Städtische Bühnen im Livechat: Diskussionsfake und Realitätsverleugnung

Erschienen am 17. Juni 2020 auf architektur-ist-politk.de

Am 10. Juni veranstaltete das DAM eine „Podiumsdiskussion“ zur Zukunft der Städtischen Bühnen mit u.a. Frau Dr. Hartwig. Ein Blick auf die Vorankündigung auf der Webseite des Frankfurter Kulturportals ließ bereits erahnen, was die Zuhörer wirklich erwartete. Die dort zu lesende Aufwertung der umstrittenen Abrissentscheidung zum „Meilenstein“ hätte in ihrer höhnischen Selbstüberhöhung vom Redenschreiber Donald Trumps persönlich stammen können. In Adaption von „L’etat c’est moi“ lautet die Botschaft der nur schlampig als „Diskurs“ verkleideten Marketingveranstaltung: Wir (die Stadt Frankfurt) lassen uns weder von Fakten noch von gesetzlichen Vorgaben dreinreden.

Von Sandra Pappe

Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurde der „demokratische“ Part in wenigen Minuten mit ein paar abfälligen Worten zu den KritikerInnen der Abriss- und Neubauentscheidung abgehandelt. Besonders harsche Worte fand Moderator Peter Schmal für die Petition für die Zukunft der Städtischen Bühnen, die nach wie vor vergeblich einen echten Diskurs einfordert. Eine Richtigstellung der polemischen Verlautbarung war in Abwesenheit der sicherheitshalber nicht zur „Diskussion“ eingeladenen VertreterInnen einer Gegenposition nicht zu befürchten, von den über den offiziellen Livechat eingegangenen Fragen wurden nur die den VeranstalterInnen genehmen eingebunden. Ein echter Diskurs fand nur abseits der „Podiumsdiskussion“ auf dem begleitenden Livechat der Plattform nachtkritik.de statt.

Im Anschluss an diese kurze Einleitung folgte eine so unnötig ausführliche wie öde Präsentation von Neubau- und Standortvarianten, die den eigentlichen Inhalt der Veranstaltung transportierte: Eine Machtdemonstration des städtischen Konglomerats aus Politik und Wirtschaft, das sich seine Geschäftsmodelle nicht von der lästigen Realität kaputt machen lässt. Der Unterschied zur faktenleugnenden, antidemokratischen Politik eines Donald Trump: Frau Dr. Hartwig, Herr Schmal oder Herr Weber verwenden keine Fäkalsprache und haben auch sicher bessere Tischmanieren.

Der Traum von London am Main

Erklärt sich der moralische Defätismus der AbrissbefürworterInnen möglicherweise aus der kindlichen Hoffnung, Frankfurt könne London in Folge des Brexit als internationale Finanzmetropole beerben? Tja , warum nicht? Frankfurt wäre ja auch schon mal beinahe der neue Sitz der Amsterdamer Diamantenbörse geworden.

Der Brexit ist zwar eigentlich schon Schnee von gestern und die Fluktuation der englischen Banker hat schon stattgefunden. Aber wer weiß? Eine in acht, zehn oder mehr Jahren fertiggestellte Frankfurter Möchtegern-Elphie oder doch nur der wieder aus der Versenkung aufgetauchte PPKO (Peinlicher Protz-Klotz Ost), immerhin fußläufig zur EZB, könnte Frankfurt am Main ja doch noch attraktiver machen als die Seinemetropole Paris. Vorausgesetzt, die angestellten Banker werden nicht ohnehin nur wegen der in die ehemalige Großmarkthalle eingebauten EZB zum Umzug an den Main gezwungen und Theater oder nicht spielt gar keine Rolle. Es ist ohnehin fraglich, ob in zehn Jahren überhaupt noch einer Lust auf / Geld für Repräsentationstheater hat und die Masse der EinwohnerInnen Frankfurts nicht Vollzeit damit beschäftigt ist, Trinkwasser- und Nahrungsrationen organisierend durch die überhitzte Stadt zu wanken.

Die Marketingpräsentation im DAM wirkt seltsam wie aus der Zeit gefallen. Weltweit demonstrieren Menschen für eine gerechtere, modernere Welt ohne Rassismus und soziale Ungerechtigkeit. Am 12. Juni hat deutschlandweit die Rebellion Wave begonnen. In Hamburg haben AktivistInnen der Bewegung Extinction Rebellion dazu aufgefordert, der Klimakatastrophe in den Nachrichten endlich den Stellenwert einzuräumen, der ihrer Bedeutung entspricht.

Gefangen in der Zeitblase

Frankfurt dagegen ist immer noch im Traum von der neoliberalen Klassengesellschaft befangen. Paradox: Ein Moderator mit Corona-Notstands-Frisur, die deutlich erkennbar das Misstrauen in die Lockerung der Schutzmaßnahmen signalisiert, stellt sich trotzdem an die Seite der KrisenleugnerInnen und plädiert für ein „Weiter So“. Für die Architektur heißt das: Weiter mit dem Bauboom von gestern, unbeirrt von Klimakatastrophe, wachsendem sozialen Unfrieden und des Scheiterns des Wachstumsmodells. Die für Gegenwart und Zukunft relevanten Arbeitsfelder wie Umnutzung und Recycling von Bestandsbauten oder mobile Architektur sind nach wie vor kein Thema für die derzeitige „Elite“ der Branche.

Mit ihrer nur halbherzig als „Diskussion“ verkauften Machtdemonstration beweisen die VeranstalterInnen im DAM die These, dass der dringend notwendige Paradigmenwechsel nicht durch die Vermittlung von Fakten erzielt werden kann. Frankfurts amtierendes politisches Personal ist weder in der Lage noch willens, Problemstellungen der Gegenwart, geschweige denn der Zukunft zu bewältigen. Mehr als mühsam erschacherte Babyschrittchen und Minimalkompromisse sind mit den derzeit Verantwortlichen nicht zu erreichen.

Wenn wir eine lebenswerte Zukunft wollen, muss eine neue, fortschrittlichere Generation die „alten weißen Männer (und wenigen Frauen)“ endlich in Pension schicken.

Sandra Pappe ist Fachautorin und Illustratorin. Sie machte ihren Abschluss im Fachbereich Architektur an der FH Darmstadt und verlegte sich nach Aufbaustudiengängen für Onlineredaktion und Buch- und Medienpraxis auf das Publizieren. Sie betreibt den Blog architektur-ist-politik.de und hat unter anderem einen Architekturführer für die Stadt Frankfurt veröffentlicht.

So geht Bauen heute

Kulturdezernentin Ina Hartwig zeigt sich fasziniert von dem Umbauprojekt, besonders aber von der restaurierten Fassade des gläsernen Foyers aus den 1960er Jahren, „von der Transparenz zwischen Außenraum und Innenraum.“ Peter Cachola Schmal, Direktor des DAM, wiederum sieht in dem Projekt ein „symbolisches Beispiel dafür, wie man mit der Moderne umgehen kann“ – es sende ein wichtiges geschichtspolitisches und baukulturelles Signal.

