„Was für ein Theater will diese Stadt?“ Dieser Frage widmet sich Nikolaus Müller-Schöll, Professor für Theaterwissenschaft an der Goethe-Universität und Mitinitiator der Petition „Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt“, in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Theater Heute“ (Heft 3, 2021, S. 26-31). Denn nach den Kommunalwahlen in diesem Monat könnte, so Müller-Schöll, „die Diskussion, vielleicht, sollten sich die Mehrheitsverhältnisse ändern, mit gänzlich neuen Akteuren, noch einmal von vorn beginnen. Was eine Jahrhundertchance eröffnen könnte: Endlich könnte nun die Frage danach öffentlich diskutiert werden, was diese Stadt denn von ihrem Stadttheater im 21. Jahrhundert will und wie das dafür angemessene Haus aussehen muss, die wichtigste, die eigentliche, der Kern: Hat man die vielschichtige, mit harten Bandagen und offenen wie gut versteckten Interessen geführte Architekturdebatte zergliedert, stößt man darunter auf die nicht minder vielschichtige Institutionsdebatte. Hinter ihr verbirgt sich die Frage nach der Funktion des Theaters in der Stadt. Und damit verbunden ist nicht zuletzt die Frage, welches Theater für welche Art von Stadt steht? Über sie müsste gestritten werden.“
Den gesamten Text des Artikels erhalten Sie (kostenpflichtig) auf der Webseite des Theaterverlags:
Werte Mitstreitende der Initiative, vielen Dank für die bisherigen Beiträge und die ergreifenden Veranstaltungen! Und es gibt sie doch: die kritische Öffentlichkeit. Wunderbar. Mit den bislang 4 sehr gehaltvollen Diskussionsveranstaltungen zur Zukunft der Städt. Bühnen scheinen mir wesentliche und wichtige Gesichtspunkte und zu berücksichtigenden Kriterien eingebracht zu sein. M.E. bräuchte es nun weitere Veranstaltungen, die diese verschiedenen Facetten nun bündeln, schärfen und gewichten. Der Aufschlag ist gemacht, aber die gesellschaftlichen Debatten müssen ja weiter geführt und vieles muss auch nochmal wiederholt werden. Und vieles muss gebündelt werden.
Dies könnte auch den weiteren Prozess mitgestalten und eine Neuorientierung in der Problemlösung unterstützen; immerhin müssen die bisherigen Planungen revidiert werden, da sie nicht tragfähig sind und auf unverantwortliche Weise grotesken Phantasmen touristischer Repräsentationsbauten und Partialinteressen folgen.
Nach meiner Einschätzung ließe sich trotz der sehr heterogenen Perspektiven und Standpunkte aus den bisherigen Vorträgen gut eine Art Konzeption für eine Strategie „Theater der Zukunft in Frankfurt am Main“ zusammenstellen: Eine konkrete, differenzierte, vielfältige, zugleich offene und entwicklungsfähige Konzeption, die eine Grundlage und den Planungsrahmen und Zielrichtung für die weiteren städtebaulichen und architektonischen Lösungen abgeben könnte. Daran genau fehlt es ja bislang.
Das ist m.E. ja ein Teil der Groteske, dass ‚die Stadt‘ ihr TheaterOperndoppelhaus neu gestalten will, ohne eine tragfähige Vorstellung davon zu haben, was das sein oder zukünftig werden soll. Leider ist eine Initiative oder gar ein Auftrag dazu, eine solche Konzeptionierung durch einen Expertenkreis erstellen zu lassen, von Seiten der Stadt nicht ergangen. Damit geht wertvolle Zeit verloren. Sehr bitter.
