Stunden ohne eine Erörterung im Kulturausschuss zustande, um vermeintliche Handlungsfähigkeit zu beweisen. Das Vorgehen war nicht nur undemokratisch, weil es den Abgeordneten eine mögliche Prüfung der Angaben verunmöglichte. In den Entscheidungsunterlagen waren Fragen von grauer Energie und Denkmalschutz gänzlich ausgeblendet. Kostenannahmen für eine Neubaulösung waren gegenüber der Option Doppelanlage Willy-Brandt-Platz und der möglichen Sanierung von Gebäudeteilen unrealistisch günstig gewählt. Inzwischen hat die Stabsstelle Städtische Bühnen diese Annahmen korrigiert, ohne dass die damalige Entscheidung nochmals hinterfragt worden wäre, die auf selektiven bzw. verzerrten Informationen beruhte.

Wir fordern, für die Entscheidungsträger die Varianten Kulturmeile, Spiegellösung, Doppelanlage, Doppelanlage mit Teilsanierung nach einer einheitlichen Bewertungsmatrix darzustellen, welche insbesondere alle Kosten incl. Interim und Grundstück, die CO2-Bilanz incl. grauer Energie, den Denkmalschutz und den Realisierungszeitplan bis Fertigstellung sachlich neutral und vollständig abbildet.

Alfons Maria Arns (Freier Kulturhistoriker)

Prof. Dr. Maren Harnack (Frankfurt University of Applied Sciences)

Hanns-Christoph Koch (Deutscher Werkbund Hessen)

Martina Metzner (freie Journalistin, abaut)

Prof. Dr. Philipp Oswalt (Universität Kassel)

PS: In einer früheren Version des Textes sind wir von vorsichtigt geschätzten 20.000 qm Bruttogeschossfläche ausgegangen. Inzwischen haben wir aber von der Sparkasse Franfurt erfahren, dass es defacto 39.000 qm sind – und sich damit auch die anderen Werte entsprechend erhöhen.

Symposion „Die Zukunft der Theater-Doppelanlage“

Im Januar 2020 beschloss die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung den Abriss und Neubau der Theaterdoppelanlage am Willy-
Brandt-Platz. Seit diesem Beschluss gibt es keine weiterführenden politischen Entscheidungen zur städtebaulichen und architektonischen
Zukunft von Schauspiel/Kammerspiel und Oper. Stattdessen werden in loser Folge verschiedene mögliche Standorte und Kubaturen vorgestellt.
Entscheidet man sich für die sogenannte Spiegellösung, also die Aufteilung in zwei Häuser, für ein Haus unterhalb eines neuen Hochhauses
an der Neuen Mainzer Straße oder für eine Kulturmeile in der Wallanlage. Oder womöglich doch für den Erhalt des Hauses und einer
sinnfälligen und sinnstiftenden Sanierung. Die Stiftung hatte namhafte ReferentInnen eingeladen, um die Argumente auszutauschen und der
Frankfurter Stadtgesellschaft darzulegen, welche Lösung oder welche Lösungen die nachhaltigsten sind oder sein könnten.

Videodokumentation der Veranstaltung

Eine textliche Zusammenfassung der Veranstaltung findet sich hier: https://urbanfutureforum.org/stadtpolitisches-symposium-die-zukunft-der-theater-doppelanlage

Programm:
Einführung: Prof. Helmut Kleine-Kraneburg
Impulsvortrag: Astrid Wuttke
Podiumsgespräch

ReferentInnen:
Julia Frank, Planungs- und Bildungspolitische Sprecherin Die Grünen
Andrea Jürges, Architektin und Vize-Direktorin DAM
Dr. Albrecht Kochsiek, Planungspolitischer Sprecher CDU
Astrid Wuttke, Geschäftsführende Gesellschafterin
schneider + schumacher Weiterbauen GmbH
Olaf Winter, Technischer Direktor Oper Frankfurt

Moderation:
Jens Jakob Happ, Architekt und Stadtplaner, Frankfurt am Main
Prof. Helmut Kleine-Kraneburg, Architekt, Frankfurt am Main

Eine Veranstaltung des urban future forum
Untermainkai 40, 60329 Frankfurt am Main
www. urbanfutureforum.org

Luft nach oben…

Gedanken zur Zukunft der Städtischen Bühnen
von Peter Lieser

Wenn die Dinge klar laufen, bin ich ein friedlicher Zeitungsleser. Doch Ende Februar, mitten im Oberbürgermeister-Wahlkampf in Frankfurt am Main, packte mich die Wut als ich las, dass die Kulturdezernentin der Stadt (SPD) aus heiterem Himmel Untersuchungsergebnisse ihrer Stabsstelle aus deren Bericht „Ergänzende Prüfaufträge zur Zukunft der Städtischen Bühnen“ vorstellte. Wahlkampf?

Fazit: Die Variante „Kulturmeile“ ist zu teuer, weil die Frankfurter Sparkasse normales Geld für ihr Grundstück möchte, was sich vorher alle Beteiligten an ihren fünf Fingern abzählen konnten. 50 Mio.€ pro Finger, geschätzter Wert?

Also: gestorben. Variante „Neubau Doppelanlage“ eingeschränkt tauglich, mit ihren Interimslösungen zu teuer, schwer zu steuern und zu langwierig.

Also: gestorben, in Vorbereitung.

Variante „Spiegellösung“ in allen untersuchten Themenfeldern der Favorit, selbst beim behaupteten Zugewinn von Grün und der Grünnutzung.

Auch der Vorsitzende des Städtebaubeirates klatschte Beifall.

Werde ich in dieser Stadt noch zum Wutbürger? Dachte ich, las aber weiter, dass nun endlich, nach 15 Jahren Entscheidungsvakuum innerhalb der Stadtregierung (seit klar ist, dass die Städtischen Bühnen ein existenzielles Sanierungs-Problem haben), die Bürgerbeteiligung eine große Rolle spielen soll.

Aufschreiben, sagen was drückt.

Hilft das, wenn man gegen die zahlreichen Abriss-Argumente für das „bestuntersuchte“ Haus der Republik („überuntersucht“ heißt es in einem kritischen Text) anschreiben muss?

Anschreiben gegen die mehr als zahlreichen Meinungen von Fachleuten der betreffenden Branchen, Gutachtern, Stabsstellen und die unterschiedlichen Interessen vieler Parteien und Politiker in Frankfurt?

Es fällt auf, dass die inhaltlichen Stimmen aus der Welt des Theaters in diesem „Adagissimo ma non troppo-Konzert“ fehlen, wenn man von den eindringlich warnenden Stimmen vor dem Kollaps der für die Bühnen Tätigen absieht.

