Fragen, die es noch zu klären gilt

Kommentierung der von der Stabsstelle vorgelegten Bewertungsgrundlagen von Jens Jakob Happ, Mitarbeit: Alfons Maria Arns

Zur Diskussion um den Standort der Städtischen Bühnen von Frankfurt am Main, Fragen und Antworten

Die Stabsstelle „Zukunft der Städtischen Bühnen“ sieht die Zeit der Prüfungen nun als abgeschlossen. Für die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung zugunsten einer Variante („Spiegelvariante“, „Kulturmeile“ oder „Neubau Doppelanlage“) läge eine von Fachleuten erarbeitete fundierte Grundlage vor und könne abschließend entschieden werden. Jede Verzögerung bedeutete einen deutlichen Kostenanstieg und ein höheres Risiko für Betriebsausfälle. (Quelle: neue-buehnen-frankfurt.de/aktuelles).

Der aktuelle NBF-Bericht-Ergaenzende-Pruefauftraege-PK-2023-02-23 vom Februar 2023 führt alle bisherigen Untersuchungen und neue ‚ergänzende Prüfaufträge‘ in einem Dokument zusammen und kommt damit dem Wunsch nach Transparenz und Nachvollziehbarkeit zur Entscheidungsfindung in der Standortfrage entgegen. Erkennbar ist die Präferenz für die Varianten 1 und 2, also die räumliche Trennung der Häuser, die sich, gewollt oder ungewollt, deutlich in den Bewertungen niederschlägt, aber auch gegenteilige Argumente kommen zu Wort.

Mit der Aufgliederung und dem Neubau der derzeit als Doppelanlage technisch und logistisch verbundenen Sparten Schauspiel und Oper am Standort Theaterplatz und Verlagerung einer Spielstätte entweder auf die gegenüberliegende Platzseite (Spiegellösung) oder räumlich vollständig getrennt auf zwei Standorte, von denen einer fußläufig ca. 450m vom Willy-Brand-Platz entfernt in der Neuen Mainzer Straße 47-51 auf dem Grundstück der Frankfurter Sparkasse (Kulturmeile) liegt, während die andere Spielstätte den bisherigen Standort mit einem Neubau auf verkleinerter Fläche weiternutzt, werden gleich mehrere Vorzüge verbunden.

Mit diesem Papier soll, soweit fachlich leistbar, der Versuch einer Kommentierung der von der Stabsstelle vorgelegten Bewertungsgrundlagen und der Schlussfolgerungen zur Standortauswahl für den Neubau der Städtischen Bühnen unternommen werden. Die wesentlichen Argumente aus dieser und anderen öffentlich zugänglichen Darstellungen der Stabsstelle für oder wider der drei verbleibenden zur Auswahl stehenden Standorte werden nachfolgend zusammengefasst und den Kommentierungen vorangestellt. Daraus ergeben sich auch eine Reihe von Fragen, die es aus meiner Sicht noch zu klären gilt.

Zu Städtebau

  • Die Strahlkraft von Kulturbauten wirkt oftmals weit hinein in die umgebende Stadtstruktur. Durch eine Aufteilung der Doppelanlage auf zwei Standorte könnte der Radius dieser Ausstrahlung noch ausgeweitet werden, weshalb die Auswirkung auf das Umfeld für Variante 4 unverändert gut bleibt. Das Aufwertungspotenzial für das Umfeld von Variante 1 und Variante 2 ist jedoch noch höher einzuschätzen. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 36)

Die Aufteilung der Doppelanlage schwächt beide Standorte, denn sie verkennt die stadträumliche Wirkung des Gebäudeverbunds am Willy-Brand-Platz als eine öffentliche Bühne, als Kulturinsel mittendrin. Ein zentraler, unbedingt erhaltenswerter Vorteil der jetzigen Theaterdoppelanlage am früheren Theaterplatz besteht gerade in ihrer Klammerfunktion, nicht nur architektonisch zwischen den darstellenden Künsten Oper und Schauspiel mit der ikonischen Gestalt des Wolkenfoyers, sondern insbesondere stadträumlich zwischen dem Bahnhofsviertel und der eigentlichen Innenstadt mit der Neuen Altstadt und dem Ostend. Ein integraler Baustein also der seit der Gründerzeit Ende des 19. Jahrhunderts historisch gewachsenen Ost-West-Achse, der mit der Nord-Süd-Ausrichtung der Kulturmeile und den beiden getrennten Solitären verloren ginge.

Mit der Entscheidung für ein Weiterbauen im stadteigenen Bestand bestünde auch die Chance einer Nutzungserweiterung über das reine Sprech- und Musiktheater hinaus, etwa in Richtung Ballett oder Film und Kino, z.B. für Freilichtvorführungen. Bereits jetzt ist der Willy-Brandt-Platz eine öffentliche Bühne, die an einem Ort der Hochkultur alle gesellschaftlichen Schichten zusammenführt, die aber weiterentwickelt werden müsste. Wer in die Oper geht, so könnte man es flapsig formulieren, steht mit einem Bein in der harten Realität des Bahnhofsviertels. Und genau dieses kontrastreiche Nebeneinander macht den Charme Frankfurts gerade an dieser Stelle aus. Das sprichwörtlich querliegende Wolkenfoyer wiederum mit seiner gläsernen Transparenz erlaubt zugleich den einmaligen Panoramablick von innen auf eben dieses Geschehen inmitten einer immer noch anwachsenden Hochhauslandschaft, der bei einer stärkeren Öffnung des Hauses allen zuteil käme.