DAM Preis 2019 für Kulturpalast Dresden, https://dam-online.de/news/dam-preis-2019-fuer-kulturpalast-dresden/

Aus diesem Grund wurde das Umbauprojekt des 1967-69 errichteten Kulturpalasts in Dresden mit dem DAM-Preis 2019 ausgezeichnet. Gewürdigt wurde damit die Instandsetzung eines bedeutenden Kulturgebäudes, das zahlreiche architektonische Merkmale mit dem Frankfurter Bühnengebäude teilt. Gewürdigt wurde damit aber auch eine kluge Umnutzung und ein gelungener Umbau des Gebäudes zu einem Konzerthaus. Und nicht zuletzt wurde damit auch das Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner ausgezeichnet. Am Dresdner Projekt zeigt sich, dass man dieses Büro nicht allein an den jüngst veröffentlichten, für die Stadt Frankfurt eilig zusammengerenderten, massentauglichen und -verführenden „Stimmungsbildern“ mit „heiteren Tagesszenen“ rund um die Neubauten von Opern- und Schauspielhaus messen sollte. Vielmehr haben von Gerkan, Marg und Partner in Dresden eindrucksvoll bewiesen, dass von ihnen auch 50 Jahre nach Tegel weiterhin wegweisende Beiträge zur zeitgenössischen Architektur zu erwarten sind. Ähnliches wünschte man sich auch für Frankfurt, wo ein anderes architektonisch und stadtgeschichtlich bedeutendes Kulturgebäude mit transparenter Fassade darauf wartet, im Sinne eines symbolischen Projekts für den Umgang mit der Moderne instandgesetzt und intelligent weiterentwickelt zu werden.

Hier die Links zu dem Projekt:

DAM Preis 2019 für Kulturpalast Dresden

https://www.kulturpalast-dresden.de/de/

So ginge Bauen heute

In ihrem Master-Entwurf „Promenade Théâtrale“, ausgezeichnet mit dem Jahrespreis der Masterarbeiten der Universität Stuttgart (2018), erarbeitet Sofie Hoyer ein mögliches Szenario für die Zukunft der Städtischen Bühnen in Frankfurt, das die historische Vielschichtigkeit des Gebäudekomplexes zwischen Jugendstil und Nachkriegsmoderne reflektiert und zum Nachdenken über Sanierungs- und Umbauvarianten anregt.

Text und Bildmaterial von Sofie Hoyer

Nordfassade © Sofie Hoyer

Die Bühnen sind ein wichtiger gesellschaftlicher und architektonischer Zeitzeuge Frankfurts, doch heute wirkt der gewaltige Baukörper verschlossen und lässt das innere Resultat der hundertjährigen Umbaugeschichte erahnen: eine intakte Doppelbühne umringt von verschachtelten Räumen und labyrinthischen Korridoren.
Der Entwurf versucht, die unsichtbaren Zeitschichten freizulegen und durch eine räumliche Neuordnung – neben den klassischen Theaterbesuchern – die breite Stadtöffentlichkeit in das Gebäude zu führen.
Der Willy-Brandt-Platz dient als Auftakt für eine großzügige Erdgeschosszone mit Ticketverkauf, Shops, Restaurants und Cafés. Unterhalb des Wolkenfoyers verknüpft eine neu geschaffene Promenade durch das Bauwerk die Bühnen mit den Kammerspielen.
So entsteht eine Zurschaustellung der Kulturmaschine – mit Schauwerkstätten, Wechselausstellungen, Blicke hinter die Kulissen und neuen flexiblen Spielorten entlang den nun sichtbaren historischen Fragmenten des Baus von 1902.
Im Stadtraum entsteht vor der historischen Kulisse der ebenfalls freigelegten Westfassade eine Außenbühne, welche dem Auftakt der Wallanlage eine neue Bedeutung gibt.

Erdgeschoss Umbaumaßnahmen © Sofie Hoyer

Hintergund

1902 eröffnete am damaligen Theaterplatz in Frankfurt das Schauspielhaus. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges, wurde es durch die Bombenangriffe der Alliierten teilweise zerstört. Die Stadt Frankfurt beauftrage daher 1949 Otto Apel mit dem Wiederaufbau des Hauses. Apel baute das Schauspielhaus zunächst zu einem Opernhaus um. 1955 wurde schließlich eine Theater-Doppelanlage errichtet, in der Oper und Schauspiel an einem Ort zusammengelegt wurden.

Im Zuge des Umbaus wurde die Hauptfassade mit dem vorgelagerten Portikus des alten Schauspielhauses abgerissen. Große Teile der historischen Fassade blieben jedoch erhalten. Als großmaßstäblich ordnende Geste erhielten die beiden Bühnen ein gemeinsames Foyer: Eine 120 Meter lange Schaufront, das Wolkenfoyer.

Bei sämtlichen Umbaumaßnahmen hatte man nichts großflächig abgerissen. Alle Relikte wurden erhalten, um den laufenden Betrieb nicht stärker zu beeinflussen als notwendig. Daher befindet sich zwischen den Baukörpern von Schauspiel und Oper ein dichtes und unübersichtliches Konglomerat von Werkstätten, Probe- und Lagerräumen aus unterschiedlichen Bauzeiten.

Gegenwärtig ist die Theater-Doppelanlage sanierungsbedürftig – über Abriss und Neubau oder Sanierung wird öffentlich und nahezu täglich diskutiert.

Blick in die Passage © Sofie Hoyer

Herausforderungen und Ziele des Entwurfes

Die Bühnen müssen gerettet werden, da sie ein wichtiger Zeitzeuge Frankfurts sind. Außerdem prägen Teile des Gebäudes, etwa das Wolkenfoyer, das Stadtbild.

Bei der Erhaltung des Gebäudes sollte jedoch nicht nur Altes bewahrt werden. Die Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes sollte als Anlass genommen werden, die Anlage besser in die Stadtgesellschaft zu integrieren.

Aktuell wirkt das öffentliche Gebäude nicht öffentlich, da der Eingangsbereich zur Stadt hin verschlossen ist und die Häuser getrennt betreten werden. Der Ort sollte außerdem übersichtlicher werden. Noch leidet die Anlage unter den zahlreichen und teilweise gegensätzlichen Umbaumaßnahmen der letzten 100 Jahre. Die Erschließung im Foyer ist in beiden Häusern wirr und umständlich und ist über Treppen bestimmt.

Wesentliches Ziel des Entwurfs ist es, die Charakteristika des gewachsenen, 100 jährigen Grundrisses zu ordnen und erkennbar zu machen. Durch die gewonnene Ordnung werden die verschiedenen Zeitschichten wieder sichtbar.
Es ist jedoch auch klar, dass die Rettung präzise und so einfach wie möglich sein muss, um dem Bau am Leben zu halten und keine unverhältnismäßigen Kosten zu erzeugen.