Nein, es gab schon viele seriöse Stimmen für das Neu- und Weiterbauen der Doppelanlage, die nicht zu einem konstruktiven Dialog über die inhaltliche Zukunft des Theaters und zu einem internationalen Ideenwettbewerb über den Standort am Willy-Brandt-Platz führten, der längstens entschieden wäre.

Will man bisher nicht sehen was baulich am Ort möglich ist und was weltweit die Tendenzen im Theater sind?

Soll eine Stabsstelle, so weisungsgebunden korrekt sie ihre Aufträge auch erfüllt, gegen den genialsten Standort in der Stadt, den es bereits gibt, entscheiden?

Und nochmals nein – und doch kam es leider anders.

Wir erinnern uns an einen Tag im Sommerloch 2020, als plötzlich professionelle farbige Pläne von einer Neuen Oper auf einem Grundstück der Frankfurter Sparkasse auftauchten, vorgestellt von der Kulturdezernentin, Ideengeberin in Zusammenarbeit mit dem Stadtplanungsdezernenten und SPD-OB-Kandidaten.

Kulturmeile, Aufwertung der Wallanlage, städtebauliche Verbesserung im Quartier der Bankenklamm waren plötzlich Zauberwörter für ein Viertel im spekulativen Stillstand der Finanzbranche.

Braucht es wirklich eine Neue Oper in Milliardenformat, um hier, mitten in der Bankenwelt, für städtebauliche Bewegung zu sorgen?

Bedarf es eines neuen Opernhauses, um eine Kulturmeile zu bewerben, die bereits existiert (Alte Oper, Städtische Bühnen, English Theatre) und, wie schon geschehen, mit punktuellen Ergänzungen (MMK-Dependence), gestärkt würde?

Hätte nach diesem Muster nicht auch die Zeil (im spekulativen Stillstand der Handelswelt) das Label einer „Kulturmeile“ verdient, vom Zoo (Naturkultur, Kindertheater) bis zum Bahnhof (Industriekultur), wenn dort anstelle von Karstadt ein neues Theater entstehen würde, und alle möglichen Kultureinrichtungen entlang dieser Mall bei entsprechender Suche sich hierzu finden lassen würden? Doch wohl nicht im Ernst…

Stattdessen also Kulturmeile im Bankenviertel, Bauen ohne Grundstück.

Seriöse Verhandlungen mit dem Grundbesitzer Sparkasse wurden versprochen. Bekannt waren die Bauabsichten der gleichen Eigner auf dem Nachbar-Grundstück. Und zwischen den Zeilen einiger Verlautbarungen lasen sich mögliche erhöhte Höhenrechte heraus. Ein Koppelgeschäft? Verbietet sich jedoch im städtischen Handeln, und vermutlich konnte dieser Deal auch deshalb nicht gelingen.

Mehr als zwei Jahre hielt das mit großen Bildern aufgemachte Versprechen, die Neue Oper im Bankenviertel zu bauen. Viele Leute fanden die „Sparschweinoper“ (Volksmund) richtig gut, moderner Style und unabhängig dastehend wie ein Monoblocco, und doch schön eingequetscht zwischen Bankenklamm und Wallanlage, mit Zugang von dort und Blick in die auf Gartengröße zurecht gemähte, doch denkmalgeschützte Traditionsanlage.

Auch hier applaudierte der Vorsitzende des Städtebaubeirats, während ein bekannter Frankfurter Architekt öffentlich kommentierte, dass die Bankenklamm sich eher für den Bau einer schnelllebigen Autobahn-Raststätte eigne, als für ein Jahrhundertprojekt wie eine Neue Oper.

Und dann, in Zeiten des Wahlkampfes gescheitert? Die Spiegellösung, 2020 als Interim-Bauwerk vorgeschlagen von der Umwelt-Dezernentin (Grüne) und jetzt statt Kulturmeile als Erfolgsprojekt der SPD präsentiert? Während der CDU-OB-Kandidat an der Standorteignung für eine Raststätte seriös festhält?

Die Kulturmeile mit Neuer Oper fällt auf der Pressekonferenz Ende Februar 2023 um wie ein Kartenhaus. Zweieinhalb Jahre im Sinne der maroden Doppelanlage mit über 1000 Tätigen so einfach mal verloren und verschenkt.

Und dazu propagiert, postwendend sekundierend, eine SPD-Stadtverordnete statt Kulturmeile nun ein Kulturdreieck und findet das auch noch interessant.

Zwei Bauwerke, schon wieder in animierten Farbfotos und sogar in Einsatz-Modellen werden präsentiert, das Neue Schauspiel raumfüllend in der „oberen Lage“ der Wallanlage. Diese laut Wallservitut freizuhaltende obere Lage wurde bereits mehrfach zum Ort des Sündenfalls der Überbauung. Unter anderen wurden 1880 die Frankfurter Oper und 1902 das Frankfurter Schauspiel dort errichtet.

Der Willy-Brandt-Platz soll durch zwei schräg gegenüberstehende Bauwerke, ein Schauspiel und eine Oper, städtebaulich wohl gestaltet werden? Geht es noch schräger? Statt dass das Grün an dieser Stelle der Wallanlage dezimiert und geschädigt wird, soll vorgeblich Grün vermehrt und aufgewertet werden?

Hat denn die Wallanlage, über ihre Tradition und Geschichte, über ihre Ästhetik und über ihre Bedeutung in der großstädtischen Ökologie hinaus, denn keine sozialen und städtebaulichen Qualitäten? Stattdessen nur einen Wert als Baulandreserve für die öffentliche Hand?

Was soll man von der jetzt favorisierten Variante „Spiegellösung“ nun wirklich halten? Dass sie nach weiteren zweieinhalb Jahren wieder umfällt wie ein Kartenhaus? Oder wäre es nun endlich an der Zeit in den Spiegel zu schauen?

Standort

Falls die Oper, wie einige Volksvertreter und Bürger es mit Verweis auf Sydney träumten, am Wasser hätte gebaut werden sollen, gab es nur einen passenden Standort in privater Hand: Degussa nebenan? Waren es die hohen Grundstückskosten, die wie in der Bankenklamm zum Aus führten, oder kam, als das Grundstück zu haben war, niemand auf die Idee, ein Tauschgeschäft und ein schnelles Neu-Bauen der Doppelanlage ohne Interim vorzuschlagen? Fehlte die Weitsicht? Ok, Sydney war gestern…

Zahlreiche Standorte sind untersucht worden, zwei sind geblieben. An Ausdauer, Erfindungsreichtum, Fleiß und Spürsinn der Stabsstelle hat es nicht gefehlt. Doch war nicht schon vor 15 Jahren klar, dass es nur einen einzigen passenden Standort und den obendrein in städtischem Besitz gibt? Den, auf dem die jetzigen Bühnen stehen und arbeiten, große Erfolge und Ehrungen erringen?