Zu Funktionalität und Technik

  • Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Lösungen ist, dass bei den Varianten „Spiegelvariante“ sowie „Kulturmeile“ 2a und 2b nur eine Interimslösung für eine Spielstätte erforderlich ist, während für die Variante „Neubau Doppelanlage“ zwei Interimslösungen zeitgleich für beide Häuser (Oper und Schauspiel) notwendig werden. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 12)
  • Ein Interim für das Schauspiel ist aufgrund seiner geringeren Grundfläche, Größe und Komplexität wesentlich kostengünstiger und einfacher einzurichten als ein Interim für die Oper. Zudem gibt es in Frankfurt nur wenige ausreichend große Grundstücke für Interimsgebäude, die für alle Menschen gut erreichbar sind. Deshalb gilt: je weniger Interim und je kürzer, desto besser! Für die weltweit renommierte Frankfurter Oper müssen im Interim etwa 700 Sitzplätze und ein Orchestergraben vorhanden sein. Bei der „Kulturmeile“ und der „Spiegelvariante“ ist jeweils nur ein Interim für eine Spielstätte notwendig, beim Neubau einer Doppelanlage hingegen zeitgleich zwei –für Oper und Schauspiel. (Quelle: neue-buehnen-frankfurt.de/aktuelles).Tabelle 2: Übersicht Projektschritte der untersuchten Varianten (vereinfacht) (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023)
  • Tabelle 3: Variantenübersicht mit möglichen und nicht möglichen Nutzungsbereichen sowie Interimsbedarfe (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023)

Tatsächlich handelt es sich bei der Zwischennutzung des neuen Schauspielhauses als Ausweichstandort für die Oper natürlich auch um ein Interim. Noch dazu um ein teuer erkauftes, da ein wesentliches Argument für den Standort Kulturmeile oder als Spiegellösung am Theaterplatz gerade die Möglichkeit einer Interimsnutzung für die Oper ist. Der Aufwand für die zusätzliche Ausstattung des Sprechtheaters zwecks Zwischennutzung als Musiktheater, also für den Einbau des Orchestergrabens und ggf. den nachfolgenden Umbau wird hier nicht beziffert. Er mag angesichts der Gesamtinvestition vernachlässigbar sein. Nicht vernachlässigbar sind die über die Laufzeit von 199 Jahren kumulierten Gesamtkosten für den Pachtzins, die den städtischen Haushalt auf Dauer zusätzlich unnötig belasten. Der Grundstückswert von ca. 100 bis 150 Mio. Euro wird in den vergleichenden Kostensaufstellungen bisher offenbar noch nicht berücksichtigt.

Wenn es der Stadt tatsächlich möglich sein wird, das Grundstück in der Neuen Mainzer Straße zu pachten, kann es nicht ganz unrealistisch sein, ein passendes Grundstück für ein Produktionszentrum mit Probebühne, das während der Bauzeit als Interim genutzt werden kann, zu finden. Sehr naheliegend wäre es, den Kulturcampus in die Planungen mit einzubeziehen. Inwieweit diese Überlegungen derzeit angestellt werden, ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich.

Mit einem Interim werden in der aktuellen Diskussion vor allem hohe Kosten und künstlerische Nachteile verbunden. Dass dies nicht so sein muss, beweisen das Operninterim als Baustein des neuen Quartiers »Maker City« im Stadtentwicklungsprojekt Stuttgart Rosenstein oder die Planungen für den Umbau der Düsseldorfer Oper.

In Stuttgart dachte man von Beginn an über die temporäre Nutzung hinaus an die Weiternutzung der Ausweichspielstätte als Teil einer Stadtentwicklungsmaßnahme und rechtfertigte damit auch die allerdings nicht geringen Investitionskosten von 224 Mio. Euro. Wenn Oper und Ballett nach der Sanierung der üblichen Spielstätte an den Oberen Schlossgarten zurückkehren, sollen die größten Teile des Interims für die »Maker City« weitergenutzt werden. Als Teil der internationalen Bauausstellung IBA’27 sollen hier Produktion und Wohnen zusammengebracht werden, um einen Ort der Gemeinschaft zu schaffen.

In Düsseldorf beschloss der Rat der Landeshauptstadt am 15. Juni den Neubau der Deutschen Oper am Rhein als ‚Opernhaus der Zukunft‘ am alten Standort Heinrich-Heine-Allee und die Durchführung einer Machbarkeitsstudie zur Umsetzung einer Interimsspielstätte für den Zeitraum des Neubaus. Die Bauherrenfunktion wird das städtische Tochterunternehmen Immobilien Projekt Management Düsseldorf GmbH (IPM) übernehmen.

Mark Stroomer von Theatre Projects Consultants, London, schrieb mir zur Frage des Stellenwerts von solchen Zwischennutzungen bei Theaterneubauten im internationalen Vergleich:

„Temporäre Veranstaltungsorte kommen naturgemäß nicht an die Qualität echter Spielstätten heran. Notwendige Kompromisse schließen aber neue aufregende Theatererfahrungen für das Publikum – und wahrscheinlich auch für die Darsteller – unter den eingeschränkten Bedingungen nicht aus, im Gegenteil.

Bei temporären Theatern handelt es sich um Tourneetheater und nicht um Produktionshäuser, bei denen die Kulissen, die Proben und die Lagerräume von einem anderen Ort herbeigeschafft werden. Die Sitzplatzkapazität kann angepasst werden, aber Hinterbühne und Inszenierung sind in der Regel reduziert. Die Spielpläne können geändert werden, und manchmal umfasst das Betriebsmodell eher eine Reihe von Aufführungen derselben Oper als ein ständig wechselndes Modell. Die Aufführung von Opern, die kleinere Opern und kleinere Bühnenbilder erfordern als beispielsweise Wagner oder Verdi, kann dazu beitragen, den vorübergehenden Ausstattungsbedarf zu verringern.

Sich auf neue Arbeitsweisen einzulassen und sich ‚umzuorganisieren‘ kann verjüngend wirken.“

Die Sanierung der Theaterdoppelanlage nach dem Brand von 1987 hat Frankfurt das aus dem Kulturbetrieb nicht mehr wegzudenkende Interim Bockenheimer Depot beschert. Heute integraler Bestandteil der Bühnen und kultureller ‚Botschafter‘ im Frankfurter Westen, beweist diese kluge Nachnutzung eines brachgefallenen Straßenbahndepots, welche großen Stadtentwicklungschancen auch in der anstehenden Neuplanung stecken und welche Wirkung die eingesetzten Gelder auf Dauer entfalten könnten.