Modellfoto: Schnitt durch die Passage © Sofie Hoyer

Lösung

Ich habe daher eine Methode gewählt, die versucht nur die problematischen Teile zu entfernen, beispielsweise die Erschließung. Die charakteristischen Strukturen, wie die Säle der Bühnen sowie Nebenbühnen und Werkstätten, sollen erhalten werden.

Ich habe mich für eine Geste des gemeinsamen Foyers entschieden. Der gesamte Bereich der Nordfassade bildet den Eingang und der Besucher kann über ein großzügiges Foyer das Gebäude betreten. Über die Freitreppe gelangt der klassische Besucher in das wiedervereinte Wolkenfoyer und erst hier verteilt er sich auf die zwei Häuser.

Hinter der Freitreppe beginnt eine neugeschaffene Passage. Eine Passage, die Einblicke in die Theater- und Opernwelt ermöglicht. Hier befinden sich zusätzliche Veranstaltungsorte und Ausstellungsflächen. Die Bühnenwelt eröffnet sich hier den Besuchern. Es entsteht ein gemeinschaftlich genutzter Raum sowohl für Besucher, als auch für Werkstätten. Durch diese neu geschaffene öffentliche Passage wird die Schwelle zum Besucher verringert und die Integration der Anlage in die Stadt wird erhöht. Die beiden Bühnen bilden sich stärker ab und werden ablesbar und trotzdem findet durch die neue Nutzung eine Zusammenführung statt. Ähnlich der Prinzipien der von le Corbusier ́s formulierten „Promenade Architectural“ verdeutlicht der Schnitt eine Bildabfolge, die sich vor dem Auge des schrittweise vorangehenden Betrachters entrollt.

Um die Zeitschichten aufzuzeigen, wird auch die historische Fassade auf der Westseite freigelegt – die aktuelle Fassade wird ihrer Rolle zum öffentlichen Park nicht gerecht. Es entsteht an dieser Stelle eine Freilichtbühne, die die Bühnen auf die Stadt ausweitet. Durch die Freilegung entsteht an Stelle der übrigen Westfassade ein neuer Gebäudeflügel, der sich an die bestehenden Gestaltungselemente anpasst, sich in das Ensemble einfügt und sich der Stadt zeigt.

In dem Entwurf schaffen Vorgefundenes, Entferntes und Neues einen fließenden Raum, der Bühnenwelt und Öffentlichkeit verschmelzen lässt und eine eigenständige Szenografie entwickelt: die Promenade Théâtrale.

Aussenbühne Westfassade © Sofie Hoyer

Offene Diskussion – anstelle geschlossener Gesellschaft

Am 10. Juni um 19 Uhr präsentierten im Deutschen Architekturmuseum DAM Dr. Ina Hartwig (Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main), Anselm Weber (Intendant Schauspiel Frankfurt ) sowie Torsten Becker (Stadtplaner und Vorsitzender des Frankfurter Städtebaubeirats) mit dem Direktor des Deutschen Architekturmuseums, Peter Cachola Schmal, die Ideenskizzen des Frankfurter Kulturdezernats/SPD für den Neubau von Schauspiel und Oper Frankfurt, unter anderem aus der Feder von GMP.

Die Veranstaltung war als öffentliche Online Diskussion deklariert. De facto handelte es sich aber um eine geschlossene Veranstaltung. Eine Pressekonferenz, zu der spezielle Journalist*innenen geladen wurden. Und die Bürger*innen konnten zwar dem Live Stream beiwohnen, Fragen konnten sie auch stellen – diese wurden aber nach Gefallen selektiert. Die Veranstaltung war eine geschlossene Gesellschaft. Wir fordern daher eine offene, transparente und demokratische Debatte zum Plaungsprozess Zukunft der Städtischen Bühnen.

Auf der Plattform nachtkritik.de wurde ein Live-Chat zur Veranstaltung angeboten, an dem bis zu 90 Teilnehmer*innen beteiligt waren. Über wichtige Diskussionspunkte des Chats und über unsere Sicht auf die in der Podiums“diskussion“ verhandelten Themen und vorgebrachten Argumente informieren wir in Kürze auf dieser Webseite.

Kritische Diskussion nötig – Live-Chat am 10. Juni und Stellungnahme

Städtische Bühnen Frankfurt: Mangel an Transparenz, fehlende Offenheit im Umgang mit kritischen Stimmen und kein Denkmalschutz. Initiative kündigt kritischen Live-Chat zur Diskussion am 10. Juni an.

Wir begrüßen die neue Lebendigkeit, welche die Diskussion um die Zukunft der Städtischen Bühnen in den letzten Wochen gewonnen hat. Wir sehen darin auch einen Gewinn für die notwendige öffentliche Auseinandersetzung, bleiben aber skeptisch, ob die Verantwortlichen an einer Diskussion ernsthaft interessiert sind. Denn die für eine solche Angelegenheit von allgemeinem öffentlichen Interesse notwendige Transparenz wird weiterhin nur eingeschränkt gewährt, wesentliche Aspekte des Projekts werden gar nicht oder nur ungenügend behandelt und wichtige Stimmen bislang nicht in die Debatte einbezogen. Zu den Entwicklungen der letzten Wochen bezieht die Initiative hier noch einmal knapp Stellung und verweist auf die Webseite www.zukunft-buehnen-frankfurt.de, auf der kontinuierlich Informationen, Rechercheergebnisse und Diskussionsbeiträge veröffentlicht werden.

Für Mittwoch, den 10.6.2020, 19 Uhr, hat die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig eine – wenn auch alles andere als kontrovers konzipierte – Diskussion im Livestream angekündigt. Wir werden diese im Live-Chat auf der Plattform nachtkritik.de kritisch kommentieren und laden alle Interessierten ein, sich an dieser offenen Diskussion in unserem Chat zu beteiligen.

Hier geht’s zum Live-Chat

Unsere Positionen und Kommentare zum aktuellen Stand der Debatte:

Denkmalschutz

Das Landesamt für Denkmalpflege Hessen hat in einem Gutachten dargelegt, dass die Drehbühne, die erhaltenen Teile des alten Theaters und das Wolkenfoyer Denkmalwert besitzen. Die Äußerungen der städtischen Vertreter lassen allerdings nicht darauf schließen, dass die Belange des Denkmalschutzes nun adäquat aufgegriffen werden, vielmehr ist das Gutachten für die Kulturdezernentin „kein Grund, unsere Planung in Frage zu stellen,“ und sie spricht davon, „den Denkmalwert des Wolkenfoyers in etwas Neues [zu] überführen“. Ein solches Raumkunstwerk kann aber nicht nach Belieben transloziert werden, allein schon aus urheberrechtlichen Gründen. Der Urheberrechtsvertreter des Künstlers, Roland Wäspe, hat sich erst vor kurzem gegen ein solches Vorgehen ausgesprochen.