Hat jemand aus der Stadtregierung, oder hat jemals die Stadtverordneten-Versammlung laut und deutlich und vor allem öffentlich gesagt: Wir nehmen die Probleme unserer Bühnen ernst und fest in die Hand, ich will, wir wollen, dass die städtischen Bühnen auf alle Zukunft an dieser Stelle ihren Ort in unserer Stadt haben? Leider nein.

Dann wäre vor 15 Jahren schon der Standort klar gewesen. Heißt: Der jetzige!

Und dafür gibt es auch gute Gründe, die neben den schon immer wieder ausführlich benannten wie Citylage, Erschließung, historische Bausubstanz, Denkmalaspekte und anderen wichtig sind.

Die Frankfurter Oper von 1880 und das Frankfurter Schauspiel von 1902 sind mit Bedacht als freigestellte Baukörper entstanden. An oder nahe von städtebaulichen Achsen platziert, die für die Entwicklung Frankfurts bedeutsam waren: Die Bockenheimer Landstraße als Verbindung der Altstadt mit dem neuen Stadtteil Westend. Die Braubach-/Münchnerstraße und die Zeil/ Kaiserstraße als Verbindung mit dem neuen Bahnhofviertel und Hauptbahnhof.

Darüber hinaus waren die geschaffenen Platzsituationen, davor und umgebend, städtebaulich prägend und für den repräsentativen Wert der beiden Gebäude sowohl selbstverständlich als auch unverzichtbar.

Dazu kam, dass klare Vorder- und Rückfronten im Sinne der Funktion (Publikum und Betrieb) definiert wurden und dass dieses Vorne und Hinten städtebauliche Auswirkungen auf das direkte Umfeld hatte. Die Wirkungen kann man auch heute noch hinter der Alten Oper – Bockenheimer Anlage – und hinter der Doppelanlage (mit dem umbauten ehemaligen Schauspiel im westlichen Teil) in der Hofstraße erkennen.

Und nun – allen Erfahrungen zum Trotz – mit einer „Spiegellösung“ ein neues Schauspiel mit seiner Front zum Willy-Brandt-Platz bauen zu wollen, das sein Hinten der Kaiserstraße zuwendet, ist wirklich nicht verstehbar.

Die Oper von 1880 an ihrem jetzigen Standort wurde erst ermöglicht durch ein Tauschgeschäft, das die damalige Handelskammer weitsichtig initiiert hatte. Die Oper sollte ursprünglich am Rahmhof, in die Nähe des damaligen Schauspiels, dicht umstanden von Häusern, platziert werden. Nach dem Tauschgeschäft fügten sich Börse und Handelskammer dort ein. Auch diese Seite des Flächentausches war städtebaulich angemessen, wie man heute noch am Standort Börsenplatz, dem Sitz von Börse und Industrie- und Handelskammer sehen kann. Ein Vorgang also in der Frankfurter Stadtentwicklung, der von einer wirkungsvollen Teilhabe von privaten Akteuren, die sich, jenseits der herrschenden Politik, der gesellschaftlichen Bedeutung eines freien Standortes der Oper sicher waren, Zeugnis ablegt.

Natürlich sind durch die (Alte) Oper und das (alte) Schauspiel der Wallanlage große und wertvolle Flächen entnommen worden und damit Schäden entstanden. Aber man muss die Schädigung heute und endgültig nicht wiederholen. In diesem Sinne sollte die Wallservitut verändert werden, falls sich eine Mehrheit im Römer findet, die aus der Ausnahmeregelung „Bebauung im öffentlichen Interesse“ (was als Baulandreserve für die Stadt Frankfurt ausgelegt werden kann) eine strikte Verbotsregelung macht.

Bemerkenswert und vorbildlich in diesem Zusammenhang ist auch der Umgang mit dem Schauspiel von 1902, das wie die Oper, in der gleichen Bombennacht von 1944 zur Ruine wurde. Aus dem Schauspiel wurde mit dem mutigen Beschluss von 1949 das „Große Haus“, das – an Weihnachten 1951 eingeweiht – Schauspiel und Oper unter einem Dach vereinte.

Die für Opernhäuser zeitgemäßen Seiten- und Hinterbühnen (Kreuzgrundriss) wurden zur Schonung der (restlichen) Wallanlage nicht angebaut.

Stattdessen erfand und konstruierte man eine Drehbühne, in die eine zweite, knapp halb so große eingelassen war, gelagert auf einer ausgedienten Geschützlafette, die mit einem Durchmesser von knapp 38 Metern den legendären Ruf der größten Drehbühne Europas bekam.  

Wo lässt sich heute, nach Präsentation der Spiegellösung, die Achtung vor der   Bedeutung der Wallanlagen erkennen?

Interim

Mit einem klaren Beschluss zum Verbleib der Doppelanlage am jetzigen Standort (der seit Bekanntwerden einer notwendigen und umfassenden Sanierung im Jahre 2008 nicht gefasst wurde) wäre auch die Erweiterung des Beschlusses auf eine Suche nach bespielbaren Interims-Orten die logistische Folge gewesen: „Stabsstelle Interim“.

Man stelle sich vor, statt Standortsuche mit jahrelang immer wiederkehrenden Parametern und ähnlichen Ergebnissen, die zwangsweise zurück zum alten Standort führen, weil es nur diesen einen geeigneten gibt, hätten die Bearbeiter ganz Frankfurt nach Theater-geeigneten Räumen durchsuchen dürfen. Gemeinsam mit den Städtischen Bühnen.

Inspiriert von dem Gedanken, ein Jahrhundertprojekt „Neue Städtische Bühnen und andere Aktivitäten“ am Willy-Brandt-Platz vorzubereiten und zu ermöglichen. Und beseelt von der Idee, die Theaterwelt in bisher für das Theater nicht erschlossene Frankfurter Welten zu tragen.

Ich komme hier bewusst nicht zurück auf den Vorschlag des damaligen CDU-Stadtkämmerers, der zur Linderung der Not nach dem Brand der Oper im November 1987 das Schauspiel zur Wanderschaft durch die Bürgerhäuser animieren wollte, um zehn Millionen DM für den Umbau des Bockenheimer Depots zu sparen.

