Petition

ZUR ZUKUNFT DER STÄDTISCHEN BÜHNEN IN FRANKFURT AM MAIN

Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung von Frankfurt am Main, die Theaterdoppelanlage der Städtischen Bühnen am Willy-Brandt-Platz von 1963 durch einen Neubau zu ersetzen, zeugt von Geschichtsvergessenheit. Sie entspricht einer Baupolitik, die identitätsstiftende Bauten der Stadtgeschichte auslöscht und neue Surrogate schafft, welche vornehmlich der Vermarktungslogik eines globalisierten Standortwettbewerbs folgen. Dieses identitätspolitische Re-Engineering der Stadt Frankfurt ist Zeichen eines problematischen Geschichtsverständnisses, das die geschichtsprägende Bedeutung der Nachkriegsmoderne ausblendet.

Der Frankfurter Theaterbau von ABB Architekten ist ein herausragendes Beispiel dieses Bautyps aus der Ära der Nachkriegsmoderne, die derzeit besonders in Deutschland als Teil unseres baukulturellen Erbes entdeckt und auch denkmalfachlich gewürdigt wird. Der Theaterbau hat in Frankfurt Stadtgeschichte geschrieben und Identität gestiftet. Er war über Jahrzehnte einer der prägenden Orte des kulturellen Lebens der Stadt, in dem auch immer wieder gesellschaftlich relevante Diskurse ausgetragen wurden. Es ist ein Ort bürgerlicher Öffentlichkeit, in dem die Stadtgesellschaft über ihre Gegenwart und Zukunft nachgedacht und gestritten hat. Das Haus mit seinem großen urbanen Glasfoyer, das sich der Stadt zuwendet und es als eine Bühne des öffentlichen Lebens inszeniert, ist ein Symbol für ein neues, auf demokratische Teilhabe ausgerichtetes gesellschaftliches Selbstverständnis Westdeutschlands nach 1945. Die in den Bau integrierte Gemälde von Marc Chagall und die Goldwolken des jüdisch-ungarischen Künstlers Zoltán Kemény sind zugleich einzigartige Beispiele eine architekturbezogenen Kunst ihrer Epoche.

Sieben Jahre hat sich die Stadt Frankfurt am Main mit der Frage befasst, wie die städtischen Bühnen baulich saniert oder erneuert werden können und hierfür mehrere Millionen Euro für die Untersuchungen ausgegeben. Die Betrachtung erschöpfte sich aber weitgehend in bautechnischen Analysen. Eine konzeptuelle Debatte, welche Art von Theater für die Zukunft in Frankfurt angestrebt ist, gab es so gut wie nicht. Allen Planungen lagen soweit bekannt die maximalen Forderungen der Intendanz zu Grunde, welche die funktionale und technische Optimierung ihrer Spielstätten anstrebt, ohne abwägende Rücksicht auf die Bedingungen des vorhandenen Bauwerks und des jetzigen Standorts. Auch fehlten perspektivische Überlegungen, wie das Stadttheater sich in den nächsten Jahrzehnten entwickeln sollte.

Eine Würdigung des baulichen Erbes und seiner Rolle für die Herausbildung einer demokratischen, sich kontinuierlich wandelnden Stadtgesellschaft gab es nicht. Es unterblieb somit auch eine bauhistorische und denkmalpflegerische Dokumentation und Analyse des Bestandes von einem der wichtigsten Nachkriegsbauten der Stadt. Mehr als 300 Nachkriegsbauten (seit 1945) sind in der Denkmalliste Frankfurt am Main unter Schutz gestellt, aber die Städtischen Bühnen gehören bislang nicht dazu, obwohl die Denkmalwürdigkeit des eindrücklichen Wolkenfoyers fachlich unstrittig ist. Auch Belange der Ökologie und Nachhaltigkeit wurden soweit bekannt bei der Abwägung zwischen Altbau und Neubau nicht berücksichtigt.

Die fachlichen Grundlagen für den Stadtverordnetenbeschluss – der Abschlussbericht des Planungsteams und der Abschlussbericht des Validierungsteams von Januar 2020 – sind unter Verschluss und werden der Öffentlichkeit vorenthalten. Die Stadtverordneten hatten – falls ihnen die Gutachten überhaupt vorgelegt wurden – bestenfalls nur wenige Tage Zeit, sich mit diesen zu befassen, bevor sie ihre Entscheidung trafen.

Eine unzureichende konzeptuelle Debatte, das Fehlen einer kritischen Reflexion der Planungsprämissen, die Missachtung denkmalpflegerischer Belange und die Geheimhaltung der fachlichen Grundlagen der Entscheidung sind Ausdruck eines mangelhaften Verfahrens, dessen Ergebnis weder plausibel noch überzeugend ist.

Notwendig ist eine transparente, öffentliche Debatte, wie das zukünftige Stadttheater als ein zentraler Ort bürgerlicher Selbstverständigung der Stadtgesellschaft gestaltet werden kann.

wir fordern

ZUM PLANUNGSPROZESS

Eine Debatte der Stadtgesellschaft, um zu klären, was sie von den Städtischen Bühnen erwartet, bevor planerische Festlegungen getroffen werden; hierauf aufbauend die Entwicklung einer Nutzungskonzeption.

Offenlegung des Abschlussberichts des Planungsteams und des Abschlussberichts des Validierungsteams von Januar 2020.

Überprüfung der funktionalen Anforderungen der Intendanz. Zum Erhalt des Standortes bei vertretbaren Kosten sind die Auslagerung von Werkstätten und Probebühnen ebenso wie Interimslösungen mit reduzierter Bühnentechnik und Ausstattung als Optionen zu prüfen. Die Erwägung, den Bau von Interimslösungen mit der Entwicklung von Kulturcampus und Kinder- und Jugendtheater zu verknüpfen, könnte durch Bündelung bisher getrennt verfolgter Vorhaben Kosten sparen.

ZUM BAULICHEN ERBE

 Eine Debatte zum Stellenwert der Nachkriegsarchitektur für das Selbstverständnis der Stadt Frankfurt.

Eine bauhistorisch-denkmalpflegerische Dokumentation und Analyse der bestehenden Doppelanlage von ABB Architekten (Otto Apel, Hannsgeorg Beckert, Gilbert Becker) von 1963.

Denkmalpflegerische Unterschutzstellung des Wolkenfoyers und der anderen schützenswerten Gebäudeteile.

Erhalt und Restaurierung des Wolkenfoyers.

Berücksichtigung von Fragen der grauen Energie und Nachhaltigkeit bei der Abwägung der Planungsalternativen.

ZUM STANDORT

Erhalt des Standorts von Schauspiel und Oper.

Keine Privatisierung des Grundstücks.

Die Unterzeichner*innen