Gutachten

Es ist zu begrüßen, dass ein Teil der Gutachten, auf deren Basis die Empfehlung zur Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung verfasst wurde, nun öffentlich ist. Allerdings bleiben wesentliche Teile der Unterlagen weiter unter Verschluss, etwa das Validierungsgutachten oder die Kostenermittlung und das Raumprogramm des Planerteams. Falls tatsächlich Transparenz geschaffen werden soll, kann dies nicht selektiv vonstatten gehen; insbesondere die Zahlen und Berechnungsgrundlagen, die ja allen Erklärungen der städtischen Vertreter zufolge für die Entscheidung ausschlaggebend waren, müssen veröffentlicht werden.

Fünf Optionen?

Die Verantwortlichen der Stadt wollen nun fünf Standortvarianten für den Theaterneubau prüfen. Neben dem heutigen Standort gehören hierzu der Osthafen sowie zwei Standorte in den Wallanlagen. Der nicht zuletzt denkmalpflegerisch gebotene Erhalt des Foyers ist nur sinnhaft, wenn die beiden Häuser – wenn auch in einem Teilneubau – am jetzigen Standort verbleiben. Eine Bebauung in der Wallanlage führt zudem zu einem zusätzlichen Schaden, welcher diesen historisch geschützten Grünzug erheblich beeinträchtigt. Aus Sicht der Initiative ist schon jetzt absehbar, dass unter den gegebenen Optionen nur der Erhalt beider Häuser am heutigen Standort sinnvoll sein kann. Um so dringender ist die Frage eines Interims zu klären, eine auch international übliche Lösung (in den letzten Jahren z.B. Staatsoper Berlin, Oper und Schauspiel Köln, Staatstheater Augsburg, Opéra des Nations Genf, Comédie-Française Paris u.v.m.).

Öffentliche Diskussion

Erfreulicherweise stellt die Kulturdezernentin sich am Mittwoch den 10. Juni im DAM einer öffentlichen Diskussion. Neben der Kulturdezernentin werden der Intendant des Schauspielhauses, für dessen Vertragsverlängerung die Dezernentin alleinverantwortlich ist, sowie der Vorsitzende des Städtebaubeirats, der ihren Kollegen, den SPD-Vorsitzenden Mike Josef berät, an der Veranstaltung teilnehmen. Das heißt: Eine kontroverse inhaltliche Diskussion abseits von parteipolitischen Verlautbarungen ist hier kaum zu erwarten. Kritische Stimmen sind nicht auf dem Podium vertreten. Jenseits der Initiator*innen dieser Initiative hätten Kritiker am Vorgehen der Stadt eingeladen werden können, die sich etwa in der Frankfurter Rundschau zum Thema geäußert haben. Es hätten Theaterleute mit hinzugezogen werden können, die andere Konzepte als das traditionelle Literaturtheater vertreten. Es hätten Expert*innen für Denkmalschutz beteiligt werden können, die ein Wort zur Abwägung zwischen Aspekten des Denkmalschutzes und solchen der Arbeitsschutzbedingungen hätten sagen können. Auch wäre bei einer solchen, von der Stadt ausgehenden Veranstaltung zu erwarten gewesen, dass zumindest das Spektrum der in der Koalition vertretenen Standpunkte abgebildet worden wäre.

Komplexität

Trotz der durchaus positiven Entwicklungen ist nach wie vor nicht zu erkennen, dass die Diskussion der Komplexität der Sache gerecht wird. Es werden weder gesamtökologische Fragen noch Theaterkonzeptionen oder gar gesellschaftliche Themen verhandelt.

Eine Diskussion, die kritische Stimmen nicht aufgreift, Transparenz nur insoweit herstellt, wie sie unumgänglich ist, und die der Sache angemessenen Tiefe nicht öffentlich geführt wird muss aus unserer Sicht scheitern.

Die Initiatoren der Petition zur Zukunft der Städtischen Bühnen

Prof. Dr. Maren Harnack (Frankfurt University of Applied Science), Hanns-Christoph Koch (Deutscher Werkbund Hessen), Prof. Dr. Nikolaus Müller-Schöll (Goethe-Universität Frankfurt am Main), Prof. Philipp Oswalt (Universität Kassel) und Prof Dr. Carsten Ruhl (Goethe-Universität Frankfurt am Main)

Weiterführende Informationen

Statement von Roland Wäspe, Direktor des Kunstmuseums St.Gallen, zur Raumskuptur von Zoltán Kemény: Kosmische Elemente in musischer Ordnung

Zur aktuellen Diskussion zum Denkmalschutz: Stadt Frankfurt ignoriert Denkmalschutz und Urheberrechte und hält Unterlagen unter Verschluss

Zum Prozess allgemein: unser Statement von April 2020

Zur Diskussion und zum Live-Chat am Mittwoch, den 10.6.2020.

Bei der Veranstaltung „Zur Zukunft der Städtischen Bühnen: Standorte und Stadträume“ diskutieren auf dem Podium:

Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin Stadt Frankfurt
Anselm Weber, Intendant Schauspiel Frankfurt
Torsten Becker,  Stadtplaner und Vorsitzender des Städtebaubeirats von Frankfurt,
moderiert von Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums

Auf Nachtkritik.de ist neben dem Livestream ein Live-Chat möglich. Bei diesem kann sich jeder einbringen. Mitdiskutieren und  -kommentieren werden auch Maren Harnack, Hanns-Christoph Koch, Nikolaus Müller-Schöll, Philipp Oswalt und Carsten Ruhl von der Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt.

Stadt Frankfurt ignoriert Denkmalschutz und Urheberrechte und hält Unterlagen unter Verschluss.

Philipp Oswalt

Als vor drei Wochen das hessische Landesdenkmalamt ein Gutachten zum Denkmalwert der Städtischen Bühnen veröffentlichte und die Stadt Frankfurt hierauf positiv reagierte, erweckte dies in der Öffentlichkeit den Anschein, die Belange des Denkmalschutzes würden bei den weiteren Planungen und Entscheidungen nun adäquat berücksichtigt. Wie sich inzwischen herausstellt, ist dies aber nicht der Fall.

Gemäß ihren Äußerungen gegenüber der Presse (u.a. in der Frankfurter Rundschau vom 3.6.2020 und 22.5.2020) haben sich Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD), der Planungsdezernent Mike Josef (SPD) und der Leiter der Stabsstelle Michael Guntersdorf darauf verständigt, das heutige Wolkenfoyer der Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz in einen Neubau zu überführen und zu integrieren. Damit meinen die städtischen Vertreter dem vom Landesdenkmalamt festgestellten Denkmalwert des Baus Genüge zu tun. Das jüngst veröffentliche Gutachten hat den Denkmalwert des Foyers aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen festgestellt. Darüber hinaus hat es allerdings auch die Drehbühne des Opernhauses und die Einbeziehung der Jugendstilruine in den modernen Theaterbau als Denkmalwerte benannt.