Interim-Theater kostet Geld, sei es im Betrieb von Spielstätten, in der Herrichtung oder, wenn es sein muss, auch im modularen Neubau, der nach Erstnutzung weitere Folgenutzungen finden kann. Etwa auf dem lange erwarteten Kulturcampus. Rechnet sich aber auch durch unerwartete soziale und künstlerische Effekte, und führt manchmal (wie aktuell bei der wohlgelungenen, nur 43 Mio. Euro teuren Interim-Konzerthalle München für die Zeit des Umbaus des Konzerthauses im Stadtteil Gasteig) zu überraschenden Überlegungen nach Dauerbetrieb und Erhalt.

Ich erwähne hier das Beispiel des Umbaus der Oper Bruxelles „La Monnaie/De Munt“ (Aufstockung des altehrwürdigen Haupthauses und Bühnenturms, Verbesserung von Technik und Sicherheit) mit Steuerung von ganz oben (Belgisches Ministerium), kalkulierter und eingehaltener Umbauzeit von ambitionierten drei Jahren (1984 bis 1986). Oper, Musik und Tanz fanden auf Tourneen, in einer alten Markthalle, in einem Zirkuszelt solch angemessene Spielstätten, dass „La Monnaie“ bereits zwei Jahre nach Wiederaufnahme des Theaterbetriebes, in einem Feature im Juni 1988 von zwei Autoren des Hessischen Rundfunks als bestes Haus in Europa bezeichnet werden konnte.

Einer von beiden war der heutige Intendant der Frankfurter Oper, der aus dieser Zeit seines Wirkens weiß, dass eine Interimssituation kein aufwendiges neues Bauwerk mit Drehbühne braucht, um den Ruf zu halten und die Reputation, die er sich und der Oper Frankfurt erarbeitet hat.

In Bruxelles war es kein anderer als Gérard Mortier, der das Haus als Künstlerischer Direktor durch diese erfolgreiche Umbauphase geführt hat.

Heißt mit anderen Worten: Es kommt auch auf Personen an, die „Erfindung und Improvisation“ zu einer neuen künstlerischen Ästhetik formen. Wäre das nicht auch in Frankfurt ein Anreiz, ein Interim-Theater zu wagen?

Frankfurt hat Erfahrung mit Interim. Und langen, einher laufenden Diskussionen. Doch nach dem Opern-Brand im November 1987 kamen die zuständigen Entscheider der Stadtregierung sehr schnell überein, das Haus an gleicher Stelle wieder aufzubauen, in einigen Details vergrößert und verbessert. Stadtverordnete reisten nach Bruxelles, um den Erfolg des dortigen Umbaus der Oper zu besichtigen, während sich in Frankfurt alle Parteien mit Ideen von Umbau und Neubau überboten – damals wie heute fast alltäglich.

Ist der nach dem Brand von 1987 eilig präsentierte Entwurf eines bekannten Frankfurter Architekten, den die FDP hochlobte, noch in Erinnerung? Zwei ordentlich hohe Hochhäuser an der Neuen Mainzer Straße und dazwischen eine Oper, ein Schauspiel an der Friedberger Anlage in den Wallanlagen? Selbst der damalige SPD-OB-Kandidat war beeindruckt und forderte seine Partei zum Nachdenken auf.

Für das Schauspiel, das den Brand unbeschädigt überstanden hatte, wurde nach einigen Budget- und Zuständigkeitskonflikten das Bockenheimer Depot im Eiltempo hergerichtet, für eine Summe, die heute bescheiden anmutet. Das Depot hatte schon, trotz aller Gegenargumente wie Baufälligkeit, Technik- und Raumbeschränkung, Lage außerhalb der City und Zuständigkeit der Universität (des Landes Hessen), seine wunderbare Eignung durch vielbeachtete und -besprochene Inszenierungen externer Theatermacher und Festival-Produktionen unter Beweis gestellt. Lob gab es immer, von allen Seiten und gerade auch von außen. Tadel gab es immer an der Stadt und an dem Land, dieses einmalige Industriedenkmal verrotten zu lassen.

Das Schauspiel konnte, nach einigen Durststrecken der Doppelbelegung des vorübergehend umbenannten „Großen Hauses“ (der unversehrten Bühne) gemeinsam mit der Oper, bereits im darauffolgenden Oktober 1988 das Depot als feste Interim-Spielstätte übernehmen und brachte dort, trotz fehlender, üblicher Bühnentechnik vielbeachtete Produktionen auf die variable Bühne, vor einem in der Anordnung variablen und in der Rezeption sichtlich begeisterten Auditorium.

Es sei daran erinnert, dass das Depot nach Wiederbezug der hergestellten Doppelanlage am Willy-Brandt-Platz zur festen Spielstätte des William Forsythe-Tanzensembles wurde, und – bis heute – zahlreiche glanzvolle Produktionen (vom Einar-Schleef-Theater bis zum Musiktheater Heiner Goebbels und des Ensemble Modern, und anderen renommierten Gästen) ermöglicht.

Interim-Nutzung als Rettung und Ertüchtigung, als „Erfindung“ von Raum?

Vielleicht ist es im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten, dass auch die – sofort nach dem Brand solidarische – Alte Oper für einige Produktionen der abgebrannten Oper als Interim-Spielstätte diente? Ich erinnere mich an sehr eigenwillig-schöne Bühnenbauten, die „Elektra“ (Einakter von Richard Strauss) in und über das Publikum führte, an konzertante Aufführungen von Aida, Cosi fan tutte, Parsifal etc. unter Gary Bertini, ich erinnere mich an Berichte über sehr erfolgreiche Tourneen der Oper, etwa nach Israel.

Warum nicht heute, im Falle einer notwendigen Interimszeit, die bereits mehrmalige „Deutsche Oper des Jahres“ in die Welt führen, etwa nach Kiew? Auch das könnte „Interim“ bedeuten.

Die Stadt Köln wird häufig für die Sanierung ihrer Doppelanlage am Appellhof-Platz gescholten, insbesondere für die lange Überziehung der Umbau-Zeitdauer und für die davonlaufende Überziehung der Sanierungskosten.

Aber: Nach bitteren Erfahrungen informiert Köln mittlerweile regelmäßig und transparent über den Umbau und hat seine Interimslösungen gefunden:

Die Oper spielt in der Messe (was allgemein als zu weit entfernt von der City und zu nüchtern vom Ambiente her erlebt wird), und das Schauspiel hat seine Übergangs-Spielstätte in einer Industriehalle (auch rechtsrheinisch) bezogen, die mittlerweile sehr angenommen und beliebt ist. Auch wenn nicht alles passt wie in einer angestammten Theaterwelt – kann man nicht von Kölns Beispiel, im Negativen wie im Positiven, lernen?

