jedermann (stirbt) , Ferdinand Schmalz / Regie: Jan Bosse, Heiko Raulin, Foto: Arno Declair
Seit Kriegsende handeln Inszenierungen an Schauspiel und Oper Frankfurt nicht nur das Demokratieverständnis in der eigenen Stadt aus, sondern auch weit über deren Grenzen hinaus.
In den Tagen unmittelbar nach Kriegsende 1945 war die Sehnsucht der Frankfurter, dem Theater mit seinen hoffnungsvollen Utopien beizuwohnen, besonders groß. Noch in den Trümmern spielte man bereits Theater, inszenierte Oper: Im Börsensaal, in einer Turnhalle in Sachsenhausen, im Klostergarten des Karmeliterklosters und im Sendesaal des Hessischen Rundfunks. Heinz Hilpert lotste als Intendant die Bühnen sicher durch die schwierige Zeit, bis er 1948 selbst aus dem Amt ausstieg, da er sich vom Politpersonal nicht korrumpieren lassen wollte. 1963 wurde schließlich die Theaterdoppelanlage für Oper und Schauspiel eingeweiht, wie sie noch heute besteht. Mit Einweihung des neuen Baus nahm Intendant Harry Buckwitz (1951-1968) zunehmend Kurs auf das politische Theater. Allein fünfzehn Werke Brechts kamen in seiner Ära auf die Bühne. Das Foyer von ABB Architekten als „Zwischenbereich der Musen“ unterstützte ihn bei diesem Bemühen nachhaltig, schob sich doch das „Frankfurter Querschiff“ mit Zoltan Keménys Goldwolken, so H. Buckwitz in der Eröffnungsbroschüre, als vermittelnder weiterschwingender Erlebnisraum zwischen Straße und Bühne.
Das Mitbestimmungsmodell an beiden Bühnen
In der aufreibenden Zeit der aufklärerischen 1970er Jahre brachte sich die Doppelbühne in Frankfurt am Main mit einem besonderen Modell in die kulturpolitische Diskussion ein: Vom Frankfurter Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann unterstützt, führte man am Schauspiel sowie an der Oper Frankfurt von 1972 bis 1981 das Mitbestimmungsmodell ein. Für das Schauspiel wurde der Generalintendant abgeschafft und anstelle seiner ein Dreierdirektorium sowie ein Künstlerischer Beirat eingesetzt, die über die Geschicke des Spielbetriebs entschieden. Spielplangestaltung, Besetzungen, Engagements, Urlaube standen plötzlich zur demokratischen Abstimmung. Für die Oper wurde das abgemilderte Mitbestimmungsdekret eingeführt. Das Mitbestimmungsmodell in Frankfurt sollte auf die gesamte Theaterszene in der Bundesrepublik ausstrahlen und veränderte maßgeblich die Spielpläne, so wie Brecht es einst formuliert hat: „Dass das moderne Theater (…) nicht danach beurteilt werden (muss), wieweit es die Gewohnheiten des Publikums befriedet, sondern danach, wieweit es sie verändert.“
Das Schauspiel wurde nun von einem Dreierdirektorium um Peter Palitzsch (1972-1980) geleitet, den der Magistrat vom Stuttgarter Staatstheater holte und der seine gesamte Gefolgschaft mitbrachte. Brecht-Schüler Palitzsch verstand Theater so wie sein Lehrer: „Der Gesellschaft muss klar sein, dass sie nicht dafür zahlt, dass wir sieverherrlichen, sondern dass wir einen demokratischen Prozess aufrechterhalten, das heißt, alles bekämpfen, was zu Entdemokratisierung, zu Starre und Niveauschwund führen kann..“ Für Palitzsch war Theater „ein Instrument der Emanzipation und ein Ort der Freiheit“, wie Hilmar Hoffmann nachblickend beschrieb. Das führte allerdings dazu, dass das Theater abrupt 4.000 Abonnenten verlor. Und nur durch das Gutdünken von Hilmar Hoffmann konnte Palitzsch weitermachen, denn dem damaligen OB Walter Wallmann gefiel das Treiben des freigeistigen Theaterregisseurs kaum.
Unter Palitzsch wurde auch das Stück „Vielen Dank, Sie werden von uns hören“ aufgeführt. Es war eine Reaktion auf die Entlassung zweier Lehrerinnen an der Ernst-Reuter-Schule wegen Kommunismusverdachts, Folge des Radikalenerlasses von Willy Brandt. Nach Aufführungen in der Schulaula kam es auf den Spielplan des Schauspiels – und wurde dort gegen Protest der CDU aufgeführt. Damit zeigte der Regisseur, wie sich Theater in den demokratischen Prozess einbringen kann. In der Phase der Mitbestimmung arbeiteten unter anderem die Regisseure Hans Neuenfels, Klaus Michael Grüber, B. K. Tragelehn oder Horst Zankl am Schauspiel Frankfurt. Zum Ensemble gehörten u.a. Susanne von Borsody, Rosemarie Fendel, Elisabeth Schwarz, Elisabeth Trissenaar, Josef Bierbichler, Traugott Buhre, Willfried Elste, Heinrich Giskes, Ernst Jacobi, Peter Kremer, Paulus Manker, Peter Roggisch, Fritz Schediwy und Siggi Schwientek. Dieses in Deutschland einmalige Mitbestimmungsmodell wurde unter dem Direktorium von Wilfried Minks und Johannes Schaaf in der Spielzeit 1980/81 fortgesetzt. Allerdings zerstritten sich die beiden. Als Wilfried Minks die Theaterbesetzung durch die RAF duldete, wurde das Haus am 21. März 1981 polizeilich geräumt. Das Mitbestimmungsmodell war damit beendet.
Fassbinders „Der Müll, die Stadt und der Tod“
Nach Adolf Dresen (1981-1985) wurde Günther Rühle (1985-1990) für fünf Jahre Intendant des Schauspiel Frankfurt. Kurz nach Amtsantritt geriet die für den 1. Oktober 1985 geplante Erstaufführung von Fassbinders „Der Müll, die Stadt und der Tod“ zum Theaterskandal. Es sollte ursprünglich am TAT aufgeführt werden; als dies scheiterte und auch die Inszenierung an der Alten Oper nicht zustande kam, entschied sich Rühle dazu, es im Schauspiel zu zeigen. Zuschauer besetzten die Bühne und hinderten die Darsteller am Weiterspielen, Vertreter der jüdischen Gemeinde entrollten ein Transparent, auf dem stand: „subventionierter Antisemitismus“, weil das Theaterstück als antisemitisch empfunden wurde. Die sich daran anschließende bundesweite Debatte markierte eine Zäsur im Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden in Deutschland.
Dynamischer Wechsel
Auch in der Nachfolge von Rühle hatten es die beiden Häuser schwer, Ruhe in die Chefetage hineinzubringen. Nach weiteren Querelen riss Petra Roth 1996 die Kompetenz über die Kernbereiche der Kultur – Oper, Schauspiel, Kammerspiel, Ballett und das angehängte TAT – an sich. Unter den Bühnenintendanten Elisabeth Schweeger (2001-2009) und Oliver Reese (2009-2017) öffnete sich das Schauspiel zunehmend in Bezug auf das Repertoire. Schweeger spielte ein breites Programm, das auch philosophische Salons integrierte. Der Zuspruch vom Publikum war jedoch bescheiden. Unter Reese sprang die Zuschauerzahl dann nach oben. Sein Konzept: Er stellte die Schauspieler in den Mittelpunkt, kreierte selbst Stars. Seit 2017 nun hat Anselm Weber, der frühere Intendant der Sprechtheater in Essen und Bochum, die Intendanz inne.
Oper Frankfurt
Bis zur Einführung des Mitbestimmungsmodells waren Schauspiel und Oper unter einer Intendanz. Ab 1972 wurde der Generalmusikdirektor zugleich Intendant der Oper, seit 1990 gibt es neben dem Generalmusikdirektor jeweils einen eigene Opernintendanz. Bernd Loebe leitet die Oper seit 2002 als Intendant. Die Oper Frankfurt mit der weltweit größten Drehbühne wurde viermal, zuletzt 2018, von der Zeitschrift Opernwelt als „Opernhaus des Jahres“ ausgezeichnet.
