Deal oder Coup?

Der Oberbürgermeister hat doch nicht geliefert…

Von Peter Lieser

Im Mai 2023 veröffentlichen wir eine erste Analyse von Peter Lieser zur Theaterdebatte. Seitdem ist einiges passiert. Anlass, dem neuen Sachstand nochamls auf den Grudn zu gehen:

Coup

Ende Juli 2023 stellten der frisch ins Amt eingeführte Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main (SPD) und seine Dezernentin für Kultur und Wissenschaft (SPD) die Einigung mit der Frankfurter Sparkasse 1822 und der Hessischen Landesbank (HELABA) hinsichtlich des Neubaus für ein Schauspielhaus vor.

Vorherige Verhandlungen waren Ende Februar, mitten im OB-Wahlkampf, vermutlich an den Grundbesitz-Verhältnissen gescheitert. Die Kulturdezernentin, die eine neue Oper auf dem Terrain der Sparkasse und ein neues Schauspiel auf dem Grundstück der städtischen Theater- Doppelanlage unter dem werbewirksamen Slogan „Kulturmeile“ verorten wollte, war nach zweieinhalb Jahren Zeitverlust und intensiver Prüfarbeit zu dieser Variante der Standortsuche erfolglos geblieben.

Aus dem Stehgreif und zur Überraschung aller propagierte sie die „Spiegellösung“. Diese sah die Errichtung eines neuen Schauspiels vor, gegenüber der Oper, ungeniert-vollflächig in den denkmalgeschützten Wallanlagen.

Aus der SPD-Folie „Kulturmeile“ wurde zur Rettung der Idee die abgespeckte SPD-Folie „Kulturdreieck“. Auch der Vorsitzende des Städtebaubeirates befürwortete, wie schon vorher die „Kulturmeile“, nun selbstverständlich die „Spiegellösung“.

Müßig zu erwähnen, dass im Zuge der Vorstellung einer Einigung mit der Helaba der OB die Spiegellösung mit kritischen Worten wie „vier bis fünf Jahre um Baurecht zu schaffen“ und „substanzieller Eingriff in die Wallanlage“ elegant einkassierte. „Anderer Gesichter wahren“ lautet der Merksatz für diese unter Führungskräften beliebte Kommunikations-Methode. Ein Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatte bereits im Vorfeld der Entscheidung in einem ++politischen Kommentar, der jenseits des journalistischen Ehrencodex‘ nicht als solcher gekennzeichnet war, den neuen Oberbürgermeister als den neuen Kulturdezernenten vorgestellt.

Auch schrieb die FAZ an anderer Stelle: Mike Josef hat geliefert. Welches sind nun die Liefermengen des Oberbürgermeisters?

Kosten

Das Grundstück der Sparkasse (5500 Quadratmeter, geschätzter Wert 500 Millionen), das sie nicht verkaufen will, hat seinen Preis: 35 Millionen Einmalzahlung, quasi als Anzahlung, 1,99 Millionen jährlich als Erbpachtzahlung auf 199 Jahre, macht: 431 Millionen Euro.

Man kann das als günstig bezeichnen (oder besser gesagt tarnen), wie der neue Oberbürgermeister es mit dem Hinweis auf den günstigen Erbbauzins versucht. Aber hinsichtlich der Mietfreiheit auf dem eigenen Grund und Boden der Theater-Doppelanlage ist diese Summe von 431 Millionen Euro ein verlorenes Geld der Stadt Frankfurt und seiner Bürgerlnnen.

Nach 199 Jahren ist dieses Geld (und vermutlich einige Verwaltungskosten mehr) auf und davon, das Grundstück ist obendrein weg, und ob die rote Sparkasse in 199 Jahren noch existiert, sei dahingestellt. Vermitteln diese Fakten vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Bankenwelt und ihren Turbulenzen wirklich Vertrauen?

Ein guter Deal, sagt der Oberbürgermeister.

Nein, ein fauler Deal ist dieses Verhandlungsergebnis im Sinne der Stadt Frankfurt, zumal wenn man noch einige andere Faktoren hinzunimmt.

Koppelgeschäft

Ein Koppelgeschäft abzuschließen, ist dem Frankfurter Magistrat untersagt. Und auf einem Verstoß gegen diese Regel steht Strafe für die Beteiligten. Scheinbar ist der Deal (die FAZ sagt ,,Coup“) durch die Rechtsabteilungen der beteiligten Institutionen bislang ungeprüft geblieben.