Zu Werkstätten / Lagerzentrum (zentrales Logistikzentrum)

  • Ausschließlich im Fall der Variante „Neubau Doppelanlage“ müssen die Werkstätten und sehr wahrscheinlich auch die Probebühnen außerhalb der Innenstadt für eine dauerhafte Nutzung neu errichtet werden. Damit geht einher, dass die Mitarbeitenden nicht mehr an einem gemeinsamen Ort der Darbietung arbeiten können und täglich intensivere Transport- und Verkehrsbeziehungen zwischen dem innerstädtischen Neubau sowie den neuen, außerhalb der Innenstadt zu errichten- den Werkstätten, entstehen. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 14)

Allen Varianten gleich ist die Notwendigkeit, Lagerflächen auszulagern. Warum dies nicht von vorneherein im Verbund mit einem Produktionszentrum mit Probebühne geplant werden kann, erschließt sich nicht. Brachliegende Gewerbeflächen ausserhalb der Innenstadt wären z.B. entlang der Gutleutstraße, im Gutleuthafen oder im Osthafen vorhanden und sofort verfügbar. Dort stehen riesige Industriehallen leer, deren robuste Baustruktur und rauer Charme sich für eine Kulturnutzung geradezu aufdrängt (siehe Naxos-Theater in Frankfurt oder die Kampnagel-Fabrik in Hamburg). Zumindest sollte dies ergebnisoffen geprüft werden. Gerade die Lage am Main macht diese Zwischennutzungen um so attraktiver, zumal sie als Vorreiter für zukünftige städtebauliche Entwicklungen begriffen werden könnten, die ohnehin anstehen. Eine einmalige Chance und wechselseitiger Gewinn für die Stadt und die Kultureinrichtungen.

Das Auslagern mindestens eines Teils der Werkstätten ist international üblicher Standard (Oslo Opera) und wird von Theater-Fachleuten empfohlen. Die so freiwerdenden Flächen könnten vielfältig anderweitig genutzt werden und bieten immobilienwirtschaftlich erhebliches Entwicklungspotential.

Zu Stadtraum

  • „Mit dem Neubau von Oper und Schauspiel eröffnet sich die große Chance, die Spielstätten mit dem Stadtraum zu vernetzen und die Gebäude ganztägig für die Menschen zugänglich und nutzbar zu machen. Die neuen Bühnengebäude können künftig ohne Barrieren in jeder Hinsicht für alle zum Ort der Begegnung, der Gemeinschaft und des Miteinanders in Frankfurt und damit Ort der Integration und Inklusion werden.“ (Quelle: neue-buehnen-frankfurt.de/buehnenbetrieb)
  • Zu „Die bestehende Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz ist in jeder Hinsicht am Ende ihres Lebenszyklus angelangt. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Seit 15 Jahren setzen sich Gutachter, Wissenschaftler und Planer bereits mit der baulichen Zukunft der Städtischen Bühnen auseinander.“ (Quelle: neue-buehnen-frankfurt.de/standorte-und-stadtraeume)
  • „…Beide Bauwerke werden uns und die künftigen Generationen sowie unser Frankfurt viele Jahrzehnte mit prägen. Wir haben außerdem die einmalige Möglichkeit, dass im Anlagenring zwischen Alter Oper und Main neue Frei‐ und Grünflächen entstehen. Nicht nur dies ist eine Jahrhundertchance. Frankfurt wird durch die neuen Bühnen zum nachhaltig entwickelten kulturellen Zentrum in Europa.“ (Quelle: Ina Hartwig: Die möglichen Varianten. Die Modelle)

Es steht außer Frage, dass sich mit der zur Entscheidung anstehenden baulichen Weiterentwicklung (Neu-, Um-, oder Weiterbau) der städtischen Bühnen die Chance zur Bewahrung oder sogar Steigerung des international beachteten, außergewöhnlichen Niveaus der Frankfurter Bühnen bietet. Diese, davon kann als übereinstimmendes, vorrangiges Ziel aller drei Varianten ausgegangen werden, wird heutige Standards beachten, erstklassige Arbeitsbedingungen bieten und sich breiten gesellschaftlichen Schichten öffnen. Der Standort am Theaterplatz ist dazu schon jetzt bestens geeignet. Die vorgenannten Ziele lassen sich hier ohne Einschränkungen umsetzen.

Der Erhalt und mögliche Zugewinn von Frei‐ und Grünflächen im Anlagenring zwischen Alter Oper und Main gewinnt in der vergleichenden Bewertung neben den zuvor genannten, die eigentliche Qualität der Bühnen bestimmenden Zielen, als ein städtebauliches Kriterium mehr und mehr an Bedeutung. Ob bei der einen oder anderen Variante jeweils neue Grünflächen entstehen oder verlorengehen, dies zu beurteilen oder zu belegen gelingt den Gutachtern im vorliegenden Papier nicht in einem zufriedenstellenden Ausmaß und muss Aufgabe weiterführender Planungen und Gutachten sein. Die Einschätzung, dass die Varianten 1 und 2 automatisch Verbesserungen bringen, wird nicht geteilt, da zunächst in erheblichem Umfang alter Baumbestand fällt und damit ein, jedenfalls kurzfristig nur schwer ersetzbarer, Biotopverlust einhergeht. Ein Teil der in Variante 4 ggf. neu zu gewinnenden Grünfläche liegt zudem unter der Tiefgarage, ist also per se nicht so wertvoll wie Grünflächen mit gewachsenem Boden.

Mit Blick auf die übergeordneten Verkehrsbeziehungen in der Stadt für den Fuß- und Radverkehr ist die Verbindung über die Untermainbrücke wichtiger als die zum Jüdischen Museum. Die zwei Mainbrücken Alte Brücke und Untermainbrücke sind jeweils Anfangs- und Endpunkt der Wallanlagen, dieses außergewöhnlichen grünen Bands um die Frankfurter Innenstadt, das zugleich auch die südlichen Stadtteile mit anbindet.