Mit den musikalischen Leitern des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters verbinden sich große Namen. Nach dem zweiten Weltkrieg haben Georg Solti, Christoph von Dohnányi, Michael Gielen, Sylvain Cambreling und Paolo Carignani als Generalmusikdirektoren der Oper Frankfurt das Frankfurter Musikleben und das Orchester nachhaltig geprägt. Seit September 2008 liegt die musikalische Leitung in den Händen von Sebastian Weigle.
Der Chor der Oper Frankfurt, seit 2014 unter der Leitung von Tilman Michael, gehört zu den großen Opernchören in Deutschland. Dadurch können die großen Chorpartien der Opernliteratur aus eigenen Kräften beziehungsweise gelegentlich auch mit Hilfe des Extra-Chores erfolgreich bewältigt werden.
Ballett Frankfurt
Bis 2004 gab es auch eine Ballettkompanie an den Städtischen Bühnen, die sich durch die Direktoren wie John Neumeier (1969-1973), Alfonso Catá (1973-1976), Egon Madsen (1981-1984) einen Namen machte. Von 1985 bis 2004 war der amerikanische Choreograph William Forsythe zunächst künstlerischer Direktor, später Intendant des Ballett Frankfurt. Forsythe steht weltweit für zeitgenössischen Tanz von exponierter, wegweisender Qualität. Forsythe entwickelte für die Kompanie eine neue Struktur und ein eigenes Repertoire mit unverwechselbarem Stil. Damit etablierte sich das Ballett sowohl in Frankfurt als auch mit internationalen Gastspielen weit über die Grenzen Frankfurts hinaus.
Die nach der Schließung der Sparte entstandene The Forsythe Companywurde vom Land Hessen, dem Freistaat Sachsen und von den Städten Dresden und Frankfurt zusammen finanziert. Die Company heißt seit 2015 Dresden Frankfurt Dance Company, in Frankfurt dient das Bockenheimer Depot als Spielstätte. Das Bockenheimer Depot dient seit Ende des Interims 1991, ausgelöst durch den Opernbrand, darüber hinaus auch dem Schauspiel und der Oper Frankfurt als experimentelle Spielstätte.
Neue Formate
2007 hat Alexander Brell unter dem Co-Intendanten des Schauspiels Wilfried Minks den so genannten Jugendclub, das Laienensemble am Schauspiel Frankfurt, gegründet. Der Jugendclub will laut eigenen Darstellungen allen jungen Frankfurter mit jeglichem kulturellen Hintergrund einen Zugang zum Kunstraum Theater verschaffen: „Hier treten Menschen miteinander in Austausch, die sich sonst nicht begegnet wären. In eigenen Theaterprojekten auf verschiedenen Bühnen finden ihre Erfahrungen und Perspektiven den Weg in die Öffentlichkeit. In Zukunftslaboren, bei Theateraktionen in Schulen, im Stadtraum und in der aktiven Auseinandersetzung mit den Inszenierungen im Schauspiel Frankfurt werden Weichenstellungen infrage gestellt und neue Perspektiven entwickelt von heute für morgen.“
Am 8. April reagierte Kulturdezernentin Ina Hartwig und Stabsstellenleiter Michael Guntersdorf mit ausführlichen Statements gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf unsere Petition, wobei sie mit irreführenden und auch unzutreffenden Behauptungen die von uns geäußerte Kritik zu entkräften versuchten. Hier die Erwiderung von Maren Harnack, Nikolaus Müller-Schöll, Philipp Oswalt und Carsten Ruhl als Initiatoren der Petition ‚Zukunft der Städtischen Bühnen Frankfurt am Main‘//
Planungsprozess
Die Darstellung von Kulturdezernentin Ina Hartwig und Stabsstellenleiter Michael Guntersdorf, die Stadtverordneten seien vor ihrem Beschluss am 30.1. ausreichend fachlich informiert gewesen und die Öffentlichkeit habe Zugang zu allen Informationen gehabt, widerspricht unseren Recherchen. Für ihren Beschluss lagen den Stadtverordneten nur die 5-seitige Presseinformation sowie die dazugehörigen Präsentationsfolien der Pressekonferenz vom 23.1. vor, was auch mehrere Abgeordnete in der Debatte beklagten. Ein 16-seitiger Bericht der Stabsstelle wurde erst am 10.2.2020 nachgereicht. Der im Stadtparlament am 30.1.2020 verabschiedete Beschlussantrag weist eine Begründung von sieben Zeilen auf und wurde in den Fachausschüssen für Kultur und Planung nicht vorab behandelt, obwohl diese beide 14 Tage zuvor getagt hatten. Ein Antrag für ein transparentes Verfahren hatte die Römerkoalition gegen die Stimmen der Opposition bereits im April 2018 abgelehnt. Der Grundsatzbeschluss für das Milliardenprojekt war den Abgeordneten am 30.1.2020 kurz nach 10 Uhr bekannt gemacht worden und wurde in der nur sechs Stunden später beginnenden Stadtverordnetenversammlung verabschiedet.
Auch im Nachgang wurden die beiden maßgeblichen Abschlussberichte des Planungsteams und des Evaluierungsteams – anders als die Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2017 – nicht veröffentlicht. Während Guntersdorf in der Presse bekundet, „alle hätten jederzeit die Gelegenheit gehabt, Informationen anzufordern“ und die „Berichte können jederzeit in der Stabsstelle eingesehen werden“, hat er im Februar 2020 Fragen nach den Berichten „mangels einer Ermächtigungsgrundlage“ bzw. wegen zu großem Aufwand kategorisch abgewiesen. Eine erneute Anfrage ist bislang noch nicht beantwortet.
Es ist zweifelhaft, dass der Bericht der Stabsstelle von Februar 2020 umfassend und sachlich objektiv informiert. Der Leiter der Stabsstelle Michael Guntersdorf, zuvor verantwortlich für den Bau der Neuen Altstadt, hat aus seiner negativen Einstellung zum bestehenden Theaterbau von 1963 nie einen Hehl gemacht. Das Glasfoyer sei – so Guntersdorf – ein „Zufallsprodukt“, das sich aus der Gebäudestruktur ergeben und nichts mit demokratischem Aufbau zu tun gehabt habe. Es sei „tagsüber ziemlich trostlos und gewinnt nur abends – wie bei einer Kneipe.“ Sein Fazit bereits im Juni letzten Jahres: „Die Kiste hat sich überholt.“
Architektur
Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass es den damaligen Architekten der Städtischen Bühnen trotz der schwierigen Ausgangslage gelungen war, das Nebeneinander aus Theaterruinen und Behelfsbauten in eine Geste des architektonischen Neubeginns zu verwandeln. Die eindrucksvolle Ineinanderblendung von öffentlichem und theatralem Raum inmitten der Stadt war Teil einer bewussten Planungs- und Gestaltungsstrategie. Vor allem aber ist sie bis heute Symbol einer Zeit, in der Bildungsinstitutionen noch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Die Platzierung von Bibliotheken, Museen, Theatern und Kunstwerken im Zentrum des städtischen Lebens war nach dem Krieg von der Überzeugung geleitet, niedrigschwellige Bildungsangebote seien für den Aufbau einer neuen Gesellschaft ebenso unverzichtbar wie eine freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die in der Politik heute weit verbreitete Ignoranz gegenüber den baulichen Hinterlassenschaften dieses Anspruches als „Zufallsprodukte“ ist gerade angesichts der massiven Bedrohungen, denen sich unsere demokratische Grundordnung seit einigen Jahren ausgesetzt sieht, alarmierend. Richtig wäre es hingegen, die Städtischen Bühnen als ein für die Moderne seltenes Lehrstück dafür zu betrachten, wie durch den überlegten Umgang mit dem Vorhandenen eindrucksvolle und zeitgemäße Architektur enstehen kann. Dieses Haus mit der tiefsten Sprechtheaterbühne der Republik, mit dem Foyer, aus dem der Blick auf die benachbarte Skyline der Finanzwelt fällt, mit den verwinkelten Gängen und unterschiedlichen Deckenhöhen, die sich nicht zuletzt aus dem Ineinander mehrerer Theaterbauten und der mit ihnen verbundenen Vorstellungen ergeben, bildet als solches – buchstäblich verbautes – die Geschichte ab, die sich an diesem Ort abgespielt hat – mit ihren Höhepunkten in ästhetischer wie politischer Hinsicht, wie auch ihren Tiefpunkten. Wo immer große Arbeiten auf die Frankfurter Bühne kamen, waren diese aufs Engste mit diesem spezifischen Haus, seinen Möglichkeiten wie Grenzen, verknüpft. Die Chance, hieraus für die Zukunft der Städtischen Bühnen zu lernen, so der Eindruck, soll gar nicht erst ergriffen werden.