Depot, Naxos, obsolete Hallen im Industrie- und Hafengebiet Ost, falls sie sich finden lassen, Alte Oper, Jahrhunderthalle Höchst, Frankfurter Festhalle und Messehallen mit einem auf dem Messegelände zu errichtenden „Produktions-Zentrum“ (Werkstätten, Proben- und Einspielräume für beide Bühnen) könnten – aus meiner ersten Sicht – Spielstätten für den Übergang sein. Eine „Stabsstelle Interim“ würde nach tiefer Recherche reichhaltigere Findungen präsentieren, auswählen, anmieten und für den Theaterbetrieb ertüchtigen. Lässt sich das alles nicht in planbarer Zeit machen?

Für eine begrenzte Zeitdauer, unter der gemeinsamen Motivation aller Beteiligten, ein Experiment zu wagen, das neue Wege des Theaters zeigt, das Publikum mitnimmt und – zeitlich stringent – zu einem in Wert gesetzten Gebäude am Willy-Brand-Platz führt? Ein Theater, das ein einmaliges Format für das nächste Jahrhundert hat und alle Beteiligten sagen lässt:

„Frankfurt am Main kann Interim“.

Theater der Zukunft

In meiner Sicht auf Frankfurt und seine Kultur fehlt das nachhaltige Gespräch und Nachdenken über die inhaltliche Entwicklung des Theaters.

Der Eindruck herrscht vor, dass es bisher nur um Standort und Geld geht. Und weiter: es fehlt die Leidenschaft für das Theater, die große Neugier für das was Theater ist und das was kommt.

Dabei gibt es in der Welt so viele verschiedene Formate und Orte zu sehen und zu bewundern, unter denen und in denen Theater produziert wird. Feste und offene Ensembles, an festen und offenen Orten, Festspiele an etablierten und elitären Spielorten, Festivals in Regionen und Städten, die im Strukturwandel sind und dabei mithelfen, aus Krisen herauszufinden. Spielstätten, temporär errichtet und danach mit Erfolg dauerhaft betrieben. Private und öffentliche Investitionen in umgenutzte Industrie-Hallen und Gebäude, in leerstehende Kirchen und Klöster, Theater-Spielstätten ohne Ensemble, die Sparten-übergreifende Experimente und internationale Co-Produktionen ermöglichen und mit ihren überraschenden, eigenwilligen Inszenierungen auf Festival-Tourneen gehen. Darüber hinaus ist es so, dass die technischen Ausstattungen von Spielorten immer mehr in die Nähe der bewegten Bilder tendieren, Film und digitale Medien – und auch raumbildendes Licht – scheinen die Bühnen und Inszenierungen, auch die Musik auf den Bühnen und in den Konzerthäusern um Dimensionen zu erweitern. 

Klingende Namen, nur um einige zu nennen: Aix-en-Provence, Arles, Avignon, Paris, Edinburgh, Graz, Lausanne, Salzburg, Ruhrtriennale, Mailand, Oslo – Hallentheater und Guckkastenbühnen darunter – Vielfalt rundum.

Natürlich gibt es in Frankfurt verschiedene Theater-Formate, zwischen etabliertem en-suite-Repertoire an großen, mit Budget, Ensemble und Technik gut ausgestatteten Bühnen und einer reichhaltigen, sich stets verändernden off-Theaterkultur. Und diese sollen um ein, bereits länger als zehn Jahre erwartetes, synergetisches Projekt „Kulturcampus“, mit der Umsiedlung der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst als Frankfurter Ausbildungsstätte für Musik, Theater und Tanz und mit der Schaffung von Raum für experimentelle Musik und Theater bereichert werden.

Stellt sich nicht – auch schon seit langer Zeit – die Frage, ob nicht, vor den Investitionen in ein Milliardenprojekt für Frankfurt, die erfahrensten Fachleute, weltweit geschaut und auch hier am Ort zuhause, darüber beraten sollten, wie die Zukunft des Theaters, der Sparten die sich darunter entfalten wie Oper, Balett, Operette, Musiktheater, Tanz, Schauspiel, Musik, Literatur, Neue Medien und andere mehr, aussieht und sich entwickeln kann und wird?

Ob in Frankfurt die Sparten getrennt werden oder vereint bleiben sollen?

Neue hinzukommen?

Und wie ein Zusammenwirken von zwei ambitionierten Großprojekten – Städtische Bühnen und Kulturcampus – in dieser kleinen Großstadt kreativ-synergetisch stattfinden und letztendlich auch finanziert werden kann?

Dies sollte, nach entsprechender Vorbereitung, schon sehr bald stattfinden, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren und um die inhaltliche Basis für einen architektonischen Ideen-Wettbewerb zum Umbau, Weiterbau und Neubau der Städtischen Bühnen noch in diesem Jahr legen zu können.

Luft nach oben

Könnte ein Beschluss zum Thema „Bauliche Gestalt“ etwa lauten:

„Wir wollen, dass die besten Architekten uns in einem internationalen Ideenwettbewerb zeigen, wie die zukünftigen Bühnen, auf der erarbeiteten Grundlage über die Zukunft des Theaters und unserer gesellschaftlichen Labore, aussehen, unter Wahrung der historischen Werte der jetzigen Bauten und unter Schaffung einer Ästhetik von Frankfurter Charakteristik, Form und Inhalt der zukünftigen Anlage am jetzigen Ort“?

Auch hier wäre es an der Zeit, sich die Bilder von Experten aus Frankfurt und der Welt zu holen, um das zu sehen, was zwischen Willy-Brandt-Platz und Hofstraße, zwischen Neue Mainzer Straße und Gallus-Anlage architektonisch möglich ist. Wenn man alle bisher gemachten Vorschläge aus der lokalen Architektenwelt, auch diejenigen zum Wolkenfoyer und zu den historischen Teilen des ehemaligen Schauspiels und alle Untersuchungen der Stabsstelle zusammennimmt und das noch zu erarbeitende inhaltliche Wissen zur Entwicklung des Theaters allgemein als Basis für einen Theaterbau hinzunimmt, könnte eine Ausschreibung eines internationalen Wettbewerbes noch in diesem Jahr gelingen.