Die HELABA darf ein Hochhaus (vermutlich wie bisher schon einige ihrer Türme als Geldanlage) bauen, das nicht für den Eigenbedarf der Sparkasse (die kein Geld dafür hat und Zweigstellen schließt) dient. Ursprünglich 130 Meter hoch war das Hochhaus bisher geplant. Nun ist es gewachsen auf 160 Meter. Mit Tiefgarage. Und mit den integrierten Front-Fassaden zweier denkmalgeschützter Häuser. Die denkmalgeschützte „Frankfurter Fassade“ ist spätestens seit dem Schneider-Fürstenhof-Deal selbst auch in Florida bekannt.

Ein Architektur Wettbewerb soll ausgeschrieben werden, eventuell mit dem Schauspiel zusammen. Ist das nicht seltsam: ein Wettbewerb, in dem der Entwurf zweier getrennter Baukörper, eines Bürohochhauses und eines Theaters, zu bauen durch zwei verschiedene Bauherrinnen, durch die Bank und durch die Stadt, im zweiten Halbjahr 2024 gemeinsam ausgelobt werden soll?
Zwei Bauwerke die nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun haben. Noch eine Frankfurter Erfindung: Ein Koppel-Wettbewerb? Ist das ein guter Deal oder ein fauler Deal, etwa ein Koppelgeschäft?

Was geht vor, wenn hinter den verschlossenen Türen, mit dem Wohlwollen der Verhandlungsbeobachter des Landes ausgestattet und im allseits stadt- und landbekannten SPD-Parteienmilieu aus dem Scheitern der Verhandlungen im Februar plötzlich im Juli des gleichen Jahres ein Vertragsabschluss (ein „Letter of Intent“) ergeht, versehen mit einer Laufzeit von einem Jahr (bis Juli 2024)? Ist somit ein Zugzwang für die städtischen Gremien und Entscheider geschaffen, der in einem Dokument steht, das in seinen Vereinbarungen günstig sein soll, dessen Inhalte, Zahlen, Daten, Fakten aber bisher nur wenige Personen kennen?

Abriss

Bis zum Jahre 2027 soll das betreffende Grundstück der Sparkasse baureif sein. Die Masse der Grauen Energie, die hier vernichtet wird, ist schon an anderer Stelle (Initiative Zukunft Städtische Bühnen) kompetent und sachlich in die fachöffentliche Debatte, die sich neben den Abschottungen und Alleingängen der Stadtpolitik und der mehrfach versprochenen Bürgerbeteiligung glücklicherweise entwickelt hat, eingebracht worden.

Exkurs: An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass durch das unerbittliche Parteiengezänk und das intransparente Agieren einiger gewählter Akteure zu diesem eher zukunftsorientierten und gesellschaftlich verbindenden Thema ,,Theaterkultur“ ein städtisches Grundklima des Gegeneinanders erzeugt wurde. So muss es nicht wundern, dass vom ex-cathedra-sprechenden Vorsitzenden des Städtebaubeirates bis hin zum freihand-artistisch argumentierenden Fach-Journalisten fachliche Beiträge zum Erhalt von ,,Grauer Energie“ und zur Bewahrung von Werten der Baugeschichte und -Kultur als blanke Polemik diffamiert werden. Kulturdezernentin und Oberbürgermeister wären gut beraten, sich zukünftig im Sinne aller Bürger*lnnen, durch die sie letztendlich ihr Mandat auf Zeit haben, zu sehen und integrativ zu wirken. Das Thema spaltet allmählich Bürgerschaft, Fachwelt und Kulturschaffende dieser Stadt!

Ein Abriss, der durch den ,,guten Deal“ (OB) erzwungen wird, eines völlig intakten Gebäudes für derzeit 700 Mitarbeiter*lnnen? Ist dem Betriebsrat der 1000 Beschäftigten der Theaterdoppelanlage, der immer wieder die nahtlose Qualität der zukünftigen Arbeitsplätze im Übergang
zu den Theater-Neubauten einfordert, bewusst, dass mit seinen starken Worten (die sich mit denen der Intendanten decken) Verdrängung von anderen Arbeitsplätzen stattfinden soll? Ist ein städtisches Unternehmen von 1000 Mitarbeiter*lnnen berechtigt, zu seinem Wohle 700 Mitarbeiter*nnen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens von der Örtlichkeit seiner Arbeitsplätze zu verdrängen? Um zukünftig das Fallobst durch die feinen Birnen zu ersetzen?