Denkmalschutz
Es ist vor diesem Hintergrund nur auf den ersten Blick erstaunlich, dass im ganzen Verfahren Fragen des Denkmalschutzes ignoriert wurden. Weder im Bericht der Stabsstellen von Februar 2020 noch in der Machbarkeitsstudie von 2017 wird jemals das Wort Denkmalschutz oder die Namen der damaligen Architekten und Künstler namentlich auch nur erwähnt. Daher liegt der Schluss nahe, dass für die Gutachter das Bauwerk allein eine bautechnische Anlage ist. In welcher Uninformiertheit über denkmalpflegerische Belange das Stadtparlament seine Abrissentscheidung gefällt hat, verdeutlichen Aussagen der verantwortlichen Politiker. So stellt die Fraktion der Grünen im Römer im Februar 2020 fest: „Nach unserem Kenntnisstand steht lediglich das Foyer der Theaterdoppelanlage unter Denkmalschutz. Hier gibt es aber auch anderslautende Informationen, dass es überhaupt keinen Denkmalschutz gäbe.“ Für Planungsdezernent Mike Josef (SPD) basiert „die Grundlage seiner Arbeit und Entscheidung über das Gebäude […] auf der Tatsache, dass das Schauspielhaus oder Teile davon zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht unter Denkmalschutz stehen“ , obwohl Landesdenkmalpfleger Heinz Wionski bereits zwei Jahre zuvor gegenüber Mike Josef klarstellte, dass „das Opern- und Schauspielhaus, zumindest in Teilen, als Kulturdenkmal anerkannt“ sind. Die Hauptkonservatorin der Stadt Frankfurt Main, Andrea Hampel, räumte im Februar 2020 ein, dass auch ohne die bislang unterbliebene Aufnahme in das Denkmalverzeichnis „grundsätzlich ein denkmalrechtlicher Belang“ besteht. Über die Planungen der letzten zwei Jahre wurde das Landesdenkmalamt allerdings erst im Nachgang Anfang März 2020 informiert. Auch die Ergebnisse dieser Konsultation sind bislang nicht veröffentlicht.
Theaterkonzeption
Auch wenn Kulturdezernentin Ina Hartwig ausdrücklich bestreitet, dass sich „die Betrachtung weitgehend in bautechnischen Analysen erschöpft“ habe, so drängt sich doch genau dieser Eindruck auf. Der Planungsprozess zu Sanierung bzw. Neubau der städtischen Bühnen war nicht geprägt durch eine erkennbare Regie der Kulturpolitik. Obwohl 9 Jahre vergangen sind und etwa 8 Mio. Euro für die Planung ausgegeben wurden, gibt es kein Konzeptpapier, welches Ideen für das Stadttheater der Zukunft formuliert. Erst allmählich wurde im Verlauf des Prozesses die Diskussion begonnen, die an seinem Anfang hätte stehen müssen: Wie man sich das Zentrum des intellektuellen und künstlerischen Lebens, welches das Theatergebäude an diesem Ort darstellt, im 21. Jahrhundert vorzustellen hat. Die Entwicklung des Raumprogramms wurde der Unternehmensberatungsfirma M.O.O.CON übertragen, welche sonst vor allem Büroarbeitswelten und Firmensitze konzipiert und im Dialog mit den Städtischen Bühnen die grundlegende Nutzungskonzeption bereits 2017 festlegte. Während das Bestandsgebäude zur Disposition gestellt wird, soll der konzeptionelle Status quo für das Theater zukünftiger Generationen unreflektiert fortgesetzt werden, allenfalls mit quantitativen oder funktionalen Verbesserungen. Der Hauptfokus aller Untersuchungen damals wie jetzt lag auf Fragen von Kosten, Brandschutz, Logistik, Haus- und Bühnentechnik, Tragwerk und Arbeitsstättenrichtlinien. Zu diesem technokratisch anmutenden Vorgehen gesellte sich allein der politische Wunsch nach einem Leuchtturmprojekt, womit Kultur den Prämissen des Stadtmarketings unterworfen wird.
Wo also in Bezug auf die Architektur von einer Ignoranz gegenüber dem Bestehenden gesprochen werden muss, ist in Bezug auf die Theaterpraxis eine Ignoranz gegenüber Fragen nach dringend benötigten neuen Perspektiven zu konstatieren. Dabei wäre es gerade in Frankfurt, wo in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Theater neu und anders erfunden wurde und man sich nie einfach ans vermeintlich gute Alte klammerte, unbedingt notwendig, die Diskussion grundlegender zu führen: Ist es noch gerechtfertigt, eine einzige Kunstform gegenüber allen anderen derart zu privilegieren? Würde ein Stadttheater der Zukunft nicht viel eher der mit dieser Institution verbundenen Idee des 18. Jahrhunderts gerecht, wenn es zum Zentrum aller mit Öffentlichkeit verbundenen darstellenden Künste würde? Warum wird nicht – eine Idee Alexander Kluges aufgreifend – ein Neubau des Theaters mit dem ebenfalls anstehenden Neubau der Universitätsbibliothek verknüpft? Warum trennt man Theater baulich wie bei der Subventionierung von Popkultur und Literaturveranstaltungen ab? Müssten in Zeiten der Globalisierung und einer längst durch vielfältige Migrationen veränderten Gesellschaft, wie sie sich insbesondere in Frankfurt mit einem Anteil von Bürger*innen mit Migrationshintergrund zwischen 60 und 80 Prozent zeigt, nicht auch anderen Akteuren die Bühnen geöffnet werden? Weiter wäre die Frage zu stellen, ob Ensemble- und Repertoire-Theater heute noch zeitgemäße Formen der Führung einer solchen Institution sind und wie der Austausch des Hauses mit anderen Häusern im In- und Ausland vereinfacht und die Bühnen für Künstler aus dem globalen Süden geöffnet werden können.
Das Festhalten am Status quo wird am grotesken Umgang mit der Frage des Interims deutlich. Die Opernintendanz erwartet, im Interim den gegenwärtigen Spielbetrieb möglichst unverändert fortsetzen zu können. Um die Bühnenbilder des bestehenden Repertoires weiter unverändert nutzen zu können, bedarf es einer Drehbühne von 38,5 Meter Durchmessern, die in Kosten von € 70 Mio. für das Interim resultieren, welche wiederum von der Politik als nicht vertretbar gelten. Daraus folgt– bei allen sonstigen Meinungsverschiedenheiten einhellig – die Auffassung: Es darf für die Oper kein Interim geben, deswegen muss die Oper auf einen neuen Standort umgesiedelt werden. Dass viele Operngebäude in den letzten Jahrzehnten erfolgreich saniert worden sind und es weltweit bislang kein Operninterim mit einer Drehbühne gegeben hat, ist den Frankfurter Politikern vermutlich nicht bekannt.