Auch gibt es die wunderbare, vom Deutschen Architektur Museum herausgegebene Sammlung von Beispielen im Theater- und Konzerthaus-Umbau, -Weiterbau, -Neubau in Europa, aus dem sich zahlreiche Anregungen zu Nutzungen über das jetzige, ausschließliche Theaterwesen der Städtischen Bühnen hinaus gewinnen lassen. Es gibt viele Forderungen nach einem Mehr an öffentlicher Teilhabe (Bibliothek, Theaterarchive, Zentrum für bewegte Bilder etc.) und städtebaulichem Leben in der Sockelzone und auf begehbaren Dachterrassen (Gastronomie, hängende Gärten etc.) an einem solch großen öffentlichen Gebäude im Innenstadtbereich. Es gibt technische Entwicklungen der Energieeinsparung und -gewinnung auf Dächern und an Fassaden und der Ressourcenschonung im Innern. Und das bedeutet Raum- und Flächenzuwachs, weit über das jetzt schon vorhandene, viel zu knappe Potenzial hinaus.

Drei Beispiele, die für den Umbau, Weiter- und Neubau der bestehenden Frankfurter Theater-Doppelanlage interessant sein können, hier skizziert:

Lyon:

In der oben erwähnten Sammlung zeigt die „Opéra de Lyon“ (und der Umbau-Siegerentwurf von Jean Nouvel) durch Vertiefung und Aufstockung von je 20 Metern, bei Erhalt der alten, klassizistischen Fassaden, wie es gelingen kann, beachtlich großen Raum für Technik, Probenräume, einen zusätzlichen Raum für experimentelle Formate zu schaffen und ein öffentliches Sockelgeschoss „Arkaden“ hinzu zu gewinnen. Und obendrein, durch die weit sichtbare Aufstockung, einen „Leuchtturm“ am oberen Ende des UNESCO-Weltkulturerbes „Presqu`île“ zu errichten. Umbauzeit fünf Jahre (1989 – 1993).

Bruxelles:

Die Aufstockung um zwei Großgeschosse von Haupthaus und Bühnenturm sowie die Neuausstattung mit Technik und Sicherheit der Brüsseler Oper wurden bereits angesprochen. Das Haupthaus aus dem 19. Jahrhundert, mit seinen fünf prunkvollen Logen-Galerien, seinem Deckengemälde und zahlreichen Kunstschätzen, wurde, ohne Schaden anzurichten, mit Beton ummantelt und erhöht, der Bühnenturm aus Beton neu eingebaut und zeitgemäß auf eine moderne Schnürboden-Technikhöhe gebracht. Die Besonderheit während der Interimszeit war das sehr beliebte „Hallentheater“ in der ehemaligen Markthalle des dichten und durchmischtem Stadtteils Schaerbeek. Die Halle hat sich dadurch von einer provisorischen Autogarage zu einem renommierten und sehr frequentierten Kulturzentrum entwickelt.

Genua:

Nach mehreren Anläufen mit Wettbewerben und Überarbeitungen von Siegerentwürfen wurde das durch Kriegsschäden stillgelegte „Teatro Carlo Felice“ in Genua von Aldo Rossi wiederaufgebaut und – insbesondere im Innern – umgestaltet. Der Bühnenturm, und das ist aus Frankfurter Sicht das Besondere, ist sehr kompakt, war in den unteren Teilen erhalten, und ist von seinem Architekten als neues Wahrzeichen der Hafenstadt Genua – weit sichtbar vom Meer aus – gestaltet worden. Ein Genueser Turm mit dorischem Ausdruck, der Ruhe und Stärke vermittelt und mit einem Kranzgesims, wie üblich bei Genueser Türmen, in dem sich viel Technik verbirgt (in der Fachliteratur als „Technologischer Heiligenschein“ tituliert). Der aufgestockte Turm erweiterte den Raumbedarf für die zeitgemäße Unterbringung von Technik und deckte den zu Zeiten der Einweihung des Hauses (1991) zusätzlich benötigten Bedarf an Probenraum und Büros in seinen oberen vier Geschossen.

Die Beispiele sprechen für sich:

Wie Lyon seine Halbinsel, Bruxelles seine Altstadt und Genua seinen Hafen, hat Frankfurt seine Skyline, und diese umstellt in unmittelbarer Nachbarschaft die Städtischen Bühnen am Willy-Brandt-Platz. Die Doppelanlage „ziert“ ein bescheidener Ausdruck im klassischen Stil der sechziger Jahre, und sie duckt sich weg im Windschatten der Hochhäuser. Das Haus und die Bühnentürme, so bemüht und unterschiedlich gestaltet sie auch sind, werden vom Main und seinem Erlebnisraum aus kaum wahrgenommen.

Wie wäre es, den Baukörper mit Luft nach oben – einige Stockwerke höher – neu zu konzipieren, die Bühnentürme im Zusammenspiel mit den Hochhäusern in die Höhe wachsen zu lassen, um fehlenden Raum in allen Sparten und Büro- und Wohnraum für Gäste unterzubringen, begehbare Dächer für Besucher und Aufgänge an den Seitenfronten (siehe Centre Pompidou) zu entwickeln?

Lässt sich die alte Westfassade des ehemaligen Schauspiels in Teilen freistellen, und Grünraum der eingeschnürten Gallusanlage zurückgeben?

Lässt sich die Anlieferung über die Hofstraße verbessern und lassen sich insbesondere die Werkstätten aufstocken und transparent sichtbar machen?

Stichwort „Gläserne Fabrik“.

Kann die Rückseite, die dem so wunderbar gelungenen Jüdischen Museum „das Hinten“ deutlich zeigt, mit Leben gefüllt und als Südseite verstanden werden? Die Ostseite attraktiver werden?

Und dann: die Eingangsfront und das Foyer? Hier wird der Vorraum des freigestellten Bauwerks, der Willy-Brandt-Platz und die Gesamtgestaltung von Platz und Baukörper, angesprochen. Dies (und eine mögliche Änderung des städtebaulichen Umfeldes, etwa die Hofstraße) sollte zum Inhalt der Ausschreibung gehören.

Das Wolkenfoyer möchte ich als Beispiel dafür nennen, dass in einer Ausschreibung eines internationalen Ideenwettbewerbs weitgehende Freiheit im Umgang mit historischen und schützenswerten Bausubstanzen herrschen sollte. Die Entscheidung, diese zu sichern und als Elemente eines Weiterbaus wieder auf- und einzubauen, sollte den Wettbewerbsteilnehmern nicht genommen werden. Ebenso wenig die Freiheit, graue Energie (die durch Abriss vernichtet wird) und goldene Energie (die menschlichen Emotionen, die mit einem lange schon benutzten und „angeeigneten“ Gebäude entstanden sind) so umfassend es geht zu erhalten. In Ideen-Wettbewerben, die mit dieser Freiheit ausgestattet sind, gelingen große Entwürfe eher. Und davon einige, die viele verschiedene Chancen der Entwicklung des Theaters aufzeigen, wären der Stadt Frankfurt zu wünschen. So ist die Luft nach oben als Freiheit zu verstehen.