Auch ist nicht ersichtlich, warum es zur Durchsetzung jahrzehntealter stadträumlicher Zielsetzungen zur leider noch immer nicht verwirklichten Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Bankenviertel und stärkeren Durchlässigkeit zu den Wallanlagen der Zuhilfenahme des Bühnenneubaus, zumal noch in Kombination mit einem 45-geschossigen Bürohochhaus, bedarf, eines für sich schon komplexen Vorhabens. Aus der Verbindung von so unterschiedlichen Nutzungen muss nicht zwangsläufig ein Mehrwert entstehen, vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Funktionen wechselseitig eher behindern als befruchten. Zu stark bestimmen die umliegenden Bürotürme, der beengte Straßenraum den Bauplatz, als dass sich eine fragile Kulturnutzung im monofunktionalen Kontext des Frankfurter Finanzzentrums behaupten könnte. Dem Schauspielhaus fehlt zur Neuen Mainzer Straße die Adresse und zum Park die Prominenz. Denn die Bühnen bilden nicht den Abschluss einer Blickachse, sind nicht das natürliche Ziel einer Wegeverbindung, sondern sie liegen wie zufällig aufgereiht in der unwirtlichen Enge der Neuen Mainzer Straße und können sich zum Park hin ohne erhebliche Eingriffe (z.B. durch Öffnung in Form einer Freilichtbühne) in das Wallservitut nicht entfalten.

Zu Kostenentwicklung

Es kann der Stabsstelle nicht vorgeworfen werden, dass die Kostenentwicklung nicht gewissenhaft und mit Ziel von Verlässlichkeit prognostiziert worden wäre. Intransparent ist vielmehr, welche Bedarfe diesen Kostenschätzungen zugrunde liegen und wie sie ermittelt wurden. Bekannt ist, dass für eine Probebühne sowie für das Ballett zusätzliche Flächen wünschenswert wären und in die Berechnungen einfließen. Welche Form der Probebühne (Werkraumbühne, Probebühnen für die Oper und/oder das Schauspiel) und welche zusätzlichen Anforderungen an die Ausstattung, z.B. einer Erhöhung der Zahl der Zuschauerplätze, in die aktuelle Kalkulation eingepreist sind, ist aus den vorliegenden Dokumenten nicht ersichtlich.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob eine Gesamtinvestition von 1,3 Milliarden Euro nicht die Möglichkeiten selbst eines so finanzstarken Gemeinwesens wie der Stadt Frankfurt übersteigt. Gemessen an der etwa dreifachen Wirtschaftskraft von Hamburg liegt eine vergleichbare Baumaßnahme wie die Elbphilharmonie mit Gesamtkosten von 866 Mio. Euro im Jahr 2016 etwa gleichauf mit der Schätzung der Stabsstelle aus dem Jahr 2020. Frankfurt leistet sich also gemessen an seiner Wirtschaftskraft mit den Bühnenneubauten eine dreimal höhere Kulturinvestition. Eine Investition, die schon jetzt alle Maßstäbe zu sprengen scheint.

Wäre es angesichts der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Unsicherheiten in Deutschland nicht zielführender, die geplanten Kulturinvestitionen, so unbestreitbar wichtig sie sein mögen, von den tatsächlichen Möglichkeiten her neu zu bewerten? Müssen nicht am Anfang aller Überlegungen ein fixes Budget, daraus abgeleitet die realistischen, auf die Möglichkeiten heruntergebrochenen Bedarfe und ein Terminplan stehen, wie das für die Finanzierung jeden privatwirtschaftlichen Vorhabens zwingende Voraussetzung ist?

In diesem Zusammenhang fällt auch eine gewisse Ungenauigkeit auf, die angesichts der großen Summen kaum noch ins Gewicht fällt, aber Fragen zum Zustandekommen des Zahlenwerks aufwirft: Die Kostengegenüberstellung auf Seite 31 beziffert die Kosten für das Interim der Oper einzeln mit 83,4 Mio. Euro, für das Schauspiel einzeln mit 30,3 Mio. Euro, in Summe also 113,7 Mio. Euro. Wieso diese Übergangsmaßnahmen bei der Variante 4 mit 142,2 Mio. Euro zu Buche schlagen, also ca. 30 Mio. Euro teurer sein sollen, erschließt sich nicht.

Soll für die Kulturmeile abgerissen werden: denkmalgeschütztes Gebäude, Neue Mainzer Straße 53.
Bild: https://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/objekte/

Zu Rahmenbedingungen (Planungsrecht, Verfügbarkeit)

  • Bei den Abstimmungen mit der Eigentümerin stellte sich heraus, dass, eine grundsätzliche Einigung vorausgesetzt, der optimistische Übergabezeitpunkt des bebauten Grundstücks angesichts der benachbarten, heute bestehenden Großbaustelle im Jahr 2028 läge. Dann wäre der heutige Gebäudebestand der Eigentümerin weiterhin vorhanden und das Grundstück noch nicht baureif. Abriss-, Baustelleneinrichtungs-, Erd- und Bauarbeiten für die neue Spielstätte können angesichts der komplexen baustellenlogistischen Situation für das unmittelbar benachbarte Ensemble Central Business Tower an der Ecke Neue Mainzer Straße 57-59 / Junghofstraße 27 aller Voraussicht nach nicht parallel erfolgen. Vor dem Hintergrund des desolaten Zustands der Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz ist dieser Zeithorizont für den Beginn der Vorarbeiten für den Neubau einer Spielstätte keine befriedigende Option, zumal die Planbarkeit zusätzlich eingeschränkt würde. Für eine perspektivenreiche Zukunft der Städtischen Bühnen ist der sichere und rasche Umsetzungsbeginn ausschlaggebend. Um eine solche Perspektive schnellstmöglichen Bauens zu gewährleisten, bietet sich die Realisierung von Oper und Schauspiel auf stadteigenem Grund und Boden an. Dies ist auch ökonomisch nachhaltig. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 59)
  • Die bestehende Doppelanlage muss, unabhängig davon, welche Variante final weiterverfolgt wird, noch bis mindestens 2030 den Betrieb gewährleisten. Frühestens dann können erste Neubau- oder Interimslösungen genutzt werden. Dieser notwendige Zeitraum einer weiteren Funktionsfähigkeit ist bereits fraglich und darf sich nach einhelliger Expertenmeinung nicht weiter verlängern. Aktuell sind vor allem die bestehende Sicherheitsbeleuchtung, die Lüftungsanlagen (auch der Zuschauerräume) und die Obermaschinerie der Oper von nicht mehr reparaturfähigen Ausfällen bedroht, die eine massive Beeinträchtigung des Spielbetriebs nach sich ziehen könnten. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 11)
  • Aktuell gehen die Rechtsberater davon aus, dass sich die Herausforderungen und Risiken in einem üblichen Maß bewegen. Hieraus resultieren nach aktueller Kenntnis neben den allgemeinüblichen Risiken beim Entwickeln, Planen und Bauen keine unüberwindbaren rechtlichen Hindernisse für die Verwirklichung der geprüften Varianten. Bei den Varianten 1 und 2 ist die Risikobetrachtung wegen der jeweiligen Neuaufstellung von Bebauungsplänen als erhöht einzustufen. Im Fall von Variante 4 ist diese gering. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 48)