Doch diese Reaktion der städtische Vertreter ist völlig inadäquat. Eine solche Transplantation der Raumskulptur des ungarischen Künstlers Zoltán Kemény wird weder dem Denkmalcharakter der Architektur des Foyers noch dem Kunstwerk selbst gerecht. Sie zeugt von einer Ignoranz gegenüber denkmalpflegerischen wie künstlerischen Fragen. Ein solches Raumkunstwerk ist keine Verschiebemasse, die nach Belieben transloziert werden kann. Es ist eine ortspezifische Arbeit, die vom Künstler vor Ort für diesen Bau entwickelt wurde. Ganz unabhängig für das fehlende Verständnis für Kunst drückt sich hier auch ein dilettantischer Umgang mit Urheberrechten aus. Die Rechte am Werk von Zoltán Kemény werden von Roland Wäspe, Direktor des Kunstmuseum St. Gallen, vertreten, der vor kurzem ein Statement für die Plattform der Initiative „Zukunft Städtische Bühnen“ schrieb, in dem es heißt: „Dieses Hauptwerk der Kunst der 1960er Jahre darf keinesfalls in Mitleidenschaft gezogen werden und verträgt keinen Wechsel in eine andere Architektur“ (Siehe: http://zukunft-buehnen-frankfurt.de/2020/05/02/kosmische-elemente-in-musischer-ordnung/). Ohne Zustimmung des Inhabers der Urheberrechte ist das angestrebte Translozieren also gar nicht möglich.

Ohnehin würde mit einem solchen Vorgehen das bauliche Denkmal zerstört, dessen Wert das Gutachten des Denkmalamts gerade herausgestrichen hatte. Dort heißt es u.a: „Markant bringt es den kulturellen Anspruch der Doppelanlage am Übergang von der Innenstadt über die Wallanlagen zum westlich anschließenden Bahnhofsviertel zur Geltung. Die Städtischen Bühnen bilden einen Point de vue am südwestlichen Ende der Wallanlagen und konstituieren mit dem vorgelagerten Verkehrsraum eine Freifläche eigenen Charakters. Die Folie, vor der sich das gesellschaftliche Leben an diesem Ort abspielt und in die die Städtischen Bühnen eingebunden sind, zeigt sich in der Nordfassade der Anlage. Das Foyer wirkt als bidirektionales Schaufenster sowohl nach außen als auch nach innen und stellt so die für einen Kulturbau notwendige Repräsentation her.“

Auch ohne die – wie auch in einer Reihe von anderen Fällen bislang unterbliebene – formelle Eintragung in die Denkmalliste unterliegen die Gebäudeteile mit Denkmalwert nach § 11 des Hessischen Denkmalschutzgesetzes dem Denkmalschutz. Dies ist auch der Stadt bekannt. Gleichwohl sind die Verantwortlichen der Stadt Frankfurt  nicht willens, den Denkmalwert de facto anzuerkennen und mit diesem gemäß den Erfordernissen des Hessischen Denkmalgesetzes umzugehen. Dies räumt die Stadt Frankfurt jüngst auch selbst ein. In einem Bericht des Magistrat an die Stadtverordnetenversammlung vom heißt es: „Es ist allerdings Eigentümerinnen und Eigentümern sowie Behörden und anderen Baubeteiligten schwer zu vermitteln, dass ohne eine Denkmalausweisung bzw. eine Eigentümerbenachrichtigung Auflagen und Bedingungen auf Grundlage des HDSchg formuliert werden.“ (Bericht des Magistrats B 77 vom 21.2.2020)

Die Genehmigung zur Zerstörung des Denkmals erfordert eine Abwägung der Belange. Diese ist bislang unterblieben, auch weil unter anderem der Planungsdezernent Mike Josef (SPD) den Denkmalcharakter wider besseren Wissens in Abrede gestellt hat und in Folge dessen Fragen des Denkmalschutz im Vorfeld der Abrissentscheidung ignoriert wurden. Mike Josef bekannte im März 2019 offenherzig, „Grundlage seiner Arbeit und Entscheidung über das Gebäude basiere auf der Tatsache, dass das Schauspielhaus oder Teile davon zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht unter Denkmalschutz stehen“. In den 175-seitigen Unterlagen der Stabsstelle, welche die Abrissentscheidung des Stadtparlaments von Januar 2020 begründen, wird die vom Landeskonservator Heinz Wionski bereits im Jahr 2017 gegenüber der Stadt benannten Denkmalwerte der Theaterdoppelanalage nicht ein einziges Mal erwähnt. Auch bei der Entscheidung des Stadtparlaments spielte die Frage keine Rolle. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Stadt strebt einen Neubau an, und bei drei der nun fünf avisierten Varianten soll zudem in die ebenfalls denkmalgeschützte Wallanlagen massiv eingegriffen werden.

Ein überwiegendes öffentliche Interesse für eine Zerstörung der denkmalwerten Teile des Theaterbaus ist auch nicht einfach zu begründen, weil weder Foyer noch Zuschauerraum und Bühne der Oper zu den problematischen Arbeitsbedingungen beiträgt, die in jüngster Zeit von Kulturdezernentin und Theaterintendanz als Argumente für den Totalabriss vorgebracht wurden.

Die Begründungsnot für den Totalabriss besteht um so mehr, weil bei genauer Betrachtung die von der Stabsstelle vorgelegten Kalkulationen der Kosten erhebliche Fragen aufwerfen. Einige Unterlagen hat die Stabsstelle inzwischen auf öffentlichen Druck zugänglich gemacht, aber wichtige Teile der Gutachten sind nach wie vor unter Verschluss. Nicht einsehbar sind bislang das gesamte Gutachten des Evaluationsteams, aber auch die Kostenermittlung und das Raumprogramm des Planerteams. Wir fordern die Stadt auf, diese Unterlagen unverzüglich zu veröffentlichen.

Pannenplanung Städtische Bühnen: Rechnung ohne das Denkmalamt gemacht

Orientierungslos, dafür stur: Das Frankfurter Betonkopfkabinett plant die Zukunft der Städtischen Bühnen. Bild: Sandra Pappe, www.sandrapappe.de

Erschienen auf architektur-ist-politik.de am 28. Mai 2020

Nachdem die Coronakrise den ehrgeizigen Fitzcarraldophantasien für einen Neubau des Frankfurter Schauspiels eine Absage erteilt hat, erleidet die umstrittene Planung der Stadt nun die nächste Schlappe. Das Landesdenkmalamt bestätigt in einem Gutachten die Denkmalschutzwürde des Foyers.

Von Sandra Pappe

Hauptsache Abreissen!

Die Corona-Schutzmaßnahmen stellen das bisher gepflegte Veranstaltungswesen weltweit langfristig in Frage. Ende März beschloss die Stadt Frankfurt, die Investitionen für die Städtischen Bühnen vorerst auf Eis zu legen. Obwohl ohne das damit entfallene klare Planungsziel kein entsprechender Handlungsbedarf mehr vorliegt, hält die Stabsstelle dennoch stur an den Abrissplänen fest. Deutlicher hätte die Stadt gar nicht offenbaren können, dass der Abriss der Städtischen Bühnen längst beschlossene Sache, wenn nicht gar das eigentliche Ziel des fragwürdigen Gutachtenverfahrens von Herr Guntersdorf, Leiter der Stabsstelle zur Zukunft der Städtischen Bühnen, war.