Und noch ein Abriss droht: Neue Mainzer Straße 51, die letzte große Schalterhalle von Frankfurt, die ursprünglich so lebendige Schalterhalle der (gelben) Sparkasse von 1822, die zahlreiche Veranstaltungen der Polytechnischen Gesellschaft in einem hochwertigen Raum (mit mehr als 220 Sitzplätzen) für Vortrags-Sternstunden, Gespräche und Diskussionen, Ausstellungen auf der Galerie beherbergt hat, die die Raumästhetik der sechziger und (nach Renovierung) den gediegenen Charme der achtziger Jahre noch bewahrt und diesen Zeitgeist vermittelt – soll auch sie dem ,,guten Deal“ zum Opfer fallen? Das Ende der Ära der Schalterhallen, die weltweit in Bahnhöfen, Postgebäuden, Dienstleister-Institutionen, Banken etc. Orte der Begegnung im öffentlichen Leben waren – muss sie auch hier in Frankfurt ausradiert werden?

Glücklicherweise, muss man sagen, entscheiden nicht nur Kulturdezernenten und Oberbürgermeister über ,,gute Deals“. Glücklicherweise gibt es in unserer demokratisch verfassten Gesellschaft noch Institutionen, die ein wachsames Auge auf die Werte unserer Gesellschaft und unserer Umwelt haben. Ein solches Auge hat die Denkmalbehörde des Landes Hessen auf jene Schalterhalle geworfen. Und ebenso wacht sie über die beiden klassizistischen Häuser nebenan, von denen die Nummer 55 das Wohnhaus der Frankfurter Schriftsteller-Familie Pfeiffer-Belli war.

In dem die Tochter von Erich Pfeifer-Belli, Silvia Tennenbaum, wohnte. Sie schrieb das Buch ,,Straßen von Gestern“ und erzählte darin die Geschichte ihrer großbürgerlich-jüdischen Familie um die vorletzte Jahrhundertwende, welches beim Lesefestival ,,Frankfurt liest ein Buch“ im Jahre 2012 gelesen und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde.

Der Oberbürgermeister und die Kulturdezernentin sollten sich entweder kundig machen über diese kulturellen Werte, denen durch den besiegelten Deal Vernichtung droht im Zuge der von ihnen propagierten „Kulturmeile“. Oder sie sollten sich einmal fragen, ob sie vor der Bürgerschaft der Stadt Frankfurt die Verantwortung für die Beseitigung von unersetzbaren, kulturellen Werten übernehmen wollen.

Kulturmeile

Sie muss nicht beworben werden, sie existiert bereits, nur ist sie in Abschnitten nicht gepflegt (siehe unten) und durch die Stadt seit Jahren vernachlässigt. Weil man den Banken das Feld für ihre Aktivitäten überlassen hatte und dabei zusah, wie eine Bank nach der anderen, nach dem Wegzug der BfG, sich abschottete, um ihren Geschäften nachzugehen. „Die Bank ist scheu wie ein Reh“ war lange das Credo der Banken-Community, die andererseits immer auf Fühlungsvorteile, das Siedeln im engen, lokalen Verbund des städtischen Raumes bedacht war. Ein Spaziergang durch die westlichen Wallanlagen, insbesondere vom Japancenter bis zur Alten Oper, lässt sehr schnell erkennen, dass Banken ihre eigene Kultur hinter Mauern und Zäunen pflegen, eher ihre Eingänge in der unwirtlichen Neuen Mainzer Straße in Kauf nehmen, als sich dem erholsamen, einmaligen Grünraum der Wallanlagen zu öffnen – während ein Gang durch die beschriebene Schalterhalle schnell endet vor Trennwänden und Glasscheiben mit Blick auf die Taunusanlage. Öffentliche Wünsche stoßen hier schnell an die Grenzen des privaten Interesses, Potenziale bleiben vorerst verschenkt.

Noch eindrucksvoller ist die Abschottung der EZB am Willy-Brandt-Platz, direkt gegenüber der Theater-Doppelanlage, im ehemaligen Gebäude der BfG. Das ursprüngliche städtebauliche Konzept (und die persönliche Intention ihres damaligen Direktors, Walter Hesselbach) war die Öffnung der Bank zur Stadt. Durch die Medien zur Einweihung gefeiert, durch Wissenschaftler analysiert und erforscht, war die BfG-Mall ein Raum des Kommerzes und der neuen Warenästhetik. Ein Raum der Begegnung und der Öffentlichkeit. Was ist wegen der Sicherheitsbedürfnisse der EZB/Bafin davon noch geblieben? So stellt sich doch die Frage, ob dieses Genre von Banken wirklich an diese Stelle in der Stadt gehört?

Jedenfalls bekommt die Art von Abschottung, die einer Totstellung städtischen Lebens gleichkommt, der Theaterwelt direkt gegenüber nicht, die ja bekanntlich in dieser Form schon vorher da war, und die mit ihrem markanten Foyer zu der ursprünglichen Offenheit der Sockelzone der BfG geführt hat (nur die als Kompensation für das überbaute Grün der Wallanlage von der BfG versprochene Eisbahn wurde nie gebaut).