Vorrangiges Ziel der Neuplanung muss eine schnelle, die künstlerische Arbeit fördernde und den städtischen Haushalt möglichst wenig belastende Lösung sein. Da schon heute der Spielbetrieb aufgrund von Baumängeln gefährdet zu sein scheint, ist Zeit der limitierende Faktor. Insofern ist der Einschätzung der Stabsstelle nur zuzustimmen, dass für eine perspektivenreiche Zukunft der Städtischen Bühnen der sichere und rasche Umsetzungsbeginn ausschlaggebend ist. Um eine solche Perspektive schnellstmöglichen Bauens zu gewährleisten, bietet sich die Realisierung von Oper und Schauspiel auf stadteigenem Grund und Boden an. Dies ist auch ökonomisch nachhaltig, so die zutreffende Einschätzung der Gutachter.

Welche Kosten und Risiken der Weiterbetrieb der Oper im Bestand für mind. acht Jahre bis 2031 hat, wird nur angedeutet. Der sofortige Bau von zwei Interim-Spielstätten würde diese Risiken deutlich verringern, da ein Umzug dann schon in weniger als fünf Jahren realistisch erscheint. Angesichts der Kosten, die durch den Weiterbetrieb der maroden Anlage mit Sicherheit in nicht unbeträchtlicher Höhe entstehen, wird eine realistische Kosten-Nutzung Abwägung empfohlen. Zu Prüfen wäre auch, ob nicht der notwendige Bau der Lagerflächen / Logistikzentrum mit einem Interim so verbunden werden kann, dass Synergien genutzt und Kosten gespart werden können.

Die Bewertungen der Herausforderungen und Risiken zur Schaffung von Planungsrecht für die Varianten 1 und 2 werden nicht geteilt, auch wenn sie sich „in einem üblichen Maß“ bewegen sollten, wie die Gutachter hervorheben. Üblich sind in Frankfurt Zeiträume von 3 bis 5 Jahren für Bebauungspläne. Die Genehmigungsfrist für komplexe Bauvorhaben kann ohne weiteres 1,5 Jahre sein.

Durch den mehr oder weniger großen Eingriff in das Wallservitut (auch bei der Vorzugsvariante 2b_A) ist zudem mit dem Widerstand der Denkmalpflege zu rechnen. Der unvermeidliche Eingriff in den alten Baumbestand unter Berücksichtigung von Sicherheitsabständen nach Freiraumsatzung und die Inanspruchnahme von Parkfläche zur Baustelleneinrichtung sind weitere schwer zu überbrückende Hindernisse, die zumindest auf lange Abstimmungszeiträume schließen lassen.

Bei der präferierten um 90 Grad gedrehten Ausrichtung der Bühne in Variante 2b_A wird mit einer Fläche von 650qm direkt in das Wallservitut eigegriffen. Diese Variante hat mit Baustelleneinrichtung den Verlust von ca. 40 Bäume parkseitig zur Folge, an der Neuen Mainzer Straße sind weitere 8 Bäume betroffen.

Soll für die Kulturmeile abgerissen werden: denkmalgeschütztes Gebäude, Neue Mainzer Straße 55. Bild: https://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/objekte/

Auf dem benachbarten Grundstück, ebenfalls im Eigentum der Frankfurter Sparkasse, soll zeitgleich mit dem Neubau des Schauspielhauses ein 160m hohes Hochhaus entstehen. Dafür scheint mindestens der Teilabriss des Kulturdenkmals Neue Mainzer Straße 53 vorgesehen zu sein. Der (teilweise oder vollständige) Wegfall des Baudenkmals Neue Mainzer 53 sowie der schwierige Anschluss an das Baudenkmal Neue Mainzer Straße 55 durch den vorgesehenen Neubau des Hochhauses wird im Bericht nicht erwähnt. Das Haus Nr. 55 grenzt zukünftig unmittelbar an das Hochhaus. Ob das bautechnisch lösbar ist, erscheint fraglich, ästhetisch ist diese eingezwängte Stellung auch im Kontext der gegenüberliegenden denkmalgeschützten Fassaden unbefriedigend. Gerade die gegenüber dem Hochhausrahmenplan geänderte Platzierung und Höhe des neuen 160m hohen Turms wirft also viele neue bau- und planungsrechtliche Fragen auf, deren Lösung hier nicht erkennbar ist.

Das Gebäude Neue Mainzer Straße 55 war das Wohnhaus der Familie Pfeiffer-Belli. Erich Pfeiffer-Belli ist der Vater von Silvia Tennenbaum, deren Buch „Straßen von Gestern“ die Geschichte Ihrer großbürgerlich-jüdischen Familie um die Jahrhundertwende erzählt und das 2012 durch das Lesefest ‚Frankfurt liest ein Buch‘ breite Leserschichten gefunden hat. Der ganze stadtgeschichtlich bedeutsame Ort, heute umringt von dichtstehenden Hochhäusern und vom Verkehr erdrückt, gibt ein vernachlässigtes Bild ab. Ob sich daran etwas ändert, ist angesichts der heranrückenden, völlig den Maßstab sprengenden Bebauung, mehr denn je ungewiss.