Städtebau
Darüber hinaus ist die städtebauliche Dimension der mit dem Neubau oder der Sanierung verbundenen Fragen erst in rudimentären Ansätzen diskutiert worden. Der augenblicklich diskutierte Vorschlag, beide Häuser gegenüberliegend am Willy-Brandt-Platz zu platzieren, ignoriert etwa die Tatsache, dass gerade hier der Anlagenring für Fußgänger, Radfahrer und Benutzer der Tram als attraktiver Grüngürtel erfahrbar ist. Dass sich diese Situation durch den Bau eines Theaters in der Grünanlage erhalten, vielleicht garverbessern lassen könnte, ist eine Illusion, müsste hier doch neben dem Gebäude selbst auch die wenig ansehnliche Anlieferung untergebracht werden; ebenso problematisch ist die Vorstellung dass sich der Verlust an Grünfläche durch bessere Qualität ausgleichen lasse, ein Argument mit dem übrigens auch an anderer Stelle in Frankfurt dafür geworben wird, bisher öffentlichen Raum zu bebauen (Goetheplatz, Konstablerwache, Paulsplatz). Die Qualität der Grünflächen am Anlagenring ist hoch. Eine Intensivierung ihrer Nutzung durch bauliche Interventionen führt nicht zu ihrer Aufwertung, sondern beschädigt ihre Aufenthalts- und Nutzungsqualitäten. Das Gegenüber von Oper und Schauspiel, das die Bebauung des Anlagenrings mit sich brächte, scheint für viele ohne weitere Diskussion auch für den Willy-Brandt-Platz vorteilhaft, weil dann ein klar gefasster Raum entstehe. Dass Stadträume grundsätzlich besser seien, wenn sie „gefasst“ sind, und dass es darum vorteilhaft wäre, den Willy-Brandt-Platz zum Anlagenring hin zu bebauen, ist eine ideologisch gefärbte Behauptung – denn die Verbindung von städtischem Platz und landschaftlich geprägtem Park folgt hier einer klaren und auch heute noch erlebbaren stadträumlichen Konzeption, in der das Wolkenfoyer das Ende des Anlagenrings markiert und sich gleichzeitig zu diesem hin öffnet. Stattdessen auf das städtebauliche Repertoire des neunzehnten Jahrhunderts zurückzugreifen, dokumentiert einen Mangel an historischem Verständnis und zeigt einmal mehr, wie sehr das baukulturelle Erbe der Nachkriegszeit unter Druck steht, nicht nur die Gebäude, sondern auch die öffentlichen Räume.
Unsere Antwort ist ausdrücklich als Aufruf gedacht, die dringend notwendige Debatte über das im Zentrum der Stadt neu zu definierende Gebäude für Theater und Oper im 21. Jahrhundert nicht zu früh zu beenden. Sie hat gerade erst begonnen und wird in dem Maß zu einem guten Ergebnis führen, in dem sie als Chance begriffen wird, der städtischen Öffentlichkeit das neue Zentrum ihres Kulturlebens zu geben, das sie verdient.
Die Initiatoren fordern als konkrete Schritte:
Unverzügliche Veröffentlichung der Abschlussberichte des Planungs- und Evaluierungsteams
Eine unabhängige Kommission von Theaterproduzenten und Theaterrezipienten, welche in einem öffentlichen Dialog eine Konzeption entwickeln, wie die Spielstätte in Zukunft entwickelt werden soll. Für welches Publikum welche Art von Theater in welchen Räumen und mit welchen Mitteln? Welche Rolle können und sollen die städtischen Bühnen für die Stadtgesellschaft in Zukunft spielen?
Eine zeitnahe Untersuchung und verbindliche Klärung des Denkmalwertes der Theateranlage einschließlich der Kunst am Bau.
Eine Untersuchung, ob mit einem Teilneubau bei (weitgehendem) Erhalt der denkmalwerten Bauteile eine funktionale Spielstätte zu vertretbaren Kosten und guten räumlichen Qualitäten erreichbar ist.
Eine Klärung der Grundstücksfrage für das in allen sinnvollen Szenarien ausgelagerte Produktionszentrum und Einleitung des Planungs- und Entscheidungsprozesses hierzu.
Variantenüberprüfung für ein Operninterim sowohl bzgl. der Anforderungen wie der Lösungen.
Innenraum Schauspiel Frankfurt, Foto: Alexander Paul Englert
Der langjährige Kulturdezerent der Stadt Frankfurt Main, Hilmar Hoffmann, schrieb 2013 zum 50-jährigen Jubiläum einen Rückblick auf die Entwicklung der Städtische Bühnen Frankfurt siet dem Kriegsende 1945.//
Das 50-jährige Jubiläum der Theaterdoppelanlage hat eine Vorgeschichte, eine Genese der Selbstfindung unserer Städtischen Bühnen. Denn das Frankfurter Theaterleben ist nicht erst mit der Einweihung dieses architektonischen Monstrums Theaterdoppelanlage erblüht. Gleich im ersten Jahr nach der wohl verhängnisvollsten Periode der deutschen Geschichte wurden in unserer zu 70 Prozent zerstörten Altstadt schon wieder Theater und Oper angeboten. In der Trostlosigkeit unserer Ruinenlandschaft lechzten die Menschen nach kulinarischer Entspannung und, wie Brecht es formulierte, nach Vergnügung, der »nobelsten Funktion des Theaters«. Außer ihrem Glücksverlangen wollten die auch metaphysisch obdachlos gewordenen Menschen vor allem aber Botschaften zur Neuorientierung und Lebenszuversicht hören.
Schauspieler und Opernsänger, Tänzer und Musiker hatte Toni Impekoven als erster Intendant der Nachkriegszeit schon im Herbst 1945 (!) zusammengetrommelt und ein erstaunlich erstklassiges Ensemble der ersten Stunde geformt. Im großen Saal der Frankfurter Börse wie auch in der Kleinen Komödie in Sachsenhausen brillierte Oscar Werner als Hamlet, und Paula Wessely beeindruckte in der Titelrolle von Henrik Ibsens DIE FRAU VOM MEER. Mit der ihm auf den Leib geschriebenen Rolle des Fliegergenerals Harras in DES TEUFELS GENERAL stieg 1947 auch Martin Held in Frankfurt wie eine Rakete am Theaterhimmel auf. Carl Zuckmayers Stück über das Schicksal des »Helden der Lüfte« Ernst Udet wurde mit über 3000 Vorstellungen das erfolgreichste Stück auf Deutschlands Nachkriegsbühnen. Autoren und Regisseure des Aufbruchs reüssierten damals noch ohne aufwendigen Budenzauber, sie vertrauten ihrer komödiantischen Natur und ihrem dramatischen Temperament und setzten auf die kathartische Wirkung der Sprache.
Im großen vorläufigen Asyl des Rundfunk-Sendesaals überzeugte gleich in der Spielzeit 1946 /47 Karl Heinz Stroux mit Eugene O’Neills stärkstem Stück TRAUER MUSS ELEKTRA TRAGEN, eine die Gemüter und Herzen aufwühlende theatralische Option auf Großstadtniveau verlieh dem antiken Stoff eine Aura der Zeitlosigkeit. In den Feuilletons wurde die Premiere in über 40 Zeitungen als exemplarisch für einen Neubeginn des Theaters in Westdeutschland gewürdigt. Impekovens Repertoire berücksichtigte besonders Stücke aus Frankreich, England und denUSA, die im Nazireich verboten waren. Gespielt wurde in der schon 1946 zum Kleinen Komödienhaus umgebauten Turnhalle in der Sachsenhäuser Veitstraße, wo Impekoven-Nachfolger Richard Weichert das Haus zum beliebten Spielort zu machen verstand. An die alte Tradition der Römerberg-Festspiele anknüpfend, wurde auch im Klostergarten der Karmeliter unter offenem Himmel Theater gespielt. Im Sommer 1946 inszenierte hier Robert Michael Hofmannsthals JEDERMANN mit deftigen Anspielungen an den Zeitgeist. Im Börsensaal brachte Fritz Rémond Thornton Wilders UNSERE KLEINE STADT mit ironischen Verweisen auf Frankfurt auf die Bühne.