Und umgekehrt gefragt, denn das ist hier das Thema: Gehört ein Schauspiel zwischen Bankentürme? Zwischen totgestellte Sockelzonen? Und wieder umgekehrt, frei nach Brecht geantwortet: Sollen die Banken das unter sich ausmachen und uns da rauslassen!
Brauchen wir eine Kulturmeile als Folie und ein Neubau-Projekt mit Oper und Schauspiel von bald zwei Milliarden Euro, mit dem einen davon die Stadtpolitik eine „Aufwertung der Bankenklamm“ erreichen will? Sollen die Banken nicht ihre Bankenklamm-Politik unter sich betreiben, bevor unser Stadtsäckel klamm wird?

Brauchen wir einen Neubau eines Schauspiels, eingequetscht zwischen die Bankentürme der Neuen Mainzer Straße, um einen schmalen Pocket-Park zu entwickeln, den wir bereits als Verbindung der Bankenklamm zur Wallanlage geschaffen haben könnten? Brauchen wir den Neubau eines Schauspiels, um mit dem Geld der Bürger

lnnen die Kultur in ein Bankenviertel zu tragen, wo Geld schon vorhanden ist und die Kultur nur einige präzise sezierende Anreize braucht, um sichtbar zu werden? Die Kulturmeile muss man nicht schaffen – sie gibt es einfach. Seit Jahren aufgespannt zwischen dem markanten und wunderbaren Jüdischen Museum und der Alten Oper, muss sie weiterentwickelt und entdeckt werden. Doch dazu braucht es wahrlich kein Sparschwein-Theater in der Bankenklamm!

Und nun sollen Faktoren wie Zeitplanung, Interim und Städtebau hier untersuchen helfen, ob der geschlossene Deal ein guter oder ein fauler Deal war:

Zeit

In der Diskussion um den Neubau der Doppelanlage waren insbesondere die Ergebnisse der Stabsstelle für die Zukunft des Theaters entscheidungsrelevant. Diese sind ausschließlich im Auftrage der Kulturdezernentin – und selbstverständlich weisungsgebunden, nicht frei und kreativ – entstanden. Sie untersuchten den Standort, die Kosten und die Zeit, und setzten sich nicht mit den inhaltlichen, künstlerischen, sozialen, städtebaulichen und kulturellen Werten der neuen Theater und mit deren Bedeutung für die Stadt auseinander. Faktoren wie Ästhetik, Raumwirkung und Sichtbarkeit, im weitesten Sinne Repräsentations-Potenzial und Emotionale Bindung der Kulturschaffenden, der im Theaterbetrieb Beschäftigten, der Besucher und Rezipienten der dargestellten Kunst flossen selten in die Bewertungen ein.

Durch diese sehr technische Sichtweise scheint sich ein Wohlfühlfaktor aller Beteiligten entwickelt zu haben, der Ansprüche an kürzeste Entwicklungszeiten der Baumaßnahmen auf Top-Niveau gesteigert hat und der vom Erhalt (ohne Einschränkung) von hohen Standards in den Theater-Produktionen und von deren uneingeschränkten Rezeptionsmöglichkeiten ausgeht. Dies ist erst einmal verstehbar vor dem Hintergrund der Bedrohung durch eine plötzliche Schließung der Theater-Doppelanlage durch den Brandschutz, die
Gewerbeaufsicht, durch bauliche Defekte, durch Unmöglichkeiten von Reparaturen und Unvorhergesehenes (wie z.B. Brand durch Brandstiftung). Aber ohne Einschränkungen während der Bauphase werden die neuen Spielstätten nicht zu haben sein, gleich ob mit oder ohne Interimstheater. Ein zeitnahes Umziehen in neue Spielstätten unter Vermeidung von Interimslösungen, oder allenfalls von wenigen qualitativen Einschränkungen, hat sich zum Postulat der Intendanten, der Belegschaft, der Künstler etc. entwickelt und damit auf viele Entscheider in der Stadtpolitik übertragen. So kommt es, dass nach dem ,,geglückten Deal“ eine Zeitschiene vorgestellt wurde, die völlig außer Acht lässt, dass die Zeit-Eckdaten, die auf ersten Einschätzungen beruhen und keine Reserve für Unvorhergesehenes enthalten, den Fokus auf das Phantastische des urplötzlich Machbaren legt, und unvorhergesehene Entwicklungen ausblendet.