Umso dringlicher erscheint es mir daher, diese Lücke im Entscheidungsprozess zu füllen. Daher die Bitte an Sie alle in der Initiative: dies selbst weiter voranzutreiben und Ihre Expertise weiter zu vertreten, auf eine solche Weise zu verstetigen und damit den akuten Entscheidungsprozess zu unterstützen und auch mitzugestalten. Wir Bürger*innen brauchen Sie und Ihre zukunftsfähige Expertise. Und genauso brauchen auch die städtischen EntscheidungsträgerInnen Ihre Expertise: dies auch, damit diese nicht nur individualistisch und geschmäcklerisch und letztlich überfordert mit der Entscheidung über einen entscheidenden Teil der Stadt Frankfurt und unserer aller Zukunft dastehen.
Die zentralen Gesichtspunkte sind aus meiner laienhaften Sicht nach dem Erleben der Veranstaltungen die Folgenden:
• Öffnung der Theater: TheaterOpernhaus für die Zukunft: andere Zielgruppen in der Migrationsgesellschaft, andere Formen und Formate von heutigem und von zukunftsfähigem Theater! Darin spielt das Theater und die Oper des 19. Jahrhunderts natürlich noch eine Rolle, aber nurmehr eine neben vielen anderen. Unter Gerechtigkeitsaspekten ist eine neue kulturpolitische und kulturelle Ausrichtung nötig, ist die Ausweitung und Neubestimmung der Teilhabe, Zugänglichkeit und Partizipation breiterer Bevölkerungskreise und kulturschaffender Menschen unabdingbar.
• Der Ort des Theaters im Zentrum und als Zentrum Gesellschaftlicher Öffentlichkeit der demokratischen Stadt.
• Ein zukunftsfähiges Theater – als demokratischer und kultureller Ort der Begegnung potentiell aller Bevölkerungskreise, als nicht kommerzialisierter Raum Gesellschaftlicher Öffentlichkeit, als nicht zweckgebundener Raum einer städtischen und zivilgesellschaftlichen und kulturellen Auseinandersetzung potentiell aller Menschen über alle Fragen, die unser Zusammenleben betreffen.
• Erhalt der künstlerisch wertvollen und zukunftsfähigen Raumgestaltung des Foyers.
Das Gesellschaftsverständnis kritischer kultureller Öffentlichkeit, dass sich in der Gestaltung des Kemeny/ABB-Foyers ausdrückt und dort auf geradezu geniale Weise gelungen ist, ist eine geeignete Leitfigur der zukünftigen Städtischen Bühnen. Dieses ist überzeugend, hat sich bewährt und ist zukunftsfähig im Sinne von anschlussgebend für notwendige Weiterentwicklungen des Theaters/Oper, um ein Theater/Oper im 21 Jahrhundert zu ermöglichen.
• Bauen in der Klimakatastrophe: Minimierung des Ressourcenverbrauchs und der Grauen Energie.
• Baukostenminimierung angesichts der Knappheit der öffentlichen Gelder und insbesondere der Gelder der Stadt Frankfurt und der immensen finanziellen Anstrengungen, die für wirksamen Klimaschutz akut nötig sind. Einschließlich dem für Klimaschutz nötigen Strukturwandel vieler klimazerstörerischer Wirtschaftszweige und Infrastrukturen in Frankfurt.
• Ein wesentlicher Bestandteil des Theaters des 21. Jahrhunderts ist eine architektonische Umsetzung flexibler und wechselnder (Raum-)Nutzungen. Zudem müsste als wesentliches Kriterium auch die Anforderung gestellt und bewältigt werden, anstelle hypertrophierender Größenphantasmen ernsthafte und kreative Überlegungen zum Downsizing zu realisieren.
• Eine Standortlösung gegen die Privatisierung von öffentlichem Grund und als Gegenbewegung gegen die weitere Explosion der Grundstückspreise in der Stadt.
Ich wünsche uns allen Erfolg, damit die heutigen und zukünftig in Frankfurt und Umgebung lebenden Menschen gerne und gut hier leben können – und Frankfurt nicht zum Schilda des frühen 21. Jahrhunderts wird –
Wolfgang Kopyczinski