Bereits vorher fragte man sich, warum für das Gutachten, das dann auch den Ausschlag für den Abrissbeschluss gab, ein Stadtplaner angestellt wurde, der seine Abneigung gegen die „Kiste“, die „weg müsse“ so offen und häufig postuliert wie sein Missfallen an der spätmodernen Gestaltung des Bühnengebäudes. Bei den Rekonstruktionsfreunden, die Herr Guntersdorf von seiner Tätigkeit als Leiter der DomRömer AG vertraut sind, macht er sich mit dieser Abwertung des Baudenkmals, um dessen Sanierung es eigentlich ursprünglich mal gehen sollte, auf jeden Fall beliebt.

Der ohnehin subjektive Vorwurf Otto Apels Theaterbau sei „nicht schön“, ist offensichtlich ein vorgeschobenes Kriterium. Das Baudenkmal erinnert nicht nur an den demokratischen Neuaufang nach dem Ende der NS-Diktatur sondern eben auch an jenes Merkmal der Moderne, das Rechtskonservativen und -extremistInnen immer der wirkliche Dorn im Auge war: Das Versprechen, auch dem Teil der Bevölkerung etwas zu gönnen, denen in der vormodernen Feudalgesellschaft nichts gegönnt wurde und in der neoliberalen Leistungsgesellschaft erneut nichts gegönnt wird. Die Kritik an den Gestaltungsformen der Moderne dient allzu oft nur als Deckmantel für den Hass auf den zivilisatorischen Fortschritt, den diese mit der In-Frage-Stellung der kaiserzeitlichen Gesellschaftsordnung vollzogen hat.

Es ist nicht verwunderlich, dass die Gewinner einer expansionistischen Wirtschaftspolitik, die Glücksrittertum und Wirtschaftskriminalität als „Erfolg“ glorifiziert, in das selbe Horn blasen und das bauliche Symbol eines „Theaters für Alle“ gar nicht schnell genug durch ein besser zu ihrem Investorenstandort passendes Prestigeprojekt ersetzen können. Erst einmal mit dem Abriss vollendete Tatsachen schaffen – diesem in Frankfurt alt bewährten Vorgehen hat das Denkmalamt nun vorerst einen Riegel vorgeschoben.

Die Rechnung ohne das Denkmalamt gemacht

Nach dem Gutachten vom 17. April 2020 reduziert sich die den städtischen Bühnen zuletzt von Planungsdezernent Mike Josef abgesprochene Denkmalwürde auf die bisher ausgebliebene Eintragung in der Denkmalliste, die aber laut § 11 des Hessischen Denkmalschutzgesetzes ohnehin nur formelle Bedeutung hat.Hätte sich die Stadt an den gesetzlich vorgegebenen Weg gehalten, wäre es dem Denkmalschutzamt schon früher möglich gewesenen, die städtischen VolksvertreterInnen über ihre Wissensmängel aufzuklären. Das hätte der Öffentlichkeit auch viel Geld für eine substanzlose Schnellschuss-Planung und sinnlose Gutachten erspart.

Stattdessen wurde das Denkmalamt vorsorglich gar nicht erst in das Verfahren eingebunden, sondern bekam nur im Nachgang mitgeteilt, dass das dafür gar nicht zuständige Stadtparlament die Städtischen Bühnen nicht als Denkmal einschätze. Auch die Beantragung einer nach § 18 des Hessischen Denkmalschutzgesetz erforderlichen Abrissgenehmigung hielt die Stadt nicht für nötig und umging damit die Abwägung denkmalpflegerischer und öffentlicher Belange.

So sind die von Landeskonservator Heinz Wionski geäußerten Hinweise auf ein von ihm zukünftig gewünschtes „konstruktives Miteinander“ und das gemeinsame Entwickeln weiterer Schritte auch als ironischer Kommentar auf die selbstherrliche Entmündigung demokratischer Instanzen zu verstehen. Ob Wionskis dezenter Wink mit dem Zaunpfahl einen offenen Diskurs auf Augenhöhe zu Folge hat, ist angesichts der bisher ausgiebig demonstrierten Kritikunfähigkeit der Zuständigen wenig wahrscheinlich.

Wozu Argumente? Autokraten-Demagogik aus der Mottenkiste
So hatte erst kurz zuvor Michael Guntersdorf ein Beispiel für die Arroganz geliefert, mit der die Stadt Frankfurt unerwünschte fachliche Kritik beiseite fegt, in dem er die Glasfassade der Bühnen als Zufallsprodukt ohne künstlerische Aussage abzuwerten versuchte.

Mit dieser geradezu lachhaften Negierung der zum Berufsbild der Architektur gehörenden Planungsmethodik diffamiert Guntersdorf ungeniert den eigenen Berufsstand. Dies ist nur im Rahmen genau der scheinheiligen Dummstellerei verständlich, die vor allem in rechten Kreisen gut ankommt, weil sie einer der Grundpfeiler rechtspopulistischer Propaganda ist. Mit nichts kann man sich den Beifall der von der Leistungsgesellschaft Abgehängten besser sichern, als mit einer Bestätigung des Bildungsneids auf die studierten „Besserwisser“.

Guntersdorfs polemische Ausfälle offenbaren die Unglaubwürdigkeit seiner nach außen postulierten Einschätzung beruflicher Expertise. Warum auf fachliche Argumente eingehen, wenn man Gegnern der eigenen Meinung einfach die Befähigung zum Mitreden absprechen kann? Kompetenz wird bei Guntersdorf nicht an Ausbildung, Berufspraxis oder professionellem Status bemessen, sondern ausschließlich daran, ob man seine persönlichen Vorlieben teilt oder nicht. Wer Guntersdorf kritisiert, hat eben keine Ahnung, so einfach ist das.

Die Autokraten-Demagogik aus der Mottenkiste des 20. Jahrhunderts hat in Frankfurt Schule gemacht. In dem dadurch erzeugten Klima hat ein sachlicher, konstruktiver Diskurs keine Chance.

So zeugt der Vorschlag, die durch einen Abriss des Foyers heimatlos werdenden „Goldwolken“ einfach woanders aufzustellen, von derselben Ignoranz. Da die Skulptur nun einmal bewusst als Bestandteil eines Gesamtkunstwerks konzipiert ist, degradiert eine Trennung die Skulptur zum seines Kontexts beraubten Dekorationsobjekt und entwertet dessen künstlerische Aussage. Die damit verbundene Geringschätzung des Künstlers passt einer Stadtplanungspolitik gut in den Kram, die lebendige Erinnerungskultur Stück für Stück durch historisch anmutende Surrogate ersetzt.