Trotz Währungsreform und einer den Neubeginn begleitenden Euphorie trieben die städtischen Körperschaften noch ohne einen verantwortlichen Kulturdezernentenden Theaterbetrieb in eine schwere Krise. Ende 1948 wurde 150 Bühnenmitgliedern zum 31. August 1949 die Nichtverlängerung ihrer Bühnennormalverträge angekündigt. Gleichwohl wurden zwei Monate später zwei Millionen Mark in den Etat eingesetzt, um das kriegszerstörte Schauspielhaus aus dem Jahr 1902 wieder aufzubauen. Aber die Euphorie hatte nur kurze Beine. Aus dem Römer verbreitete die Hiobsbotschaft Entsetzen, dem Theater werde Ende August 1949 endgültig der Garaus gemacht; »die Sicherung der nackten Existenz unserer Mitbürger […], in erster Linie die Beschaffung von Wohnraum, die Wiederherstellung von Schulen, Krankenhäusern«, sei lebensnotwendiger als Investitionen in eine flüchtige Theaterkultur.
Jetzt schlug die Stunde der Kulturbürger, die ihr gewohntes Theaterbedürfnis einklagten, um in der Goethe-Stadt wieder ein lebenswerteres Leben zu führen. Dieser Anspruch generierte auch den entscheidenden Impuls, den bis heute wirksamen Patronatsverein zu gründen: Ja, verachtet mir die Bürger nicht, hatte schon Hans Sachs in den MEISTERSINGERN den Politikern mit auf den Weg gegeben. Bevor 1951 Harry Buckwitz nach Frankfurt kam und lange blieb, hatte bereits der kongeniale Heinz Hilpert als »Chefintendant« 1947 in der Stadt angeheuert, um bei den Städtischen Bühnen frischen Wind unter die Flügel des Neuanfangs zu blasen. Gleich mit seiner psychologisierenden Inszenierung von Abgründen der menschlichen Seele in DES TEUFELS GENERAL beglaubigte Hilpert sein Renommee als virtuoser Schauspielflüsterer. Mit Carl Zuckmayers zeitdiagnostischem Stück mit jener prinzipiellen Fragestellung, wem denn der Mensch zu gehorchen habe, dem eigenen Gewissen oder dem Soldateneid, hatte er dem Schrecken des Naziregimes exemplarischen Ausdruck verliehen.
Auch mit Thornton Wilders WIR SIND NOCH EINMAL DAVONGEKOMMEN blieb Hilpert den kollektiven Befindlichkeiten der Kriegsgeneration auf den Fersen. Hilpert wollte vor aller Welt dokumentieren, wie über das Medium Theater ein freier Geist durch das nun wieder demokratische Deutschland weht. Von ignoranten Stadtpolitikern kujoniert, stieg er tief enttäuscht im April 1948 vorzeitig aus dem Vertrag aus. In einer Stadt, deren banausisches Politikerpersonal über die Ästhetik obsiegen wollte, mochte er sich zu weiteren Konzessionen nicht korrumpieren lassen. Unter Impekoven, Weichert und Hilpert hatten sich in den ersten zwei, drei Jahren später berühmt gewordene Theaterleute engagieren lassen, um die Herzen der vom Krieg gebeutelten Frankfurter zu erwärmen und deren hedonistische Erwartungen zu befriedigen: Wolfgang Büttner, Julia Costa, Ellen Daub, Konrad Georg, Martin Held, Siegfried Lowitz, Richard Münch, Otto Rouvel oder Solveig Thomas. Sie bescherten einem auch kulturell ausgehungerten Publikum mit ihrer hohen Kunst unvergessliche Stunden. Auch die Oper ließ schon bald nach der Kapitulation wieder von sich hören. Musikdirektor Bruno Vondenhoff hatte Ende 1945 unter unzumutbaren Bedingungen bereits ein neues Orchester organisiert. Auch den geschrumpften traditionsreichen Cäcilien-Chor hatte er wiederbelebt. Damals mussten die Sänger noch Briketts oder Holzscheite zu den Proben mitbringen, damit ihre Stimmbänder nicht einfroren.
Sozusagen aus dem Nichts ging gleich die erste Opernpremiere TOSCA erfolgreich über die Bühne. Die Premiere am 26. September 1945 dirigierte Ljubo mir Romansky. Bevor er 1946 an die Staatsoper Wiesbaden wechselte, studierte er fünf Opern und Operetten ein, u. a. die FLEDERMAUS mit der damals noch unbekannten Christa Ludwig als Prinz Orlofsky. Er beherrschte die hohe Kunst, im Seichten der Operette nicht zu ertrinken. Für die erste offizielle Spielzeit 1945/46 machte Bruno Vondenhoff, ein Feuerkopf aus dem Geiste Beethovens, dessen FIDELIO am 9. Dezember auf den Nudelbrettern der Behelfsbühne im großen Börsensaal virtuos zum Ereignis. Mit der Neuinszenierung des FIDELIO feierte die Oper Befreiung aus politischer Unfreiheit, Befreiung aus Kriegsnotstand und von der Knechtschaft der eigenen Untätigkeit. Nach der Stunde Null bekam diese FIDELIO-Interpretation symbolische Bedeutung in ihrer gelungenen Reflexion über die jüngste deutsche Geschichte, über die heillose Verlassenheit des Menschen.
In dieser ersten Phase der Renaissance von Frankfurts Oper entdeckten die Menschen das Musiktheater als Surrogat des Glücks, das ihnen zwölf Jahre lang verweigert worden war. Vondenhoff hoffte, den Menschen mit seinem Repertoire zu vermitteln, was Hegel allgemeinästhetisch »das sinnliche Scheinen der Ideen« genannt hatte: FIDELIO mit der Idee der Freiheit oder TOSCA mit der negativen Idee des Verrats. Weil Bruno Vondenhoff die Oper nicht mit einer bürgerlichen »Erholungsstätte« (Adorno) verwechselte, machte er außer mit Klassik auch mit jenen Neutönern Furore, die sich von der Tonalität längst verabschiedet hatten: 1947 mit Paul Hindemiths MATHIS DER MALER, 1948 mit Heinrich Sutermeisters ROMEO UND JULIA, mit seiner furiosen Deutung von Arthur Honeggers JOHANNA AUF DEM SCHEITERHAUFEN und den Aufführungen von Gian Carlo Menottis DER KONSUL oder mit Ernst Křeneks DAS LEBEN DES OREST.
Letztere Oper überzeugte mit 40 Vorhängen bei der Premiere auch das Feuilleton. Vondenhoff setzte frühe Meilensteine auf dem langen Kärrnerweg bis zur erstmaligen Verleihung des Titels »Opernhaus des Jahres« im Jahr 1996. Vondenhoff gelang es sogar, keine Geringeren als Walter Felsenstein, Otto Schenk und Wieland Wagner als Regisseure ans Haus zu holen. Bayreuth-Erneuerer Wieland Wagner riss mit Verdis OTELLO das Publikum zu wahren Beifallsstürmen hin. Mit Christa Ludwig führte er Mendelssohns Oratorium ELIAS in den Erfolg. Mit ihrer zauberischen Aura schmetterten auch die berühmten Sängerinnen Agnes Giebel und Marga Höffgen ihre Arien in die akustischen Löcher der Provisorien, wo sie oft wie in einer Art Bermuda dreieck verhallten. Ohne Bruno Vondenhoffs energischen Einsatz wäre der Wiederaufbau des 1902 im Jugendstil erbauten Schauspielhauses, vorerst sowohl für die Zwecke des Musiktheaters als auch des Schauspiels, nicht so schnell gelungen. Das mit drei Rängen und 1450 Plätzen wiedererstandene Große Haus mit erhaltener historisch-schöner Frontfassade und domartiger Kuppel wurde am Tag vor Heiligabend 1951 unter der musikalischen Leitung von Bruno Vondenhoff mit DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG feierlich eröffnet. Nietzsche hatte nicht nur mit Blick auf die Partie des Beckmessers den Ausdruck »superlative Musik« für die MEISTERSINGER geprägt. Den Rezensionen zufolge bescherte Bruno Vondenhoff dem Publikum mit seinem LOHENGRIN ein Fest der Stimmen. Hausregisseur Werner Jacob reduzierte den schönen Sagenhelden aus Brabant zur schlichten Chiffre, die in der lichten A-Dur-Welt des Grals nach glücklichen Flitterwochen mit dem Hinweis »Nie sollst Du mich befragen« wieder von dannen zieht.