Das Gebäude Neue Mainzer Straße 55 war das Wohnhaus der Familie Pfeiffer-Belli. Erich Pfeiffer-Belli ist der Vater von Silvia Tennenbaum (Buch „Straßen von Gestern“) Aus: https://frankfurter-personenlexikon.de/node/756

Zu Energiebedarf

  • Variante 4 weist im Vergleich zur Variante 1 einen deutlich höheren spezifischen Energiebedarf auf. Zurückzuführen ist dieser Unterschied insbesondere auf die Bilanzierung der Werkstattflächen. Im Vergleich zu Bühnen- und Zuschauerräumen geht von Werkstätten ein geringerer Energiebedarf aus. Da sich die Werkstätten in Variante 4 allerdings nicht innerhalb der Gebäudehülle, sondern in einem separaten Baukörper außerhalb der Innenstadt befinden, ist hier ein deutlich höherer Energiebedarf als in Variante 1 zu erwarten. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 22)
  • Insgesamt weisen alle Standorte einen ähnlichen Energiebedarf auf, da für die Hüllfläche und die Gebäudetechnik jeweils der gleiche Standard gewählt wurde.
  • Im Vergleich lässt sich der geringste Energiebedarf jedoch für die Variante 2, die auch an die Errichtung eines Hochhauses mit Büronutzung geknüpft ist, verzeichnen. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 22)

Die Argumentation erscheint widersprüchlich. Eine Doppelanlage muss immer ein besseres A/V -Verhältnis haben als eine auf zwei Gebäude verteilte Nutzung. Ob mit oder Werkstätten spielt dabei keine Rolle. Im Übrigen lassen sich durch die Zusammenführung von Lager- und Technik in einem Logistik-Zentrum mögliche Nachteile ausgleichen.

Wieso die vollkommen getrennt zu betrachtende Baumaßnahme ‚Hochhaus‘ in der Bewertung eine Rolle spielt, ist unklar. Soll das Hochhaus etwa Teil einer städtischen Projektentwicklung sein? Welche Synergien werden durch die Verbindung dieser zwei immobilienwirtschaftlich vollkommen getrennten Maßnahmen erhofft, da man von getrennten Eigentumsrechten ausgehen muss? Oder ist dies Teil der Pachtvereinbarung der Stadt Frankfurt mit der Sparkasse?

Wenn die immobilienwirtschaftliche Verwertung bei dieser Variante eine Bedeutung hat, warum ließe sich das gleiche Modell nicht auch auf den Standort am Willy-Brandt-Platz übertragen? Durch Auslagerung mindestens eines Teils der Werkstätten könnte für solche Überlegungen Raum geschaffen werden.

Zu Graue Energie

  • LCA-Betrachtung („Graue Energie“) über 50 Jahre im Hinblick auf ökologische und nachhaltigkeitsbezogene Aspekte. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 19)

Der Annahme, dass die Graue Energie der Doppelanlage bei einer vergleichenden Betrachtung keine Rolle spielt, da sich die 60 Jahre alten Gebäude rechnerisch am Ende ihres Lebenszyklus befänden, muss widersprochen werden. Es handelt sich bei der LCA-Betrachtung um einen rein vergleichenden Berechnungsansatz, der das Verhältnis der verbrauchten Energie während der Nutzungsphase zu der in der Baukonstruktion gebundenen Energie bemisst. Eine generelle Begrenzung der Lebensdauer von Gebäuden auf 50 Jahre wird damit nicht gefordert und wäre auch unsinnig.

„Lag in der Vergangenheit das Verhältnis der Umweltwirkung aus der Nutzungsphase zu den Umweltwirkungen aus den eingesetzten Baumaterialien bei ca. 70 % zu 30 %, so war der entscheidende Hebel die Reduzierung des Energieverbrauchs während der Nutzungsphase. Durch die kontinuierliche Reduktion der Energieverbräuche hat sich im Laufe der letzten Jahre dieses Verhältnis auf aktuell ca. 50 % aus der Nutzungsphase zu 50 % aus den eingesetzten Baustoffen (graue Energie) verschoben. Bei energetisch ambitioniert geplanten und gebauten Gebäuden hat sich dieses Verhältnis bereits verkehrt. Das bedeutet, dass die im Material gebundene Umweltwirkung die Umweltwirkung der während der Nutzungsphase benötigten Energie, bezogen auf den rechnerisch angesetzten Lebenszyklus von 50 Jahren, zukünftig übersteigen wird und demensprechend an Bedeutung gewinnen wird. Aus diesem Grund ist seit Jahren ein ganzheitlicher Ansatz in der energetischen Bilanzierung wünschenswert und sollte stärker priorisiert werden.“ (Quelle: DBZ, Ökobilanzierung von Gebäuden).

Die Lebensdauer einzelner Baumaterialen kann sehr unterschiedlich sein und ist spezifisch zu berechnen und im Hinblick auf ihren sinnvollen Erhalt oder die Wiederverwendung zu bewerten. Einer pauschalen Annahme, die vorhandene Bausubstanz sei aufgrund ihrer Lebensdauer von vorneherein wertlos, wird widersprochen. Mit dem gleichen Argument wäre auch der Erhalt des Juridicums oder der Dorndorf-Druckerei unsinnig, der gerade breit unterstützt wird. Insofern sollte hier ein einheitlicher Bewertungsmaßstab gelten.

In den Gutachten zur Energiebilanz wird die graue Energie im Bestand durchgehend nicht eingerechnet, weil „der Bestand das Lebensende erreicht hat“ und sowieso abgerissen wird. Das gilt in diesem Fall auch für die späteren Umbauten und Ergänzungen, wie den erst 10 Jahre alten Werkstattbau. Dessen sollte man sich bewusst sein. Hier fehlt ein schlüssiges Konzept zur Integration dieser Bauteile in die Bewertungsmatrix. Angesichts der erheblichen Mittel, die erst in jüngster Zeit zur Sanierung aufgewandt wurden, wäre es auch mit Blick auf die Revision fahrlässig, darüber hinwegzugehen. Nicht ausreichend berücksichtigt ist auch die Tatsache, dass auch am Standort Sparkasse ein ganz erhebliches Abrissvolumen entsteht. Man kann das als eine notwendige Begleiterscheinung in der Abwägung der städtebaulichen Ziele betrachten, ganz ignorieren sollte man den Abriss nicht.