Ein Beispiel wäre das Scheitern des Baureifmachens des benötigten Erbpacht- Grundstücks für das Schauspiel im Jahr 2027. Hier hat die Stadt Frankfurt keine Chance auf Zugriff und selbstbestimmtes Handeln. Sie ist eben nicht Grundeigentümer und kann den Verlagerungsprozess von Arbeitsplätzen der Frankfurter Sparkasse (von Kündigungen soll hier nicht die Rede sein, auch wenn sie Folge des Deals mit der Stadt Frankfurt sein können) und den Abriss des Gebäudes nicht beeinflussen, geschweige denn bei Verzögerung, die auch nicht in der Macht der Sparkasse liegen muss (im Baugeschäft kommt dies auch immer wieder vor), beschleunigen.

Und damit steht und fällt die Zeitmatrix, die den Abschluss sämtlicher Bauleistungen, Logistikverträgen, Umzugs- und Spielplänen miteinschließt. Warum also ohne Not sich zeitlich (auch logistisch und finanziell, letztendlich auch im sozialen Gefüge der eigenen Mitarbeiter*lnnen) an Dritte binden?

Doch nehmen wir an, die Dinge laufen wie geplant:

2023 Vereinbarung Sparkasse, HELABA und Stadt durch Letter of lntent

2024 Ausschreibung des Wettbewerbs: Oper, Schauspiel, event. mit Hochhaus

2027 Abriss der Sparkasse Neue Mainzer Straße

2031 Fertigstellung des Schauspiels als Interimsspielstätte für die Oper mit einem rückbaufähigen Orchestergraben und nur 700 Plätzen, der Hälfte der jetzigen Platzzahl, ohne Drehbühne. Es ist sehr verwunderlich, dass der Opern-Intendant sich nicht meldet. Hier wird Geld verschwendet: Rückbau Orchestergraben, endgültiger Ausbau zum Schauspiel. Interimskosten eben, die anfallen, die man aber bei einem echten Bekenntnis zum lnterimsbetrieb der Oper besser anlegen könnte und kostbare Zeit sparen würde.

2031 Umzug des Schauspiels zur Interimsstätte Bockenheimer Depot

2032 Abriss der Doppelanlage

2037 Oper fertig und Umzug aus dem neuen Schauspiel/Einzug am W-B-Platz

2037 Rückbau/Umbau/Ausbau Schauspiel

2038 Umzug Schauspiel aus dem Depot, Einzug ins Schauspiel Neue Mainzer.

Wie gesagt: Wenn alles gut geht!

Dreierlei ist auffällig:

Es spielt keine Rolle mehr, wieviel Zeit vergeht hinsichtlich der von Stilllegung gefährdeten Doppelanlage. Von Zeitnot ist keine Rede mehr. Phantastische Lösungen winken. Von einem Tag auf den andern sind 15 Jahre, von heute an bis zum endgültigen Betrieb der neuen Spielstätten, kurz genug, um den Notfall im maroden Haus zu überstehen. Und mögliche Verzögerungen, auch wenn man vom Grundbesitz Dritter abhängig ist, kommen nicht in den Sinn.

Es scheint, als hätten die Entscheider ihr ungeschriebenes Ziel erreicht, um sich von der ungeliebten Doppelanlage zu trennen. Alle gefundenen Argumente für den Abriss waren willkommen. Die Theater sind getrennt wie vor dem 2. Weltkrieg. Synergien gehen verloren. Das Grün der Wallanlagen wird vermehrt. Was sowieso gehen könnte, wenn man nur wollte. Die Schließung des maroden Hauses kommt angeblich nun nicht mehr vor. Die Kosten spielen keine Rolle, die Rechnungen, obwohl sie um mindestens 500 Millionen Euro geschönt sind zugunsten der Kulturmeile, sind Peanuts.

Und die Problematik, die nie erwähnt und immer verschwiegen wird: Das Schauspiel, das Sprechtheater in dieser multikulturellen Stadt, das immer schon Aushängeschild der politischen, aufgeklärten und fortschrittlichen Haltung der Stadt war, kommt, wie immer, bei allen Deals schlecht weg und zieht die Arschkarte.

Schon nach dem Brand der Oper im November 1987 wurde es in seiner Spielstätte durch die Domizil-beanspruchende Oper eingeengt und letztlich vertrieben. Auch wenn als Folge der Querelen eigens für das Schauspiel das Bockenheimer Depot in Windeseile hergerichtet wurde (von dem nach Rück-Umzug das Forsythe-Tanztheater profitierte).

Jetzt wird für das Schauspiel eigens ein neues Haus zwischen seelenlose Bankentürme gebaut, denen es auch noch die Kultur vor die Haustür legen soll. Das Sparschweintheater als Katalysator für die Kulturalisierung der Bankenwelt? Der gute Deal mit neudeutscher Haltung und profanem Gesicht.