Der 1951 von Oberbürgermeister Walter Kolb engagierte neue Generalintendant Harry Buckwitz sollte Vondenhoff rasch den Laufpass geben, um mit dem berühmteren Georg Solti als neuem Opernchef das Ansehen der Stadt zu mehren. Walter Kolb würdigte Vondenhoff beim Abschied mit der abgenutzten Formel, er habe »sich um die Stadt verdient gemacht«. Ein viel zu schmales Wort für einen großen Künstler und Organisator der Wiederauferstehung unseres Musiktheaters. Über Höhen und Tiefen von Frankfurts Schauspiel, Musiktheater und Ballett haben die Autoren dieses Bandes eindrucksvoll ihr reiches Erfahrungspotenzial ausgebreitet. Ich beschränke meine Erinnerungen deshalb auf die politischen Aspekte des Theaters während meiner 20-jährigen Verantwortung für diesen Kernbereich Frankfurter Kulturpolitik.
Mitbestimmung im Schauspiel
Im ersten Gespräch mit dem neuen Oberbürgermeister Walter Möller, der mich 1970 aus Ober hausen nach Frankfurt an seine Seite holte, war die Einführung der Mitbestimmung im Schauspielhaus eines seiner Essentials für den neuen Kulturdezernenten. Es galt, die hierarchische Struktur, »Generalintendant « genannt, durch eine vom Magistrat abgesegnete Mitbestimmung zu ersetzen, die alle Fragen mitentscheidet, die bisher vom »General« ohne Mitwirkung des künstlerischen Personals autokratisch geregelt wurden: Spielplangestaltung, Besetzungen, Engagements und Nichtverlängerungen, Sonderurlaube usw. Statt eines alles entscheidenden Generalintendanten sollte ein Dreierdirektorium mehr Transparenz garantieren. Weil dieses Modell mit dem amtierenden »General « Ulrich Erfurth nicht zu realisieren war, musste ich gleich in der ersten Woche nach meiner Wahl ein
Gespräch mit Ulrich Erfurth führen. Sein Vertrag hätte sich sonst automatisch verlängert, und die Mitbestimmung wäre ad calendas graecas vertagt worden. Als ich Ulrich Erfurth mit der Entschlossenheit auch des Oberbürgermeisters das Ende seiner Dienstzeit verkündete, war sein Erschrecken größer als das des Papageno beim Anblick des Monostatos. Parallel mit der gleichzeitigen Entkoppelung von Oper und Schauspiel ging in Frankfurt die Aufkündigung der anachronistischen Machtvertikale einher. Für das Schauspiel wurde die Mitbestimmung per Magistratsbeschluss Gesetz wie für die Oper das abgemilderte »Mitwirkungsdekret«. Die Sänger wollten nicht, dass ein Kollektiv darüber entscheidet, ob die Stimmbänder eines Tenors bei der Stretta im 3. Akt des TROVATORE wackeln und sich in die Kopfstimme fl üchten oder ob ein Bass den basso profondo des Sarasto in den Orkus gurgeln sollte. Darüber sollte nach wie vor gefälligst allein der Chef entscheiden. Die Mitbestimmung im Schauspiel sollte keine Episode werden. Sie war als Zäsur des Aufbruchs für alle deutschen Theater mit Erfolg in Szene gesetzt worden, getreu der Maxime Brechts, dass »das moderne Theater […] nicht danach beurteilt werden [muss], wieweit es die Gewohnheiten des Publikums befriedigt, sondern danach, wieweit es sie verändert.« Die jetzt autonome Oper wurde künftig vom bisherigen Generalmusikdirektor Christoph von Dohnányi geleitet, das Schauspiel von einem Dreierdirektorium mit Peter Palitzsch, bis dahin Schauspieldirektoram Staatstheater Stuttgart. Fast das ganze Stuttgarter Ensemble, mit dem ich in der Landeshauptstadt viele Nächte lang Gespräche über die Modifikationen der Mitbestimmung geführt hatte, war mit Horst Laube, Hans Neuenfels und Niels-Peter Rudolph Peter Palitzsch an den Main gefolgt.
Von Erfurths Ensemble wurden nur jene sechs Schauspieler übernommen, die sich für die Mitbestimmung und für das Credo des Brecht-Schülers Palitzsch erwärmen ließen: »Der Gesellschaft muß klar sein, daß sie nicht dafür zahlt, daß wir sie verherrlichen, sondern daß wir einen demokratischen Prozeß aufrechterhalten, das heißt, alles bekämpfen, was zu Entdemokratisierung, zu Starre und Niveauschwundführen kann.« Als ewiger Pfadfi nder folgte Palitzsch unbeirrbar seiner Grundspur des Humanismus. Die ersten Proben aufs Exempel schienen die Notwendigkeit der Mitbestimmung zu beglaubigen: In Edward Bonds LEAR wurde in der Regie von Peter Palitzsch aus der Titelfigur nicht wie bei Shakespeare »jeder Zoll ein König«. Palitzsch hatte bei Bond ja nicht ein literarisch besseres Stück gefunden, sondern den zeitgemäßen Bezug. Oder: IM DICKICHT DER STÄDTE. Mit diesem wüsten dialektischen Lehrstück Brechts gegen das Kapital brachte Regisseur Klaus Michael Grüber die konservativ gestrickten Abonnenten gehörig in Rage. In dieser atemberaubenden Aufführung in der Kulisse von Eduardo Arroyo bestätigte das sich neu erfindende Schauspiel Frankfurt mit ästhetischen Mitteln seinen Auftrag, das sonst nicht Fassbare bewusst zu machen. In einer lauten Zeit machte Grüber Skandal – durch Stille.
Die radikalen Anfänge des mitbestimmten Theaters kosteten uns schließlich 4000 (!) Abonnenten. Gleichwohl hielt der Magistrat durch, schließlich waren die Feuilletons ausnahmslos auf unserer Seite. Der Neuanfang des Palitzsch-Teams ist dadurch zusätzlich erschwert worden, dass der Kämmerer knallhart die drastische Erhöhung der Eintrittspreise verfügte, ohne das mitbestimmende Ensemble vorher befragt zu haben. Schließlich wollte die neueMannschaft mit für jedermann erschwinglichen Preisen alle erreichen und nicht nur jene, die es sich schon immer leisten konnten. Das Ensemble protestierte einen Monat lang jeden Abend lautstark vor dem Vorhang. Der Casus kulminierte in dem demonstrativen Akt, dem Kulturdezernenten das Mitbestimmungspapier mit der Aufforderung vor die Füße zu knallen, sich »damit den Arsch abzuwischen «, denn das Papier sei ja »nicht erkämpft, sondern bloß geschenkt worden und deshalb wertlos « (Neuenfels).
Nach der Ära Palitzsch hat es im Schauspiel bis heute leider viele Stabwechsel gegeben, ein Dilemma, an dem die Kulturdezernenten nicht ganz schuldlos waren: Wilfried Minks und Johannes Schaaf (1980 / 81), Adolf Dresen (1981 – 1985), Günther Rühle (1985 – 1990), Hans Peter Doll (1990 /91), Peter Eschberg (1991 – 2001), Elisabeth Schweeger (2001 – 2009), Oliver Reese (seit 2009). Eine Phalanx höchst unterschiedlicher Temperamente, Stile und Intellektualitäten.