Gefährliches Spiel mit dem Feuer

Frankfurts Stadtverordnete spielen ein gefährliches Spiel. Die arrogante Selbstherrlichkeit, mit der das Stadtparlament über jede Kritik hinweg regiert und einen konstruktiven Diskurs verweigert, verstärkt das Ohnmachtsgefühl in der Bürgerschaft und bietet Verschwörungstheoretikern den idealen Nährboden. Gerade eben noch hat die Stadt die Schreihälse aus dem rechten Lager mit dem Bonbon des Altstadt-Surrogats ruhig gestellt, schon stehen sie wieder auf der Straße und fantasieren einen heimlichen Bevölkerungsaustausch herbei. Ausgerechnet jetzt, wo die Coronaschutzmaßnahmen die Situation verschärfen, gießt die Betonköpfigkeit des Stadtparlaments Öl ins Feuer.

Wir brauchen eine Stadt für Alle

Die Pandemie ist ein Warnsignal, ein letzter Schuss vor den Bug, der uns noch einmal vor Augen führt, dass wir uns ein „Weiter so“ nicht mehr leisten können. Kein „Weiter So“ für eine Politik, die populistische Zugeständnisse an einen von Hetzern herbeigeredeten „Willen“ der Bürger macht, um diesen nicht geben zu müssen, was sie tatsächlich brauchen. Wir benötigen weder überteuerte Repräsentationspaläste für Investoren und Möchtegern-Großbürger noch pseudohistorische Knipskulissen für die ewig Gestrigen.

Wir brauchen eine Stadt für Alle. Wir brauchen offene, allen zugängliche Räume, die eine progressive Kulturszene ermöglichen. Wir brauchen Anregung zum kritischen Denken und kulturelle Vielfalt, das Gegengift zu demokratiegefährdender Bildungs- und Wissenschaftsferne. Mit den städtischen Bühnen haben wir einen solchen Raum bereits. Wir müssen nur aufpassen, dass er uns im Frankfurter Geschachere um politische Gefälligkeiten nicht verloren geht.

Publikation mit freundlicher Genehmigung von Sandra Pappe

Sandra Pappe ist Fachautorin und Illustratorin. Sie machte ihren Abschluss im Fachbereich Architektur an der FH Darmstadt und verlegte sich nach Aufbaustudiengängen für Onlineredaktion und Buch- und Medienpraxis auf das Publizieren. Sie betreibt den Blog architektur-ist-politik.de und hat unter anderem einen Architekturführer für die Stadt Frankfurt veröffentlicht.

Promenade Théâtrale

In dem Master-Entwurf, ausgezeichnet mit dem Jahrespreis der Masterarbeiten der Universität Stuttgart (2018), erarbeitet Sofie Hoyer ein mögliches Szenario für die Zukunft der Städtischen Bühnen in Frankfurt, das auch die historische Vielschichtigkeit des Gebäudekomplexes reflektiert.

Text und Bildmaterial von Sofie Hoyer

Nordfassade © Sofie Hoyer

Die Bühnen sind ein wichtiger gesellschaftlicher und architektonischer Zeitzeuge Frankfurts, doch heute wirkt der gewaltige Baukörper verschlossen und lässt das innere Resultat der hundertjährigen Umbaugeschichte erahnen: eine intakte Doppelbühne umringt von verschachtelten Räumen und labyrinthischen Korridoren.
Der Entwurf versucht, die unsichtbaren Zeitschichten freizulegen und durch eine räumliche Neuordnung – neben den klassischen Theaterbesuchern – die breite Stadtöffentlichkeit in das Gebäude zu führen.
Der Willy-Brandt-Platz dient als Auftakt für eine großzügige Erdgeschosszone mit Ticketverkauf, Shops, Restaurants und Cafés. Unterhalb des Wolkenfoyers verknüpft eine neu geschaffene Promenade durch das Bauwerk die Bühnen mit den Kammerspielen.
So entsteht eine Zurschaustellung der Kulturmaschine – mit Schauwerkstätten, Wechselausstellungen, Blicke hinter die Kulissen und neuen flexiblen Spielorten entlang den nun sichtbaren historischen Fragmenten des Baus von 1902.
Im Stadtraum entsteht vor der historischen Kulisse der ebenfalls freigelegten Westfassade eine Außenbühne, welche dem Auftakt der Wallanlage eine neue Bedeutung gibt.

Erdgeschoss Umbaumaßnahmen © Sofie Hoyer

Hintergund

1902 eröffnete am damaligen Theaterplatz in Frankfurt das Schauspielhaus. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges, wurde es durch die Bombenangriffe der Alliierten teilweise zerstört. Die Stadt Frankfurt beauftrage daher 1949 Otto Apel mit dem Wiederaufbau des Hauses. Apel baute das Schauspielhaus zunächst zu einem Opernhaus um. 1955 wurde schließlich eine Theater-Doppelanlage errichtet, in der Oper und Schauspiel an einem Ort zusammengelegt wurden.

Im Zuge des Umbaus wurde die Hauptfassade mit dem vorgelagerten Portikus des alten Schauspielhauses abgerissen. Große Teile der historischen Fassade blieben jedoch erhalten. Als großmaßstäblich ordnende Geste erhielten die beiden Bühnen ein gemeinsames Foyer: Eine 120 Meter lange Schaufront, das Wolkenfoyer.

Bei sämtlichen Umbaumaßnahmen hatte man nichts großflächig abgerissen. Alle Relikte wurden erhalten, um den laufenden Betrieb nicht stärker zu beeinflussen als notwendig. Daher befindet sich zwischen den Baukörpern von Schauspiel und Oper ein dichtes und unübersichtliches Konglomerat von Werkstätten, Probe- und Lagerräumen aus unterschiedlichen Bauzeiten.

Gegenwärtig ist die Theater-Doppelanlage sanierungsbedürftig – über Abriss und Neubau oder Sanierung wird öffentlich und nahezu täglich diskutiert.

Blick in die Passage © Sofie Hoyer

Herausforderungen und Ziele des Entwurfes

Die Bühnen müssen gerettet werden, da sie ein wichtiger Zeitzeuge Frankfurts sind. Außerdem prägen Teile des Gebäudes, etwa das Wolkenfoyer, das Stadtbild.

Bei der Erhaltung des Gebäudes sollte jedoch nicht nur Altes bewahrt werden. Die Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes sollte als Anlass genommen werden, die Anlage besser in die Stadtgesellschaft zu integrieren.

Aktuell wirkt das öffentliche Gebäude nicht öffentlich, da der Eingangsbereich zur Stadt hin verschlossen ist und die Häuser getrennt betreten werden. Der Ort sollte außerdem übersichtlicher werden. Noch leidet die Anlage unter den zahlreichen und teilweise gegensätzlichen Umbaumaßnahmen der letzten 100 Jahre. Die Erschließung im Foyer ist in beiden Häusern wirr und umständlich und ist über Treppen bestimmt.

