Angesichts der nahenden Wahlen am 14.3.2021 ist die Diskussion um die Zukunft der Bühnen wieder entbrannt. Viele Zeitungen und Journale berichteten, wobei die kritische Stellungnahme des hessischen Wirtschaftsministeriums zu dem von der CDU favorisierten Bühnenstandort Osthafen ein wichtiges Thema war. In der FR vom 2.2. wiederum setzte sich Christian Thomas kritisch mit der Initiative zur Rekonstruktion des Seeling-Theaters von 1902 auseinander. Besonders bemerkenswert, weil besonders schrill im Ton und einseitig in der Argumentation, waren zwei Artikel von Matthias Alexander in der FAZ (vom 27.1. und 5.2.). Er beließ es nicht bei Diffamierungen „heuchelnder“ Politikerinnen und Politiker und pauschalen, nicht weiter begründeten Unterstellungen gegenüber Mitgliedern unserer Initiative („Vorspiegelung alternativer Fakten“) oder der Beleidigung aller, die sich für den Erhalt des Foyers einsetzen, als „Stahlbetonköpfe“. Nein, der Historiker Alexander, ausgewiesener Spezialist für konservative Parteien im Kaiserreich, erkühnte sich sogar, zunächst die Kompetenz aller nationalen Denkmalpflegeverbände anzuzweifeln („die sich für kompetent halten“), um dann der großen Zahl von Fachleuten, die den seiner Empfindung nach „überbewerteten“ Foyerbau als bedeutend und daher erhaltenswert einschätzten, implizit das fachliche Urteilsvermögen abzusprechen. Zu den derart Zurechtgewiesenen gehört auch Christoph Mäckler, der in einem Interview mit der FAZ jüngst das Foyer als „irrsinnig elegant“ bezeichnete und seinen Erhalt begrüßte.
Sehr viel aufschlussreicher als die persönlichen Kommentare von Journalisten, die sich in der Sache „für kompetent halten, aber von den tatsächlichen baulichen Gegebenheiten (…) wenig Ahnung haben“ (Zitat Alexander), ist das Interview, das Rainer Schulze (FAZ) jüngst mit dem Frankfurter Architekturbüro schneider+schumacher führte, die federführend an der Validierung der Machbarkeitsstudie zu den Städtischen Bühnen beteiligt waren – schließlich kennt kaum jemand das Gebäude und den Planungsstand besser (Stadt der Zukunft. „Fußgängerzonen haben sich nicht bewährt“ vom 25.1.2021). Till Schneider bewertete in dem Interview den Abbruch-Beschluss der Stadt vom Januar 2020 als Folge einer Kettenreaktion, die sich noch aufhalten ließe.
„Der Willy-Brandt-Platz ist der geeignete Ort. Ich fände es reizvoll, wenn man es doch schaffen würde, die bestehende Doppelanlage entweder zu sanieren oder an diesem Ort ganz oder teilweise neu zu errichten.“
Till Schneider, FAZ, 25.01.2021
Im Zuge der Validierung der überarbeiteten Machbarkeitsstudie von 2017 erhielten die Architekten einen detaillierten Einblick in die technischen und wirtschaftlichen Prämissen der Studie. Ausschlaggebend für den Entscheid der Stadt, die Option einer Sanierung zu verwerfen, war laut Schneider die zugrundeliegende Annahme, dass die bestehenden Flächen für die aktuellen technischen wie behördlichen Anforderungen an die Gebäudetechnik nicht ausreichen, weshalb die Werkstätten weichen müssen. Auf dieser Prämisse basierte die Einschätzung, dass ein Neubau gegenüber der Sanierung wirtschaftlicher sei.
„Die Annahme, dass die Gebäudetechnikflächen nicht mehr ausreichen, löst eine Kettenreaktion aus. Dass die Sanierung bisher die teuerste Variante ist, hängt an dieser Kette.“
Till Schneider, FAZ, 25.01.2021
Innerhalb des Validierungsteams war das international renommierte Ingenieurbüro Arup für den Themenkomplex der Haustechnik verantwortlich und erbrachte den Nachweis, dass die notwendigen haustechnischen Anlagen auch auf den zur Verfügung stehenden Flächen untergebracht werden könnten. Die Werkstätten könnten folglich am jetzigen Ort bleiben und die bisher angenommene Kaskade ließe sich aufhalten.
„Es ist eine Entscheidung: Man kann die Bühnen erhalten und nachhaltig sanieren, oder man baut sie neu an anderer Stelle oder am Willy-Brandt-Platz.“
Till Schneider, FAZ, 25.01.2021
Kritisch betrachten kann man gemäß Schneider zudem die wirtschaftliche Bewertung der untersuchten Varianten. Für eine Sanierung wurde ein Risikoaufschlag von 30% eingerechnet, für einen Neubau jedoch nur 10%, auch wenn im Falle eines Neubaus bisher weder der genaue Standort noch ein belastbares Raumprogramm bekannt seien. Ebenso könnten die bisher veranschlagten Kosten für die notwendigen Interimsbauten noch optimiert werden.
Auch wenn die bestehende Doppelanlage einige Herausforderungen mit sich bringe, seien die bestehenden Probleme durchaus lösbar. Das Thema Energieeffizienz zum Beispiel ließe sich mit neuen Konzepten zur Außenhaut und der Gebäudetechnik meistern. Auch im Hinblick auf die Barrierefreiheit, auf die Verflechtung von Erdgeschossnutzung und Außenraum wie auch auf ein niederschwelliges Angebot für ein erweitertes Publikum ist Schneider optimistisch.
„Es gibt wunderbare Beispiele, wo der Nachweis erbracht wurde, dass man mit Bestandsbauten etwas anstellen kann. Man könnte fragen: Was muss man wegnehmen, um funktionale Missstände zu beseitigen? Was muss man dazutun, um ein in die Jahre gekommenes Areal zu etwas Neuem zu verwandeln? Dabei fällt aus ökologischer Sicht auch ins Gewicht, wie viel der im Bestand schlummernden grauen Energie man vernichten würde und wie viel Energie man wiederum aufwenden müsste, um das gleiche Volumen wieder zu errichten.“
Till Schneider, FAZ, 25.01.2021
Auch die Architektin Astrid Wuttke, Mitglied der Geschäftsleitung von schneider+schumacher und Teil des Validierungsteams zur Zukunft der Städtischen Bühnen, erläutert in einem Interview auf der Büro-Webseite, dass das Validierungsgutachten zwar eine fundierte Entscheidungshilfe darstelle, eine Entscheidung aber keinesfalls vorwegnehme. Auch eine Sanierung sei weiterhin möglich. Grundsätzlich sei im bisherigen Prozess der Aspekt des Weiterbauens zu wenig berücksichtigt worden. Weiterbauen, so Wuttke, bedeute deutlich mehr als Bestandserhalt und erfordere mindestens so viel Kompetenz und Kreativität wie jedes Neubauprojekt. Damit könne Frankfurt innovativer sein als mit einem aus der Zeit gefallenen Neubauspektakel am Stadtrand.
Das Interview ist in ganzer Länge auch auf unserer Seite wiedergegeben.
Ich erinnere mich sehr gut, mit welcher Begeisterung vor 60 Jahren der Neu- und Umbau, die Glasfront, die Kemeny-Skulptur und der Chagall-Saal aufgenommen wurden. Also: Erhalt des Foyers und Umbau am alten Platz.