Petra Roth ernennt sich selbst zur Bühnendezernentin
Eine energische Petra Roth verordnete den StädtischenBühnen ein Ende des Kompetenzwirrwarrs. Am 24. Oktober 1996 entzog sie der Kulturdezernentin Linda Reisch kurzerhand die Kompetenz über den Kernbereich der Frankfurter Kultur: Das Kommando über Oper, Schauspiel, Kammerspiel, Ballett und das angehängte TAT übernahm sie als neue Bühnendezernentin höchstselbst, eine einmalig drakonische Konsequenz in der Geschichte der bundesdeutschen Theaterrepublik. Nein, die Kulturdezernentin ist aus Selbstachtung nicht zurückgetreten.
In der Chefetage gab es Querelen zwischen dem zum Geschäftsführenden Intendanten aufgestiegenen früheren Ballettgeschäftsführer Martin Steinhoff und Opernchef Sylvain Cambreling, der ihm mit seiner Machtfülle als eine Art Gottseibeiuns im Nacken saß; Letzterer gab zu Protokoll, er hätte nie in Frankfurt angeheuert, wäre er über die Fesseln dieser neuen Struktur vorher in Kenntnis gesetzt worden. Statt auf den »Brettern, die die Welt bedeuten«, fand die Entfesselung des Individuums hinter den Kulissen statt. Nachdem Cambreling entnervt einfach früher aus seinem Vertrag ausgeschieden war, erteilte er der Oberbürgermeisterin und der Kulturdezernentin striktes Hausverbot für seine Abschiedsvorstellung und die anschließende Fete. Das Satyrspiel war endgültig in eine Provinzposse abgeglitten,als die Kulturdezernentin den in prekäre Bedrängnis geratenen Bühnenintendanten die Anwaltskosten für ihre Mandate gegen ihren Arbeitgeber, den Magistrat von Frankfurt, in Höhe von exakt 243 000 Mark aus dem Steuersäckel zurückerstattete. Dieser im Parlament einmütig missbilligte Casus veranlasste die Oberbürgermeisterin, endgültig die Reißleine zu ziehen und die Dezernentin abwählen zu lassen, einstim mig quer durch alleFraktionen. Mozarts Librettist Lorenzo Da Ponte hätte dieses pointenreiche Stück nicht besser erfinden können.
Der Streit um Fassbinders DER MÜLL, DIE STADT UND DER TOD
Kein Frankfurter Theaterereignis hat die Gemüter mehr aufgewühlt und die Öffentlichkeit stärker polarisiert als die Inszenierung des Fassbinder-Stücks DER MÜLL, DIE STADT UND DER TOD im Jahr 1985. Zwei Sondersitzungen des Stadtparlaments und eine in der Jerusalemer Knesset haben den Streit in die politische Arena verlegt. Nachdem der Versuch des Alte-Oper-Managers, das brisante Stück mit Schauspielern des Hebbel-Theaters Berlin zu besetzen, im Aufsichtsrat gescheitert war, kündigte der neue Schauspielintendant Günther Rühle das Fassbinder-Stück im Spielplan seines Theaters an. Rühle wollte den »fatalen Verdacht« widerlegen, in der liberalen Paulskirchenstadt werde Zensur geübt. Nachdem ich bei den Proben in den Kammerspielen hospitiert hatte, konnte ich Rühle in seiner unbeirrbaren Konsequenz guten Gewissens den Rücken stärken und den Antisemitismusvorwurf aus eigener Anschauung Lügen strafen. Auch in dem einstündigen Dreiergespräch zwischen OB Walter Wallmann, Günther Rühle und Kulturdezernent konnte der Oberbürgermeister den Intendanten nicht bewegen, das Skandalon aus dem Spielplan zu nehmen. Gegenüber Wallmann beharrte auch der Dezernent auf Artikel 5 des Grundgesetzes mit dem ultimativen Satz, »eine Zensur findet nicht statt«.
Die Premiere des Fassbinder-Stücks am 31. Oktober 1985 hat nicht stattgefunden. Repräsentanten der Jüdischen Gemeinde hatten mit Ignatz Bubis gewaltlos die Bühne besetzt, der Saal war mit 50 Gegnern des Stücks überbesetzt, die mit originalgetreu nachgedruckten Eintrittskarten Einlass gefunden hatten. Die Diskussion mit Befürwortern wie Daniel Cohn-Bendit und Mischa Brumlik war heftig bis aggressiv, lief aber auch ohne Mediator nie aus dem Ruder. Als der Uhrzeiger auf 24 Uhr rückte, frohlockte Regisseur Dietrich Hilsdorf in der letzten Reihe zu früh: »Jetzt wird gespielt.« Der Kulturdezernent in der ersten Reihe neben Intendant Rühle wandte sich in appellativem Ton ans Publikum: »Der Magistrat zieht hiermit das Hausrecht an sich und erklärt die Veranstaltung für beendet.« Ende der Vorstellung. Am 4. November 1985 setzte Intendant Rühle für die internationale Presse eine sogenannte Wiederholungsprobe an, die das Schauspiel Frankfurt von dem Vorwurf einer »antisemitischen Handlung « freisprechen sollte. Fast alle Feuilletons haben die Hilsdorf-Inszenierung vom Antisemitismusvorwurf entlastet.
VIELEN DANK, SIE WERDEN VON UNS HÖREN
Das Frankfurter Theater hat nach 1945 vom selbstverständlichen Recht der Theaterfreiheit heftigen Gebrauch zu machen gewusst. Das hat manchem Stadtverordneten oder auch dem einen oder anderen abonnierten Philister nicht immer nur gefallen. Zum Beispiel die Proteste des Palitzsch-Ensembles gleich bei seiner ersten Premiere, Edward Bonds LEAR, gegen die Erhöhung der Eintrittspreise damals noch durch den SPD-Magistrat, jeweils abends auf der Vorbühne, bevor der Vorhang hochging. Walter Wallmann hatte schon in den Wahlkampfwirren im Frühjahr 1977 gegen die Protestaktion der Mimen protestiert. Als zwei von Willy Brandts Radikalenerlass betroffene Lehrerinnen der Ernst-Reuter-Schule in der Nordweststadt wegen Kommunismusverdachts ihren Beam tenstatus verloren, entstand über Nacht die Kollektivarbeit VIELEN DANK, SIE WERDEN VON UNS HÖREN. Die Texte der Schauspieler enthielten Assoziationen zu Begründungen, mit denen im Dritten Reich auch den Vätern dieser beiden Lehrerinnen wegen DKP-Mitgliedschaft die Lehrerlaubnis entzogen worden war, zum Teil sogar mit analogen Text-Akkorden bis in die Interpunktion hinein.
Nachdem das in der Schulaula mehrfach öffentlich aufgeführte Stück die Besucherneugier im Norden der Stadt gestillt hatte, sollte VIELEN DANK, SIE WERDEN VON UNS HÖREN in den regulären Spielplan des Schauspielhauses aufgenommen werden. Als die CDU diese »mit Radikalen sympathisierende Aufführung « per Magistratsabschluss zu indizieren hoffte, konnte der Kulturdezernent diesen Zensurversuch mit Hilfe des Oberbürgermeisters verhindern. Das Ensemble wurde aber gebeten, jeweils eine anschließende Diskussion anzukündigen, damit jeder die Gelegenheit bekäme, seine Einwände »gegen diese Zumutung« (FDP) unmittelbar geltend zu machen. Jenseits der brisanten Aktualität war dieses zeitübergreifende Stück eines der Agitation gegen die Arroganz der Macht schlechthin.