Und obendrein zieht dann das Schauspiel-Ensemble am 2031 fertiggestellten Schauspiel-Haus vorbei ins Interimsdepot, während die Oper die neue Spielstätte einweihen und fünf Jahre lang bespielen darf. Ätsch! Warum Iassen sich Ensemble, Schauspiel-Bedienstete und Schauspiel-Intendant diese so sichtbare Verzerrung der Bedeutung von zwei bedeutsamen Institutionen überhaupt bieten? Geht „Oper des Jahres“ vor? Wo bleibt denn der Solidaritätsgedanke, der zur offenen Kultur führte, der sich in den sechziger Jahren im Bau der Doppelanlage ausdrückte und in allen Jahren danach mit Beschäftigten, Ensembles und begeistertem Publikum zu Höchstleistungen von drei Sparten führte, ohne dass eine davon das Schild ,,Oper des Jahres“ vor ihre Tür hängen musste.

Dieser Solidaritätsgedanke der Gleichheit im Miteinander von drei Sparten, von gemeinsamen Werkstätten, Probebühnen, Lagerräumen, von gemeinsam betriebener Kulturarbeit für Millionen von Besuchern, Zuschauern und Zuhörern – und nicht zu verschweigen – mit der Effektivität und der Wirtschaftlichkeit des gemeinsamen Hauses ausgestattet, wird mit dem Abriss der Doppelanlage und der Aufteilung in zwei „moderne“ Häuser, mit abgerissen und nicht wieder bringbar für alle Zukunft beseitigt.

Der Solidaritätsgedanke, den insbesondere zwei Parteien, SPD und die Grünen, immer wieder als ihr wesentliches Grundprinzip vom Miteinander in der städtischen Gesellschaft, ihre DNA, als inneren Kern ihrer politischen Seele behaupten, wird mit dem Abriss der Doppelanlage getilgt wie im Handumdrehen und mit dem Abriss der gebauten demokratischen Idee symbolisch herausgerissen aus dem Konsens der Frankfurter Bürger*lnnen Gemeinschaft. Nun gut: Neoliberalismus und Individualität sind in Frankfurt längstens am Start. Warum nicht die neue Kultur der Deals zum Frankfurter Weg in die Zukunft machen? Der Frankfurter Oberbürgermeister und seine Kulturdezernentin scheinen in der Spur zu sein, die rote und die grüne Partei ebenso.

Nur noch ein Haus von beiden Theatern wird sichtbar bleiben, weil es am ehemals sorgfältig gewählten Platz, nur leider aus seiner Geschichte herausgelöst nach Osten verschoben, stehen soll. Es war ja einst das Schauspiel, das 1902 die prominente Stelle der zum Bahnhof strebenden Stadt markieren sollte.

Nur um nicht missverstanden zu werden: Kaiser Wilhelm wieder aufzubauen, soll hier nicht als Wunsch über die Lippen kommen. Hier würde also, wenn der Deal des Oberbürgermeisters und seiner Kulturdezernentin in die Realität umgesetzt würde, wieder das Schild vor der Haustür hängen: „Oper des Jahres 2037“, wenn alles gut geht.

Das Schauspiel, das die hinterste Karte, wie oben beschrieben, im Deal gezogen hat, würde als Sparschweintheater zwischen den Bankentürmen sich zwar schwer sichtbar wegducken, aber auf der als sicher behaupteten Werbefolie einer zukünftigen Kulturmeile immer wieder dafür werben können, seine im Jahre 2038 erhaltenen 800 Sitzplätze zu füllen. Das wird im Sinne der Wirtschaftlichkeit auch so kommen müssen.

Guter Deal, oder doch nicht?

Können wir nur meckern?

Oder können wir positiv denken und handeln?

Um dem Zuschreiben einer hier vorliegenden Polemik gegen Parteien, Berater, Entscheider und Theaterleute vorzubeugen, folgt hier der Vorschlag zur Abhilfe vom missglückten und mitunter auch gefährlichen Deal. Der Oberbürgermeister, der Deals scheinbar kann, könnte den Coup landen, der der Stadt Frankfurt und seinen Bürger

lnnen, aber auch einigen kulturellen Akteuren und politischen Entscheidern zum großen Nutzen und Wohle dienen würde. Zwei Voraussetzungen sind nötig:

Das Bekenntnis zu einer neuen, multifunktionalen Gesamt-Theateranlage (nicht Doppelanlage!) am alten Standort, die die besten Architekten der Welt erfinden und entwerfen sollen – und der beste Entwurf für Frankfurt und seine Kultur soll im Jahre 2024 den internationalen Wettbewerb gewinnen.