Nur am Rande sei bemerkt, dass das komplizierte Geflecht von Tunnelröhren der U-Bahn und den Fundamenten des Eurotowers nach Aussage von Tragwerksplanern mit den Fundamenten der Bestandsbauten so eng verbacken ist, dass beim Rückbau mit erheblichen Gründungsproblemen zu rechnen ist.

Zu Frei- und Grünflächenbilanz / Stadtklima

  • Tabelle 4: Variantenübersicht mit Frei- und Grünflächenbilanz (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 26)
  • Tabelle 5: Variantenübersicht mit Anzahl zu Baumverlusten und zu besonders zu schützenden Bäumen (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 27)
  • Variante 2 ist diesbezüglich im Vergleich am günstigsten zu bewerten. Die bauliche Auflockerung reduziert das Überhitzungspotenzial der Grünanlage am Willy-Brandt-Platz durch die Positionierung der Oper an der Neuen Mainzer Straße, von der keine signifikante Verschlechterung der Belüftung oder Intensivierung des vorhandenen Wärmeinseleffektes an dortiger Stelle ausgeht. Zusätzlich wird durch die Entstehung einer neuen Frei- und Grünfläche westlich des neuen Schauspiels eine neue Belüftungsachse zwischen Taunusanlage und Main geschaffen, die sich positiv auf das Umgebungsklima und eine potenzielle Nachtauskühlung im umgebenden Stadtbereich auswirken kann. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 28)

Die notwendigen Eingriffe in die Wallanlage durch die Varianten 1 oder 2, verursacht nicht zuletzt aufgrund der getrennt zu führenden Erschließungsflächen für die Anlieferung und für den Publikumsverkehr, sind mit mehr oder weniger großem Verlust an Biotopwert verbunden und wirkt sich demzufolge erst einmal negativ auf das Stadtklima aus. Der Bericht führt dazu zutreffend aus, dass die betroffenen Bestandsbäume in den Wallanlagen nicht unterbaut (z.B. mit Tiefgaragen) sind, eine große Altersspanne bis zu 120 Jahren aufweisen und aufgrund ihrer Größe und ihres Alters erhöhtes Potenzial bieten, die klimatischen Komponenten (Verschattung, Abkühlung der Umgebung und CO₂-Bindung) zu erfüllen. In der Tabelle Variantenübersicht mit Anzahl zu Baumverlusten und besonders zu schützenden Bäumen werden jeweils 17 Bäume aufgelistet, die direkt von den Baumaßnahmen betroffen sind. Realistisch ist von einer höheren Zahl auszugehen. Berücksichtigt man zusätzlich die Baustelleneinrichtung werden tatsächlich wohl bis 40 der sehr alten und besonders wertvollen Bäume fallen müssen. Insofern ist auch die positive Bewertung in der Tabelle auf Seite 50 des Berichts unzutreffend. Durch den vermeidbaren Verlust der Bäume wird der Heat-Island-Effekt eher verstärkt als abgemildert.

Ob es später gelingt, diesen Verlust mittelfristig durch Neupflanzungen auszugleichen oder sogar mehr als wettzumachen, sollte weiter untersucht werden. Die Einschätzung, dass die unvermeidbaren Eingriffe in den Biotopbestand durch den Zugewinn an Freiflächen deutlich überkompensiert werden würde, wird so nicht geteilt. Hier fehlt eine realistische Gegenüberstellung und Bewertung durch die Stabsstelle im Sinn einer Eingriffs- und Ausgleichsplanung.

Für Variante 4 gibt es durch den Neubau der Doppelanlage an gleicher Stelle großes Potenzial, die Qualität der Oberflächen zu verbessern. Da der Ist-Zustand der Variante 4 kaum Vegetationsfläche besitzt, ist eine Verbesserung der biologischen Vielfalt hier sehr wahrscheinlich, wie der Bericht richtig anerkennt.

Zu Denkmalwert

  • Einzig die Glasfassade des Foyers ist trotz Austausch der Glaselemente und nachträglicher Ummantelung der ehemals schlankeren, verputzten und hell gestrichenen Betonpfeiler mit Aluminiumprofilen weitgehend unverändert und wirkt insbesondere bei Dunkelheit weiter in den Stadtraum hinein. Dabei wird das Alleinstellungsmerkmal der 1960er Jahre – die lange Glasfläche – heute von der Vielzahl der gläsernen Bürotürme des Bankenviertels stark relativiert. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 55)
  • Ein gewisses Risiko kann sich durch den Künstler beziehungsweise dessen Rechteinhaber unter Verweis auf die unveränderte Hängung der Blechwolkenskulptur ergeben. Ob dieser Anspruch jenseits denkmalrechtlicher Fragen durchsetzbar wäre, kann derzeit nicht abschließend geklärt werden. Das Risiko wird bis zum Jahr 2035, dem Zeitpunkt des Erlöschens des Urheberrechts, von Experten und Rechtsberatern durchaus gesehen. Ein ganzheitlicher Abbau wäre deutlich risikoärmer. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 57)
  • Soweit zwei getrennte Häuser an zwei getrennten Standorten realisiert werden sollen, führt die vollständige Erhaltung des Foyerbaus mit einer neuen Glasfassade absehbar zu kuriosen architektonischen und städtebaulichen Lösungen. Ein Einzelbau am heutigen Standort – Schauspiel oder Oper – wird allenfalls drei Fünftel der heutigen Gesamtlänge benötigen. Hier könnte theoretisch der entsprechende Teil des Glasfoyers eingebunden werden. Über die restliche Strecke verbliebe dann eine Art freistehender Riegel, welcher in die hier neu gewonnene Grünfläche hereinragen müsste. Die stadträumliche Wirkung einer solchen Lösung erscheint wenig überzeugend. Es könnte allerdings planerisch nach der Standortentscheidung geprüft werden, ob das restliche Stück des Foyerbaus gleichsam umgeklappt und an der Seite des entsprechenden Neubaus gestalterisch weitergeführt werden könnte. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 58)

Man kann das Argument der Denkmalpflegeberater zum Alleinstellungswert der der 120m langen Gasfassade des Foyers auch anders lesen. Umgeben von gläsernen Hochhäusern löst bis heute einzig das Glasfoyer der Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz das Versprechen maximaler Transparenz ein.

