Am 12. Dezember 2024 soll die Stadtverordnetenversammlung den Neubau der Städtischen Bühnen Frankfurt als Variante Kulturmeile final beschließen, obwohl sich die Argumente für die angeblichen Vorzüge dieser Variante längst in Luft aufgelöst haben. Alle sachlichen Gründe sprechen längst gegen diese Option:
- Mit der Kulturmeile kann ein Operninterim nicht vermieden werden, da das Grundstück an der Neuen Mainzer nur für einen Theaterneubau geeignet wäre.
- Die Grundstückskosten mit Baufreimachung haben sich für die Kulturmeile binnen eines Jahres von 116 Mio. Euro (die Jahreszahlung abgezinst auf heute mit durchschnittlichem Zinssatz von 2,5%) auf 214. Mio. Euro nahezu verdoppelt, während das Grundstück der Doppelanlage bereits Eigentum der Stadt Frankfurt ist und somit kostenfrei zur Verfügung steht.
- Die Bestandsbauten müssen bei der Kulturmeile sechs Jahre länger genutzt werden als beim Neubau der Doppelanlage, mit unbekannten Kostenrisiken für den nun benannten potenziellen Bedarf für Notspielstätten.
- Für die Logistik erweist sich die Aufteilung der Bühnenstandorte nachteiliger als ein Produktionszentrum mit Lager, weil sich damit die Arbeitsabläufe auf drei statt zwei Standorte verteilen.
- Die Neue Mainzer gehört mit mehr als 25.000 KfZ pro Tag zu den am stärksten befahrenen Straßen der Frankfurter Innenstadt und ist als Standort für das Theater wesentlich unattraktiver als der bisherige Standort am Willy-Brandt-Platz. Zudem fehlt hier der für Stadtprojekte, Aktionen, Öffnungen nach außen notwendige Theatervorplatz.
- Das Projekt wird zudem zur Hängepartie: Der Grundstücksdeal muss erst von der EU Kommission gebilligt werden; ungelöst ist auch, wie an der Neuen Mainzer mit Theater und Hochhaus eine parallele Doppelgroßbaustelle möglich sein soll.
Als die Stadtverordnetenversammlung im Dezember 2023 tendenziell für die Kulturmeile votierte, lag dem der Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen zu Grunde. Deren Kostenvergleich ging von Gesamtkosten von 1,3 Milliarden Euro aus, wobei die betrachteten Varianten für Kulturmeile und Neubau Doppelanlage nahezu gleich teuer waren. Inzwischen ist klar geworden, dass die Variante Kulturmeile mit Theater in der Neuen Mainzer 1,6 Milliarden Euro kostet und somit 300 Mio. Euro mehr als ein Neubau der Doppelanlage. (Hierzu:
Kulturdezernentin Ina Hartwig hatte im Februar letztes Jahr mit ihrem Plädoyer für eine Spiegellösung einen Versuch unternommen, die von ihr selbst initiierte Kulturmeile zu beerdigen. Von Oberbürgermeister Mike Josef wurde sie im Juli 2023 mit einem fragwürdigen Deal reanimiert, der längst keinen Bestand mehr hat und der auch einige Kritikpunkte von Ina Hartwig nicht ausräumte. Doch zur Gesichtswahrung halten alle Akteur*innen an ihrem einst unter anderen Prämissen getroffenen Beschluss fest – koste es was es wolle. Wie die 300 Mio. Euro Mehrkosten für eine städtebaulich schlechtere Variante finanziert werden sollen, ist unklar, wie auch die Gesamtfinanzierung des Projektes ungelöst bleibt. Zuschüsse des Landes wurden bisher nicht eingeworben. Bund und Umlandgemeinden haben ihre Zuschüsse für den Frankfurter Kulturbetrieb mittlerweile gekürzt.
Ganz unbeachtet bleiben außerdem Fragen der Ökologie und Denkmalpflege, denen die Frankfurter Politik mit diesem Projekt eine klare Absage erteilt. Nicht nur soll an der Neuen Mainzer Straße ein intakter Bürokomplex mit 39.000 qm Bruttogeschossfläche ohne Not abgerissen werden, auch sind dort zwei denkmalgeschützte Bauten bedroht, von der Niederlegung des ebenfalls denkmalgeschützten Opernfoyers und der intakten Gebäudeteile der Doppelanlage ganz zu schweigen.
Die Initiative Zukunft Städtische Bühnen fordert:
- Den Erhalt des Standorts Willy-Brandt-Platz für beide Häuser.
- Einen Architektur-Wettbewerb für Neugestaltung und Weiterbau der Doppelanlage, der Teilerhalt und Sanierung mit einem Neubau verbindet.
- Die unverzügliche Realisierung eines Produktionszentrums und der Interims auf dem Grundstück im Gutleutviertel.
- Die Neukonzeption der Institution in Hinsicht auf die veränderte, diverse und plurale Stadtgesellschaft und ihre Kulturen.
Der beabsichtigte Beschluss für die Kulturmeile ist eine Jahrhundert-Fehlentscheidung – finanziell, städtebaulich, ökologisch und baukulturell.
Frankfurt, den 6.12.2024
Alfons Maria Arns (Freier Kulturhistoriker)
Jens Jakob Happ, Architekt
Prof. Dr. Maren Harnack (Frankfurt University of Applied Sciences)
Hanns-Christoph Koch (Deutscher Werkbund Hessen)
Martina Metzner (freie Journalistin, abaut)
Prof. Dr. Nikolaus Müller-Schöll (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Prof. Dr. Philipp Oswalt (Universität Kassel)
Wunderbar, endlich finde ich einen klug formulierten Protest, der mir aus der Seele spricht. Dies ist ein komplett (größen-) wahnsinniges Projekt, nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch. Schande, dass sich quasi alle Parteien an dieser Geldverschwendung beteiligen. Speziell von den „Grünen“ bin ich bedient!!!