Die Erfindung einer Interims-Spielstätte für die Oper mit mindestens 1000 Plätzen, einem Orchestergraben und der am alten Standort, in der Spielzeitpause vor dem Umzug auszubauenden (denkmalwürdigen) Doppeldrehbühne (38 m, 16 m), die noch vor Spielzeitbeginn am Interims-Standort eingebaut wird.

Wenn es den Ort gäbe, und hier müsste der Oberbürgermeister mit all seinem Geschick und seiner Erfolgsorientierung, die er zweifelsohne hat, mit dem Eigner von Grund und Boden verhandeln (dass er das kann, hat er unter Beweis gestellt), um folgenden Zeitplan zu erreichen: 2023 Verhandlungen mit dem Eigner des Bau-Grundstücks am Opernplatz

2024 Vertragsabschluss und Ausschreibung Wettbewerb lnterims-Oper

2024 Ausschreibung Wettbewerb: Neue Häuser auf eigenem Grund, W.B.Platz

2026 Bau der Interimsspielstätte, im Sommer Umzug der Drehbühne

2026 Herbst: Umzug/Einzug der Oper in die Interimsspielstätte am Opernplatz

2026 Umzug Schauspiel: Depot Bockenheim, Naxoshalle (überfällige Sanierung)

2027 Abriss und Teilerhalt (Sicherung von wertvoller Substanz) Doppelanlage.

2028 Beginn der Baumaßnahmen mit hochkarätiger Steuerung der Baustelle

2033 Fertigstellung Neubau mit Werkst., Probenr., Büros, Wohn., Gastr., Öff.Flä.

2033 Herbst: Einzug aller Sparten und Beginn Spielbetrieb.

Kommentar: Wir hören schon den Aufschrei der Stabsstelle: Das freie Grundstück am Opernplatz wurde bereits intensiv untersucht! Es ist für das neue Schauspiel nicht geeignet! Um Missverständnissen vorzubeugen: Es handelt sich ein Interimsprojekt. Die Maße für eine Interimsoper sind ausreichend (geprüft).

Und dies wäre der Benefit: Fünf Jahre Zeit gespart (W.B.-Platz 10; Kulturmeile 15). Die kritische Zeit für den Noch-Spielbetrieb im maroden Haus würde auf drei Jahre verkürzt. Verlorene Kosten für Sparkassendeal und Mangel-Interimslösung wären gut investiert. Diese städtebauliche Lösung macht die Aufwertung von Opernplatz und W.B.-Platz schon mittelfristig wirksam. Die Verfahren ruhen insgesamt in eigenen Händen, kein beteiligter Dritter sorgt für unangenehme Überraschungen in der Planungs-Logistik! Nachnutzung oder Verkauf der Interimsspielstätte ist sehr wahrscheinlich. Entweder es kommt zum Kauf des Grundstückes am Opernplatz und es erfolgt eine spätere Übernahme durch die Alte Oper. Oder es ergeht eine faire Mietzahlung an den Investor für das Grundstück und die gepachtete Halle auf 10 Jahre.

Der Coup gelingt nur, wenn alle Beteiligten davon überzeugt sind und diesen auch wollen. Das Entscheidende dabei ist die Möglichkeit zur Entwicklung einer Theaterkultur, im Rahmen von neuen öffentlichen Nutzungen am stadteigenen, allseits bekannten Standort, dessen öffentliche Sichtbarkeit, die Gunst der Lage und Prominenz der räumlichen Umgebung, auch die Nähe zum Main, einmalig für die Zukunft der Stadt ist und außerdem fest auf der Entwicklungsgeschichte von Frankfurt basiert.

Die Öffnung des Hauses, das Ausstatten mit öffentlichen Begehbarkeiten, von Gastronomie bis Film- und Medien-Werkstätten und -Archiven, mit „hängenden Gärten“, Gästewohnungen und Büros in aufgestockten Bühnentürmen, mit einer Neuordnung der bühnenbezogenen und niveaugleichen Werkstätten, der Aufstockung des gesamten Bauwerks im Kontext der umgebenden Entwicklung und im Zusammenspiel mit den umgebenden Hochhäusern. Auch Hallentheater kann möglich werden, etwa durch saisonalen Zusammenschluss der Guckkasten-Bühnen der beiden Häuser zu einer zu erfindenden großen Halle, die es in dieser Dimension in Frankfurt nicht gibt. Die Entwürfe und die Bilder wird ein internationaler Wettbewerb liefern. Und das ist dringend und wichtig, um nach dieser langen Zeit der festgefahrenen Standortsuche wieder ins Kreative, endlich wieder ins Offene zu kommen. „Komm ins Offene“‚, sagt Hölderlin, und es ist in seiner Bedeutung zu verstehen als: „Reden wir von der Sache!“