Die Frage, wie mit dem Werk des Künstlers Zoltán Kemény im Kontext eines Neubaus umgegangen werden kann, ausschließlich auf den Aspekt des Urheberrechts zu verengen, erscheint der Bedeutung der Arbeit und der Person des Künstlers völlig unangemessen.

Die Idee, das Foyer „umzuklappen“ ist mit der Denkmaleigenschaft des Gebäudes mit Sicherheit unvereinbar. Wenn es als Denkmal zu erhalten ist, wäre der logische Schluss, hinter dem gesamten Foyer weiterzubauen. Ein Gutachten zur Standsicherheit des Foyers zeigt auf, dass die Struktur ohne große Sicherungsmaßnahmen freigestellt werden kann, sofern die alten Treppentürme (1904) und die durchlaufenden Decken im Bereich des Theaters in einer gewissen Tiefe erhalten werden. Bei der Neuplanung müsste im EG auf den Bestand reagiert werden, was naturgemäß gewisse Zwänge mit sich bringt. Daher wird im Gutachten empfohlen, die tragenden Bauteile zu entfernen, dann aber unter Preisgabe der restlichen Substanz. Man sollte darauf vertrauen, dass die Architektinnen und Architekten des Neubaus / Umbaus / Weiterbaus hier eine gute Lösung finden werden.

Zu Organisationsstruktur

  • Die starke Basis für eine künftige und sachgerechte Organisationsstruktur, z.B. einer Entwicklungseinheit/ Bauherrenvertretung, bildet das seit Jahren gewachsene, weiterentwickelte, sehr vertrauensvoll und professionell agierende städtische Spezialistenteam, bestehend aus hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Bereichen: Bauherrenvertretung sowie Projekt-, Planungs- und Baumanagement, Projektentwicklung und Immobilienökonomie, Architektur, Stadtplanung und Umweltmanagement, Nachhaltigkeitsberatung inkl. DGNB-Zertifizierung und ESG-Management, Bühnenbetrieb, Betriebswirtschaft, Bauingenieurwesen sowie Vergabe- und Verwaltungsmanagement. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 62)

Hier fehlt, oder sollte stärker hervorgehoben werden, offensichtlich die entscheidende Beratung durch einen Kostenkontrolleur, also eines Quantity Surveyors, wie er international bei komplexen Großvorhaben dieser Art üblich ist. Eine professionelle Kosten- und Terminplanung nach entsprechender mit den Bühnen abgestimmter und verbindlich vereinbarter, realistischer Bedarfsermittlung, ist für das Gelingen des Projekts eine zwingende Voraussetzung.

Zu Wirtschaftlichkeit

  • Die Variante 4 ist in vielerlei Hinsicht terminlich und organisatorisch komplexer. Letztlich müssten mindestens vier Bauprojekte zu Teil als Interim (Lager, Werkstätten, Interim Oper, Interim Schauspiel) in kürzester Zeit parallel fertiggestellt werden, bevor ein Abriss und Neubau der Doppelanlage erfolgen könnte. Mit diesen Projekten müsste unmittelbar begonnen werden, jedoch muss vorab die Standortsuche für alle Teilprojekte (Lager, Werkstätten, Interimsbauten) erfolgen. Zu sehen ist hier ein hohes Risiko, da jeder Verzug bei einem Teilprojekt direkt zu einem Verzug des Endtermins führen würde. (Quelle: Ergänzung zum Bericht der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen von 2021, Februar 2023, Seite 33)

Verweis auf Punkt 4, Planungsrechtliche Rahmenbedingungen.

Schon allein die sofortige Verfügbarkeit des stadteigenen Bestandsgrundstücks am Willy-Brandt-Platz ohne aufwendige planungsrechtliche Vorarbeit lassen eher als bei den beiden anderen Varianten kurze Planungs- und Bauzeiten sowie Budgettreue, also die wirtschaftliche Umsetzung erwarten. Das Argument, dass für Teilprojekte wie Lager, Werkstätten, Interimsbauten mit der Suche erst begonnen werden muss und dies mit einem hohen Risiko von Planungsverzügen verbunden sei, mutet angesichts der jahrelangen Vorarbeit der Stabsstelle auf diesen Feldern sonderbar an. Gibt es dafür nicht mittlerweile brauchbare Ansätze und Ideen? Warum muss man hier bei Null anfangen? Der Bedarf gilt im Übrigen für alle drei Varianten gleichermaßen. 

Geht man bei Variante 4 von einem Komplettabriss und Neubau aus, steht der sofortigen Ausschreibung mit Architektenwettbewerb nichts im Weg, dagegen ist ein Neubau auf Fremdgrundstücken mit den bereits beschriebenen erheblichen Planungs- und damit auch Kostenrisiken behaftet. Für eine perspektivenreiche Zukunft der Städtischen Bühnen ist der sichere und rasche Umsetzungsbeginn ausschlaggebend, heißt es völlig zutreffend im Gutachten der Stabstelle auf Seite 59. Und der ist nur auf stadteigenem Grund und Boden einigermaßen sicher gewährleistet. Die wirtschaftliche Umsetzung hängt davon maßgeblich ab.

Jens Jakob Happ
geboren in Frankfurt am Main, studierte an den Technischen Universitäten in Berlin und Darmstadt Architektur sowie Trompe l’oeil-Malerei in Brüssel. In den Jahren von 1984 bis 1990 verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach New York und arbeitete dort in den Büros von Robert A.M. Stern und Richard Meier. Zurück in Deutschland, war er von 1990 bis 2005 zunächst Mitarbeiter und dann Partner von AS&P, Albert Speer und Partner in Frankfurt. In seiner Heimatstadt gründete er im Jahr 2006 sein eigenes Architektur- und Stadtplanungsbüro happarchitecture. Jens Jakob Happ ist Mitglied im BDA, im Deutschen Werkbund. Im Jahr 2007 wurde er vom BDA in den Städtebaubeirat der Stadt Frankfurt entsandt, dem er mit Unterbrechungen bis heute angehört. 2017 amtierte er als dessen Vorsitzender. Im Jahr 2018 wurde er in den Vorstand der Stiftung urban future forum e.V und in 2019 in den wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst berufen.

www.happarchitecture.de

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