Versteckte Kosten von über 100 Mio. € für die Kulturmeile

Vorgesehener Standort des Schauspiels Frankfurt im Rahmen des Konzepts „Kulturmeile“

Gemäß einer gemeinsamen Pressemitteilung der Stadt Frankfurt am Main, der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba) und der Frankfurter Sparkasse haben diese  im Juli 2023 ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, wonach die Helaba der Stadt Frankfurt den 5.500 qm großen südlichen Teil ihres Grundstücks Neue Mainzer Straße 47-51 für 199 Jahre in Erbpacht überlassen will, gegen eine Einmalzahlung von 35 Mio. € und einer Erbpacht von 1,99 Mio. €/Jahr.

Um dies zu ermöglichen, muss die Helaba die von der Frankfurter Sparkasse  für 700 Mitarbeitende und einen Kundenbereich genutzten Bürobauten abreißen und auf der verbleibenden Nordhälfte des Grundstücks neu bauen.

Die Bruttogeschossfläche (BGF) des intakten Bestandsbaus umfasst 28.000 qm oberirdisch und 11.000 qm unterirdisch. Die Bestandsbauten verfügen über drei bis acht Vollgeschosse zzgl. Staffelgeschosse.

Die Initiative Zukunft Städtische Bühnen hat unter Beratung des Projektentwicklers Belius GmbH Berlin anhand der verfügbaren Informationen die Einnahmen und Ausgaben des Vorhabens für die Helaba abgeschätzt:

Einnahmen

Für die Bereitstellung des Grundstücks erhält die Hela als Eigentümer von der Stadt Frankfurt Main:

  1. Einmalzahlung 35 Mio. €
  2. Erbpacht auf 199 Jahre in Höhe von 1,99 Mio. €

Bei einem Zinssatz von 2,5 % sind dies abgezinst auf heute 81 Mio. €.
Bei einem Zinssatz von 3 % sind dies abgezinst auf heute 68,2 Mio. €.
Bezogen auf den Zeitpunkt des Maßnahmebeginns stellen dies Gesamteinnahmen im Wert von 116 Mio. € (bei einem Zinssatz von 2,5 %) dar.

Ausgaben (Brutto)

  1. Abriss Bestandsbau 500 €/qm = 19,5 Mio. €
  2. Neubau als Hochhaus von 160 Meter Höhe: 3.800 €/qm BGF für KG 200 – 700 = 148,2 Mio. €

c) Interim

Mietfläche ca. 27.300 qm Nettonutzfläche (70% der BGF), Mietdauer: ca. 8 Jahre. (Umbau des Interims, Auszug aus Bestandsbau, Abriss und Neubau des Dauerstandorts, Einzug in Neubau).

  • Umbaukosten des Interims für Anpassung an Nutzung 800 €/qm = 21,8 Mio. €[1]
  • Mietkosten 25 €/qm. = 8 Mio. €/ Jahr, auf 8 Jahre = 54,6 Mio. €
  • Umzugskosten = 1.000 € je Arbeitsplatz x 700 AP x 2= 1,4 Mio. €.
  • Finanzierungskosten

Die Gesamtkosten für das Projekt fallen binnen ca. 8 Jahren ab Maßnahmebeginn an. Zu diesem Zeitpunkt stehen aber lediglich ca. 50 Mio. € von den Zahlungen der Stadt Frankfurt zur Verfügung. Für die übrigen Gelder, die innerhalb weiterer 191 Jahre eintreffen, bedarf es einer Zwischenfinanzierung. Während in der obigen Abzinsberechnung die Geldentwertung berücksichtigt ist, fallen weitere Kosten für die Geldbereitstellung an.

Gesamtkosten ohne Finanzierungskosten = 245,5 Mio. €

Anzumerken ist zudem, dass der vorgesehene Abriss und Neubau anspruchsvoll ist. An das Grundstück grenzt im Süden das Japan-Center an (115 Meter hoch, 4 Untergeschosse) und im Norden der in Bau befindliche Central Business Tower (205 Meter hoch, in den Untergeschossen 200 Autoparkplätze und 600 Fahrradstellplätze ). Auf dem Grundstück selbst befinden sich zwei denkmalgeschützte Bauten, die angeblich teilweise erhalten und in den Hochhausneubau integriert werden sollen. Für die Baulogistik ist eigentlich nur Platz zur viel befahrenen Neuen Mainzer Straße, da die westlich angrenzenden Wallanlagen unter Denkmalschutz stehen und die seitlich benachbarten Grundstücke bebaut sind und daher nicht zur Verfügung stehen. Ob in dieser beengten Situation zwei für sich eigenständige Großbaustellen (einerseits der Stadt Frankfurt für die Städtischen Bühnen, andererseits für die Helaba für das Bürohochhaus) betrieben werden können und wie sich dies ggfls. auf Bauzeiten und Kosten auswirkt, ist zu prüfen.

Fazit

Die geplanten Einnahmen decken bei weitem nicht die voraussichtlichen Kosten. Auch wenn anhand genauerer Angaben die oben aufgeführte Berechnung angepasst werden kann und ggfls. Kostenannahmen gemindert werden können, wird dies nicht dazu führen, ein Defizit zu verhindern. Dies führt zu einer Verlustabschreibung, der das Eigenkapital des Eigentümers schmälert.