Nur noch einen Wunsch hierzu: das Schauspiel möge aus der hinteren Reihe eben in dieses Offene treten und nach Fertigstellung der neuen Häuser zu seinem ursprünglichen Standort von 1902 zurückkehren. Dem neuen Gebäude muss man ja nicht die Pickelhaube des deutschen Kaisers aufsetzen! Und noch ein Vorschlag: Das Schauspiel hat die Kraft und das Potenzial, in der Stadt während der Interimszeit offen werbend für Kunst und Kultur unterwegs zu sein. Das ist nach dem Brand der Oper im Stadtteil Bockenheim ausnahmslos geglückt. Der Kulturcampus, auf den alle warten, ist eine Folge dieser kulturellen ,,Eroberung“ des Stadtteils, und eine weitere Folge war die Rettung und Entwicklung des damals vom Verfall bedrohten Bockenheimer Straßenbahn- Depots.

So könnte die Naxoshalle, gemeinsam mit dem den Charme der ursprünglichen lndustriekultur bewahrenden Willy-Praml-Theater, zum kraftvollen Spielort der Sprechbühne werden, denn er fordert zum ästhetischen Widerstand heraus. Die dringende Sanierung der Außenhaut, unter Wahrung des inneren industriellen Charakters, könnte die Millionen gut gebrauchen, eher als dass sich die Sparkasse die Millionen des durch den Deal verlorenen Erbpacht-Zins der Stadt Frankfurt einverleibt.

Ein Haken bleibt bei allen schönen Ideen und stimmigen Argumenten. Die Stadt Frankfurt hat den Kauf des freigeräumten Baugrundstücks am Opernplatz versäumt. Um nicht vor dem Hintergrund des Bedarfs an realistischen Interims-Grundstücken zu sagen: verschlafen! Im Gegenteil, der private Kauf wurde durch Äußerungen des vorangegangenen und gegangenen Oberbürgermeisters noch beflügelt durch den Hinweis, ein Hochhaus sei an dieser Stelle möglich. Hier blieb die zuständige städtische Verwaltung entscheidungsfest, auch zum Schutz der Alten Oper und des Opernplatzes vor Verschattung und aufdringlicher Umwelt-Entwertung.

Man hört, dass nun ein Bauantrag zur Genehmigung vorliegt. Ein renommierter Frankfurter Architekt mit dem guten Händchen für Ort, Stadt und Situation, hat wohl einen passenden Entwurf für einen Kommerzbau in passender Höhe zur Umgebung geliefert und einen entsprechenden Bauantrag eingereicht. Der neue Oberbürgermeister, der schon als Stadtplanungsdezernent diesen Fall und die Akteure kennen gelernt hatte, könnte hier zum Wohle der Stadt Frankfurt und ihrer kulturellen Entwicklung Wunder bewirken, oder wie die FAZ es ihm zuschreibt, einen Coup landen, wenn er das einem städtischen Kauf entgangene Grundstück dem Eigner, der sein Hochhaus ohnehin nicht bauen kann, abverhandeln und zu einem fairen Preis abkaufen würde.

Oder den Eigner zu einer Investition in einen lnterimsbau für die Frankfurter Oper veranlasst, den er zu einer fairen Pacht auf fünf Jahre überlässt. Anschließender Verkauf oder auch Verpachtung an die Alte Oper, die mit Kusshand für eine adäquate Nutzung sorgen würde, wäre gesichert. Es wäre zu schön um wahr zu sein. Doch durchaus vorstellbar und machbar! Der Oberbürgermeister möge in diesem Sinne verhandeln. Die große Überschrift der FAZ wäre ihm sicher:

Meisterstück des Oberbürgermeisters – Zukunft des neuen Theaters gesichert – Wie die Wolken im Foyer vor Freude nun tanzen –

Dieser Beitrag zur Debatte um die Zukunft der Städtischen Bühnen basiert auf zahlreichen Interviews, Recherchen und dem Wissen zu dem Brand durch Brandstiftung der Frankfurter Oper am 11.11.1987 („Vision eines Theatergebäudes in einem großen Park am Main“, FR vom 5.5.1988), dem Beitrag zur aktuellen Debatte „Luft nach oben“ (Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt, 5.5.2023)) sowie zahlreichen Gesprächen mit Freunden und Kollegen zu diesem Thema. Er versteht sich als eine kritische Position im kreativen Streit um die Zukunft der Theater in dieser Stadt.

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