Das Wichtigste zum Schluss:

Neben allen baurechtlichen, ökologischen, städtebaulichen und künstlerischen Fragen, die sich zur eingangs erwähnten „Spiegellösung“ kritisch stellen lassen, bringt sie doch eine gute Erkenntnis: Die Doppelanlage ist baulich trennbar!

Die bestehende Oper würde für die Zeit ihres Neubaus, östlich nebenan, als gebaute Interimsstätte für den Spielbetrieb gebraucht und dafür autonom ertüchtigt. Diese Machbarkeit wurde bislang von fast allen Seiten bestritten, obwohl der Wiederaufbau nach dem Brand der Oper das Gegenteil belegte.

Und das ist die gute Nachricht: Der Verbleib der Städtischen Bühnen am Ort ist mit dem Willen zu Interimslösungen und einem Weiterbau/Neubau möglich.

Wäre schön, sich an diesem genialen Ort zu treffen!

In Vorbereitung dieses Beitrages bin ich in meinem Archivmaterial auf das nachfolgende Gedicht gestoßen. Damals schrieb ich einen Artikel (FR 05.05.88) über die im November 1987 abgebrannte Oper und Chancen eines klugen Wiederaufbaus. So fiel mir auch die eindrucksvolle „Festschrift der Städtischen Bühnen Frankfurt am Main zur Eröffnung des Großen Hauses im Dezember 1951“ in die Hände. Inzwischen ist der SPD-Kandidat, der im vorstehenden Text erwähnt ist, zum Oberbürgermeister gewählt worden. Ihm möchte ich „die echte Sehnsucht“ (s.u.) wünschen, weil er im Wahlkampf erklärt hat, die Entwicklung der Städtischen Bühnen zur Chefsache machen zu wollen.

Es gibt
kein Vergangenes
das man zurücksehnen dürfte,
es gibt nur ein ewig Neues,
das sich aus den erweiterten Elementen
des Vergangenen zusammensetzt;
und die echte Sehnsucht
muss stets produktiv sein.                                                                      

J. W. v. Goethe

Zum Autor: Prof. em. Peter G. Lieser, Umweltgestaltung, Kunsthochschule an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ausbildung in Städtebau TU Darmstadt, Stadtsoziologie J.W.Goethe-Universität Frankfurt, Urban Planning UC Berkeley. Leitung GrünGürtel-Projektbüro Frankfurt und Geschäftsführung GrünGürtel GmbH Frankfurt. Mitarbeiten zur Industriekultur Rhein-Main. Freiberufliche Beratung, Strategieplanung und Journalistische Tätigkeiten.

Sein oder Nichtsein? Theaterbauten in der Sanierung

Die Generalsanierung, gelegentlich auch die umfassende Modernisierung und Erweiterung denkmalgeschützter Theaterbauten und Opernhäuser zählt in Europa zu den großen Konservierungs- und Architekturaufgaben der Gegenwart. Viele Häuser und ihre Ensembles blicken auf eine lange Tradition zurück. Oft verdanken sie ihr ausgezeichnetes internationales Renommee dem hervorragenden künstlerischen Ruf ihrer Ensembles und Programme, nicht selten verbunden und verstärkt durch großartige Bauwerke, die den darstellenden Künsten als Aufführungsorte und dem Publikum als Zuschauerräume dienen. Im September 2021 führte das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS und das Deutsche Architekturmuseum (DAM) Frankfutt zum Thema eine internationale Tagung durch, deren Ergebnisse im April 2023 als Publikation im Hendrik Bäßler Verlag, Berlin erschienen sind. Der Band enthält u.a. einen Aufsatz des Frankfurter Denkmalpflegeres Marco Popp zu den Städtischen Bühnen Frankfurt, eine Text von der Architektin Annette Menting zum Thema „Wer weiß, wie man ein zeitgeössisches Theater oder ein Theater für morgen baut? Vom Auszug aus den Theaterhäusern an brachliegende Orte“ sowie einen weiteren von der Intendantin von Kampnagel, Amelie Deuflhard zu „Be/coming City. Performing Arts als Formate der Raumerkundung“

Inhaltsverzeichnis der Publikation als pdf

Architektur und Raum für die Aufführungskünste

Das Forschungsprojekt „Architektur und Raum für die Aufführungskünste“ beschäftigt sich unter der Leitung von Prof. Dr. Barbara Büscher (Hochschule für Musik und Theater Leipzig) und Prof. Dr. Annette Menting (Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur Leipzig) seit 2017 mit spartenübergreifenden Aufführungsarchitekturen. Das ARBEITSHEFT #4 präsentiert Material und Analysen aus der Fallstudie zu HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste. Neben aktuellen künstlerischen Raum-Praktiken, die die Möglichkeiten des Festspielhauses als Monospace in besonderer Weise bespielen, steht die Geschichte der Wieder-Aneignung des Hauses als Kunstort in den 1990er Jahren im Fokus. Vergleichbare Fallstudien sind bisher zu den Produktionshäusern PACT Zollverein Essen und Forum Freies Theater Hamburg erschienen.

Arbeitsheft #2: Produktionshäuser zeitgenössischer performativer Künste PACT Zollverein Essen Geschichte, Raumprogramm, kuratorische Konzeptionen und künstlerische Projekte Barbara Büscher, Verena Elisabet Eitel ARBEITSHEFTE ARCHITEKTUR UND RAUM FÜR DIE AUFFÜHRUNGSKÜNSTE – Publikationsreihe des transdisziplinären Forschungsprojektes „Architektur und Raum für die Aufführungskünste. Entwicklungen seit den 1960er Jahren“ Hochschule für Musik und Theater Leipzig / Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig

Aus Arbeitsheft #2 PACT Zollverein Essen

Wir verfolgen in diesen wie weiteren Veröffentlichungen Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Ort, Gebäude/Raumanordnung und zeitgenössischen Spielformen.  So haben wir uns mit Interim-Spielstätten, deren besonderen Raumkonzeptionen und Nutzung beschäftigt oder zu temporären Spielstätten und entsprechenden Szenografien publiziert. Architektur und urbane Verortung von Spielstätten interessieren uns in Hinblick auf die durch sie unterstützten oder (beschränkten) szenischen Praktiken und in Hinblick auf die Öffnung für diverse Akteur:innen, die auch Zuschauer:innen sein können.