Auch wenn man ein angemessenen Preis für das Grundstück anders berechnet, ist das Ergebnis wesentlich höher als der im Memorandum of Understanding genannte Preis. Der Bodenrichtwert für das Grundstück beträgt gemäß aktueller Bodenrichtwertkarte der Stadt Frankfurt Main vom 1.1.2022 23.000 €/ qm. Für das 5.500 große Grundstück ergibt sich ein Wert von 126,5 Mio. €. Als Erbauzins sind  5 % des Grundstückswertes je Jahr üblich. Dies entspräche einer jährlichen Zahlung von 6,3 Mio. €. Seitens der Stadt Frankfurt wird für Nichtwohnnutzungen gemäß Stadtverordnetenbeschluss vom 28.9.2019 sogar ein jährlicher Erbbauzins von 6% gefordert.

Ursprünglich wollte die Helaba für das Projekt auch kein Angebot machen. Auf Basis des Bodenrichtwerts gingen Stadtpolitiker von 150 Mio. € aus, verbunden mit der Hoffnung, dass die Aussicht auf Baurecht für einen 190-Meter-Turm die Preisvorstellungen des Eigentümers positiv beeinflussen wird. Im Februar 2023 hieß es dann aber, dass nach den über einjährigen „konstruktiven und vertraulichen Gesprächen“ sich ergeben habe, dass „die Erwartungen nicht in Übereinstimmung gebracht“ werden konnten. (FAZ vom 23.2.2023), Dem Vernehmen lagen die „Preisvorstellungen der Helaba deutlich Höher“ als die veranschlagten 150 Mio. €. (FAZ 10.6.2023). Mitte Juni wurde angekündet, dass der neugewählte Oberbürgermeister der Stadt Mike Josef mit Unterstützung von Landespolitikern nochmals mit der HeLaBa verhandeln wolle. Keine sechs Wochen später wurde das überraschende Ergebnis bekannt gegeben. Der CEO der Helaba begründete die dann gefundene Verständigung mit der Aussage „Zukunftsweisende Projekte von generationsübergreifender Relevanz wie die Kulturmeile sind uns als Landesbank ein besonderes Anliegen“.

Aber ist es die Aufgabe der Helaba, mit versteckten Subventionen die Kosten der angestrebten Maßnahme für den Steuerzahler künstlich kleinzurechnen? Offenkundig handelt es sich bei den vereinbarten Konditionen mit der Stadt Frankfurt um einen politischen Preis, der sachlich nicht begründbar ist.

Hierzu ist festzustellen, dass die Helaba politischem Einfluss unterliegt. Sie hat einen öffentlichen Auftrag, der Spielräume eröffnet, um vom Prinzip der Wirtschaftlichkeit abzuweichen. Eine große Zahl von Mitgliedern in ihren Entscheidungsgremien sind Parteipolitiker. So sind von den 16 Mitgliedern der Trägerversammlung sieben Politiker, drei von ihnen mit SPD-Parteibuch. Im Verwaltungsrat sitzen weitere acht SPD-Politiker (als Mitglied bzw. stellvertretendes Mitglied). Zahlreiche weitere Gremienvertreter der Helaba gehören den Parteien CDU und Grüne an, die als damalige Beteiligte der Landesregierung und im Falle der Grünen auch der Stadtregierung das Vorhaben ebenfalls befürworteten.

Es wäre nicht das erste Mal, dass aufgrund politischer Interessen eine Landesbank in fragwürdiger Weise politische Vorgaben realisiert. Die Entwicklungen bei der Bankgesellschaft Berlin 1994-2001 und der HSH-Nordbank 2003-2015 sind Beispiele hierfür.

Wegen geschönter Bilanz musste die Helaba 2023 6,8 Millionen Euro Strafe zahlen.[2] Die Bank habe 2020 drei Quartale hintereinander zu geringe risikogewichtete Aktiva für Marktrisiken ausgewiesen. Grundlage waren offenbar geschönte interne Modelle der Helaba.

Erst dieser Tage wurde bekannt, dass die Helaba beim Elbtower der Signa-Gruppe in Hamburg als sogenannter „tauglicher Finanzierer“ die geforderte Vorvermietungsquote bestätigte, woraufhin die Stadt für das Projekt grünes Licht gab. Das avisierte  Finanzierungsvolumen von 750 Millionen Euro konnte die Helaba aber nicht zustande bringen und ebenso stockt die Vermietung, sodass die Projektgesellschaft Insolvenz anmelden muss.[3]

Die Berechnungen wurden von der Initiative Zukunft Bühnen Frankfurt unter Beratung der Projektentwicklungsgesellschaft Belius GmbH erstellt.

Pressemitteilung der Iniitative Zukunft Bühnen Frankfurt vom 12.1.22023


[1] Die Kosten für den reinen Mieterausbau ohne IT und Einrichtungen beliefen sich bereits vor 5 Jahren auf 650 Euro bis 1.450 Euro pro Quadratmeter gemäß Fit-Out Cost Guide EMEA 2017/2018 des Immobiliendienstleistungsunternehmens CBRE.
[2] Siehe hierzu etwa: https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-02/helaba-ezb-geldstrafe
[3] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/signa-insolvenz-und-der-elbtower-die-rolle-der-helaba-19362788.html

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