Wesentliches Ziel des Entwurfs ist es, die Charakteristika des gewachsenen, 100 jährigen Grundrisses zu ordnen und erkennbar zu machen. Durch die gewonnene Ordnung werden die verschiedenen Zeitschichten wieder sichtbar.
Es ist jedoch auch klar, dass die Rettung präzise und so einfach wie möglich sein muss, um dem Bau am Leben zu halten und keine unverhältnismäßigen Kosten zu erzeugen.

Modellfoto: Schnitt durch die Passage © Sofie Hoyer

Lösung

Ich habe daher eine Methode gewählt, die versucht nur die problematischen Teile zu entfernen, beispielsweise die Erschließung. Die charakteristischen Strukturen, wie die Säle der Bühnen sowie Nebenbühnen und Werkstätten, sollen erhalten werden.

Ich habe mich für eine Geste des gemeinsamen Foyers entschieden. Der gesamte Bereich der Nordfassade bildet den Eingang und der Besucher kann über ein großzügiges Foyer das Gebäude betreten. Über die Freitreppe gelangt der klassische Besucher in das wiedervereinte Wolkenfoyer und erst hier verteilt er sich auf die zwei Häuser.

Hinter der Freitreppe beginnt eine neugeschaffene Passage. Eine Passage, die Einblicke in die Theater- und Opernwelt ermöglicht. Hier befinden sich zusätzliche Veranstaltungsorte und Ausstellungsflächen. Die Bühnenwelt eröffnet sich hier den Besuchern. Es entsteht ein gemeinschaftlich genutzter Raum sowohl für Besucher, als auch für Werkstätten. Durch diese neu geschaffene öffentliche Passage wird die Schwelle zum Besucher verringert und die Integration der Anlage in die Stadt wird erhöht. Die beiden Bühnen bilden sich stärker ab und werden ablesbar und trotzdem findet durch die neue Nutzung eine Zusammenführung statt. Ähnlich der Prinzipien der von le Corbusier ́s formulierten „Promenade Architectural“ verdeutlicht der Schnitt eine Bildabfolge, die sich vor dem Auge des schrittweise vorangehenden Betrachters entrollt.

Um die Zeitschichten aufzuzeigen, wird auch die historische Fassade auf der Westseite freigelegt – die aktuelle Fassade wird ihrer Rolle zum öffentlichen Park nicht gerecht. Es entsteht an dieser Stelle eine Freilichtbühne, die die Bühnen auf die Stadt ausweitet. Durch die Freilegung entsteht an Stelle der übrigen Westfassade ein neuer Gebäudeflügel, der sich an die bestehenden Gestaltungselemente anpasst, sich in das Ensemble einfügt und sich der Stadt zeigt.

In dem Entwurf schaffen Vorgefundenes, Entferntes und Neues einen fließenden Raum, der Bühnenwelt und Öffentlichkeit verschmelzen lässt und eine eigenständige Szenografie entwickelt: die Promenade Théâtrale.

Aussenbühne Westfassade © Sofie Hoyer

Kosmische Elemente in musischer Ordnung

Statement von Roland Wäspe, Direktor des Kunstmuseum St.Gallen, April 2020//

Zoltan Kemeny hinter einem Element seiner Raumskulptur im Foyer der Stadtischen Bühnen Frankfurt am Main, Ende Nov. 1963, Foto: Ursula Seitz

Die Raumskulptur von Zoltan Kemeny schwebt auf einer Länge von 116 m an der Decke des Foyers der Städtischen Bühnen Frankfurt. Das Ensemble wurde im November 1963 im Foyer des Gebäudes installiert und bildet zusammen mit der Architektur von Otto Apel, Hannsgeorg Beckert und Gilbert Becker und „Knife‘ s Edge“ von Henry Moore und dem Gemälde „Commedia dell‘ Arte“ von Marc Chagall ein einzigartiges Ensemble der 1960er Jahre. Das Gebäude ist im Zusammenspiel mit der Raumskulptur von Zoltan Kemeny ein architektonisches Monument erster Güte dieser Zeit, in seiner Verbindung mit zeitgenössischer Kunst direkt vergleichbar dem Campus der Universität St.Gallen von Otto Förderer im Dialog mit Arp, Giacometti, Miro, Kemeny, Alicia Penalba u.a. Es ist aus meiner Sicht völlig undenkbar, dieses einzigartige Ensemble der Städtischen Bühnen und Symbolzeichen für die freie Kultur Frankfurts in irgend einer Form zu beeinträchtigen. Niemand käme auf die Idee, Egon Eiermanns Ensemble der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ersetzen zu wollen. Die Raumskulptur von Zoltan Kemeny ist sein bedeutendstes Werk, dass er unter grösster Kraftanstrengung und bereits gezeichnet von seiner Krebserkrankung realisiert hat. Dieses Hauptwerk der Kunst der 1960er Jahre darf keinesfalls in Mitleidenschaft gezogen werden und verträgt keinen Wechsel in eine andere Architektur. Kemeny war Teilnehmer der documenta 2 und 3 in Kassel und anlässlich der 32. Biennale di Venezia erhielt er 1964 den Grossen Internationalen Preis für Bildhauerei verliehen.

Zoltan Kemeny bei der Montage eines Elements der Raumskulptur im Foyer der Städtischen Bühnen, Franfurt am Main, Ende Nov. 1963 Foto Ursula Seitz, Frankfurt

Der verniedlichende Titel «Wolken» oder «Goldwolken», der vielfach verwendet wird, stammt nicht von Zoltan Kemeny. In den erhaltenen Unterlagen spricht er von einer Raumskulptur oder der Deckenskulptur für die Städtischen Bühnen Frankfurt. Harry Buckwitz, der Generalintendant der Städtischen Bühnen Frankfurt, benennt sie in einem Brief als kosmische Elemente in musischer Ordnung. Im Kondolenzschreiben an Madeleine Kemeny vom 19.6.1965 schreibt Harry Buckwitz:  «… Sicher werden Sie in absehbarerer Zeit nach Frankfurt kommen, um eines der bedeutendsten Werke Ihres Mannes, an dem auch Sie so grossen Anteil hatten, nochmals anzusehen.» 

Zoltan Kemeny während der Montage der Raumskulptur im Foyer der Städtischen Bühnen, Franfurt am Main, Ende Nov. 1963 Fot: Ursula Seitz, Frankfurt

Den Zeitgenossen war durchaus klar, welch grossartiges Ensemble hier für Frankfurt geschaffen worden war. Es ist dramatisch, das diese Wertschätzung aktuell verloren ist. Auf dem Hintergrund der jüdischen Familien von Madeleine und Zoltan Kemeny ist diese zeitgenössische Indifferenz noch viel unverständlicher. Was es für Madeleine und Zoltan bedeutet haben mag,  ein Hauptwerk für das Foyer der Städtischen Bühnen Frankfurt zu realisieren, ist wohl kaum mit Worten zu beschreiben.

Das Kunstmuseum St.Gallen vertritt die Urheberrechte von Zoltan Kemeny und verfügt über einen Teilnachlass, aus dem die hier gezeigten Fotos und die beiden Breife entnommen sind.