Die Diskussion um zukünftige Orte und Architekturen für die Aufführungskünste – durchaus über die Kunstgrenzen von Theater, Tanz, Musik, Performance hinweg verstanden – wird die Erfahrungen und Perspektiven der außerhalb der Stadttheater produzierenden Akteur:innen einbeziehen müssen. Und sie wird danach Ausschau halten müssen, wie der Zugang zu Kunst und Kultur neu eröffnet werden kann. Auf diesen Überlegungen basiert die Konzeption des Forschungsprojektes, das in seiner aktuell zweiten Phase sich auch mit Entwicklungen an der so genannten Peripherie und im ländlichen Raum auseinandersetzt. (Kulturelle) Infra-Strukturen sind ein Thema, das aktuell sowohl in wissenschaftlichen wie künstlerischen Projekten eine wichtige Rolle spielt. Dabei rücken Fragen nach Repräsentation und urbaner Selbstdarstellung mehr und mehr in den Hintergrund und solche der Zugänglichkeit für diverse Nutzer:innen-Gruppen werden wichtig.

Die gesamte Reihe der ARBEITSHEFTE finden Sie als open access Online-Publikation hier: www.perfomap.de/arbeitshefte

Texte zum Thema „Bewegliche Architekturen“, die als Ergebnis einer Konferenz es Forschungsprojektes entstanden sind, sind in der Ausgabe #10 der Online-Magazins MAP (2019) veröffentlicht: www.perfomap.de/map10.

Texte zum Theater-Interim und zu temporären performativen Bespielungen sind in MAP #11 (2021) veröffentlicht: http://www.perfomap.de/map11/temporaere-orte

In Kürze erscheint als MAP#13 eine Ausgabe mit Ergebnissen der Konferenz zu „Urbane Praxis und kulturelle Infrastrukturen“, die im Juni 2022 stattgefunden hat.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt „Architektur und Raum für die Aufführungskünste“ finden Sie unter:  http://auffuehrungarchitekturraum.net/title/  und unter https://theaterraum.htwk-leipzig.de/theaterraum

Bestand ist Zukunft! 

Um die Gebäude unserer Stadt zu bauen, wurden Unmengen von Energie und Ressourcen aufgewendet – etwa um Stahl und Beton zu produzieren. Jedes Gebäude, das wir abbrechen, muss aufwendig entsorgt werden. Aktuell gehen 55% des gesamten Müllaufkommens in Deutschland auf die Bauwirtschaft zurück. Zudem benötigt jeder Ersatzneubau erneut erhebliche Mengen an Ressourcen, die mit einem bewussten Weiterbauen und Weiternutzen eingespart werden können.

Die aktuellen Diskussionen und Bemühungen zu einer ökologischen Bauwende zur CO2 Einsparung in der Stadt Frankfurt begrüßt der BDA Frankfurt vor diesem Hintergrund ausdrücklich. So reflektiert die lokale Presse aktuell Überlegungen zum Erhalt des Juridicums durch Planungsdezernent Mike Josef und Ideen zu einem Recycling-Pilotprojekt für Abbruchmaterialien am Fiat-Areal von Baudezernentin Sylvia Weber. Kulturdezernentin Ina Hartwig erklärt das Ziel, die Städtischen Bühnen als „ökologisches Leuchtturmprojekt“ zu realisieren.

Die genannten Äußerungen bestätigen einen grundsätzlichen Haltungswandel in der Stadtpolitik. Der Stadtverordnetenbeschluss zum Abbruch und Neubau der Städtischen Bühnen wurde im Jahr 2020 noch auf der Basis einer Bewertungsmatrix gefällt, in der ökologische Kriterien mit fünf Prozentpunkten kaum zum Tragen kamen. Sollen die Städtischen Bühnen nun als „ökologisches Leuchtturmprojekt“ entwickelt werden, so muss konsequenterweise jedoch der Erhalt wesentlicher Bestandsbauteile in situ erneut geprüft werden. Durch einen Komplett-Abbruch und Neubau würden Ressourcen in einem Umfang verbraucht, die mit nach aktuellem technischem Standard betriebenen Neubauten über Generationen nicht wieder eingespart werden können. Hier besteht ein Widerspruch in den Aussagen des Kulturdezernates, wenn es „ökologisch“ bauen mit „neu“ bauen zu verbinden versucht.

Grundsätzlich kann der verantwortungsbewusste Umgang mit den Bauten unserer Stadt nur gelingen, wenn die Möglichkeiten der Bausubstanz und die an sie gestellten Anforderungen zusammenpassen. Mit vielen aktuellen Anforderungen, z. B. an die technische Gebäudeausstattung, den Wärme-, Schall- und Brandschutz, unpassenden funktionalen Vorgaben oder mit übersteigerten Verwertungsinteressen, lässt sich für jedes Gebäude ein Abbruch als (nutzungs-)technisch oder wirtschaftlich rechtfertigend begründen.

Dies zeigt das Beispiel der Dondorf’schen Druckerei in Bockenheim, die am Ende trotz einer 150 Jahre währenden Nutzungstauglichkeit und ihres baukulturellen Werts nun dem Abbruch geweiht zu sein scheint. Ob das Juridicum dem erheblichen Nutzungsdruck der vorliegenden Planungen zum Kulturcampus standhalten wird, bleibt abzuwarten.

Bei der Bundesbank-Zentrale geben die kommunizierten Nachhaltigkeitsziele Anlass zur Hoffnung, dass ein wertschätzender Umgang mit dem denkmalgeschützten Bau und seiner markanten Fassade gelingt und seine ökologischen und baukulturellen Ressourcen weiter genutzt werden.

Sollen die mittlerweile bundesweit politisch geforderte Bauwende und der Bestandserhalt als Beitrag zur klimagerechten Stadt gelingen, so müssen die Anforderungen dem jeweiligen Gebäude entsprechend angemessen entwickelt werden. Zielkonflikte sind ganzheitlich abzuwägen und zu lösen. Für ein solches Vorgehen sind geeignete politische und gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Der BDA appelliert an Eigentümer*innen und Investor*innen sowie an die beteiligten Akteur*innen aus Planung, Stadtverwaltung und Politik, sich den Herausforderungen zu stellen und die konkreten Veränderungen in Richtung der ökologischen Bauwende weiter voranzutreiben: Der Bestand ist die Zukunft!

Im Namen des Vorstandes des BDA Frankfurt
Moritz Kölling (Vorsitzender) und Antje Voigt