Peter Palitzsch war es immer darum gegangen, Bedingungen dafür zu schaffen, dass wir mit den Mitteln des Theaters einen demokratischen Prozess aufrechterhalten, also alles bekämpfen, was zur Entdemokratisierung führen kann. Für Palitzsch war Aufklärung immer noch ein unvollendetes Projekt der Demokratie. Unter dieser Prämisse wollte das Ensemble nicht nur mit relevanten Stücken des Repertoires auf gesellschaftliche Fehlentwicklungen seismografsch reagieren. Man wollte auch mit selbst verfassten Stücken gegen brisante demokratiefeindliche Ereignisse aktuell und spontan zu Felde ziehen. Auch diese handfeste politische Theater- Demonstration mit großer Resonanz in ausverkauften Vorstellungen schien nicht unbedingt geeignet, den Sympathiewert beim neuen Oberbürgermeister zu steigern. Gleichwohl mischte sich Walter Wallmann auch beim Theater, außer beim Fassbinder-Stück, nicht ein.
Wallmann wollte kein politisches Theater
Das Mitbestimmungstheater des Brecht-Schülers Peter Palitzsch irritierte Walter Wallmanns traditionellen Theaterbegriff sowohl ästhetisch als auch inhaltlich. Wallmann unterstellte Palitzsch, mit den Subventionen des Steuerzahlers die Welt verändern zu wollen. Der Asket der Bühne entsprach nicht den auf größere Opulenz gerichteten Erwartungen des Oberbürgermeisters und wurde in der damals noch grassierenden Linksphobie der CDU als Bedrohung empfunden. Palitzsch wollte aber nicht die Welt verändern; für ihn war Theater vielmehr ein Instrumentder Emanzipation und ein Ort der Freiheit. Der Respekt vor dem Individuum gehörte für ihn zum Erbeder Antike wie auch der Aufklärung. Als man für Palitzsch nach seinem Abgang die Goethe-Plakette beantragte, wurde diese Ehrung abgelehnt. Aus der politischen Perspektive Wallmanns war die Palitzsch-Bühne politisch vermintes Gelände.
Das Palitzsch-Nachfolgerduo Wilfried Minks und Johannes Schaaf fand der OB nicht nur auf Anhieb sympathisch, er konnte sich auch mit deren Vorliebe für ein vorwiegend klassisches Repertoire befreunden. Im Vollgefühl seiner neuen Gestaltungsmacht gab Wallmann auch der Umrüstung des Spielorts mit einer Millionen Mark teuren Hydraulik seinen Segen. Mit deren Hilfe ließ sich der Zuschauerraum per Knopfdruck in eine Bühne und diese in einen Zuschauerraum verwandeln. Für die Premiere dieses technisch aufwendigen Funktionstausches hatten die beiden Protagonisten Georg Büchners DANTONS TOD ausgewählt. Als hinter einem Gazevorhang hoch über der Bühne als Schatten riss ein überdimensionaler Penis zum Vollzug ansetzte, irritierte Walter Wallmann und seine Herzdame Margarethe mehr noch als das Corpus Delicti die fröhliche Reaktion der Premierengäste über das parodistische Element eines avancierten Spieltriebs. Nach dieser »Provokation unter der Gürtellinie« betrat Wallmann das Schauspielhaus erst wieder, als 1981 mit Adolf Dresen vom Wiener Burgtheater ein Intendant gewonnen wurde, der mit der Hydraulik auch die Grobreize der beiden Vorgänger zum à fonds perdu erklärte und bei demsich inszenatorische Willkür an klassischen Stücken in Grenzen hielt.
Wallmanns bald erlahmte Sympathie für Minks war aber auch der Tatsache geschuldet, dass dieser der Besetzung des Schauspielhauses durch Mitglieder der RAF freundlich zugewinkt hatte. Sein inzwischen mit ihm zerstrittener Partner Johannes Schaaf hatte zusammen mit dem Kulturdezernenten im Theater die Stellung gehalten. Der wintergemäß frierenden RAF-Nachhut öffnete Minks zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Ulla Berkéwicz, immer wieder die Türen ins gut geheizte Theater innere, bis wir einfach die Heizung abschalteten und die Besatzer zum freiwilligen Rückzug bewegten. In Walter Wallmanns neun Jahren erlebte er vier verschiedene Theaterleitungen: Nach Peter Palitzsch und der vorzeitigen Auflösung des Vertrags des im Clinch liegenden Duos Minks / Schaaf hatten wir Adolf Dresen vom Wiener Burgtheater geholt. Der hielt es mit Arthur Miller, dass in einer schlechten Welt das Theater sich für den Ruf nach einer besseren zur Verfügung halten müsse. Nachdem Dresen wegen Krankheit vorzeitig ausgeschieden war, konnte als Nachfolger mit Günther Rühle ein Theaterkritiker von Rang gewonnen werden. Rühle verdankten wir auch das mutige Engagement von noch nicht abgestempelten Regietalenten wie Einar Schleef, Dietrich Hilsdorf oder Michael Gruner, die beileibe keine Chorknaben waren.
Der Opernbrand
Ein mit 50 000 Mark von den DDR-Behörden freigekaufter »Regimegegner« steckte am 12. November 1987 unsere Oper in Brand. Bei seiner Vernehmung entpuppte sich der Brandstifter statt als Regimegegner der DDR als notorischer Krimineller. Der Mann hatte Zugang in die Theaterdoppelanlagegesucht, weil er diese als eine »factory« identifiziert hatte. Er war durch ein nicht verschlossenes Kippfenster eingestiegen, in der Hoffnung, in einem der Spinde Stullen zu finden, »weil ich Hunger hatte«. Da es sich aber um Spinde von Orchestermusikern handelte, hatte er seinen knurrende Magen mit Partituren nicht stillen können. Schlicht aus Frust war der Hungerleider zum Brandstifter mutiert.
Als ich um vier Uhr früh den Tatort erreichte, fand ich den Komponisten John Cage verwirrt und verwaist am Bühneneingang auf seinen Koffern hocken. Just am Abend vorher hatte ich mit dem »Meister der Stille« im Restaurant Fundus über die Partitur zu seinem neuen Werk EUROPERAS 1 & 2 gesprochen. Feuerwehrmänner hatten den immer freundlich lächelnden Komponisten aus dem Opern-Etablissement für prominente Hausgäste aus dem dritten Stock an die frische Luft komplimentiert. In seiner Not auf eine neue Bleibe hoffend, fragte John Cage: »Wo ist Gary?« Mein Gott, Gary Bertini hatten wir ganz vergessen. Der ebenfalls sofort herbeigeeilte Oberbürgermeister ließ den Dirigenten mit seinem Dienstwagen aus Schwanheim zum Tatort holen.
Oberbürgermeister Wolfram Brück berief ad hoc einen Krisenstab ein, dem die Intendanten Günther Rühle und Gary Bertini, der Technische Direktor Max von Vequel, der Bühnengeschäftsführer Günter Hampel sowie die beiden Dezernenten für Kultur und für Bau angehörten, um erste Entscheidungen zu treffen. Schon nach einer Stunde war klar, die Oper würde ins Schauspiel umziehen, weil es dort einen verwaisten Orchestergraben gab. Ein altruistischer Günther Rühle war einverstanden, dass das Schauspiel Gastrecht im leer stehenden Bockenheimer Straßenbahndepot genießen würde, falls uns die Uni und das Land das denkmalgeschützte Depotüberließen. Dank des Elans des Baudezernenten Hans-Erhard Haverkamp war die neue Spielstätte innerhalb vonnur sieben Wochen spielreif umgerüstet. Mit einer genialen Regieleistung von Peter Palitzsch als Gast wurde mit Marlowes LEBEN EDWARDS DES ZWEITEN VON ENGLAND die Eröffnung einer heute nicht mehr wegzudenkenden neuen Bühne gefeiert. Schon bald konnten in diesem fantastischen Ambiente stilbewusste, extravagante Inszenierungen wie Bob Wilsons »wunderwirkliche Theaterwelt« (Stadelmaier) oder Einar Schleefs neu erfundener FAUST I bewundert werden.
Bereits wenige Tage nach dem Brand hatten sich eilfertige Investoren öffentlich mit dem Vorschlag zu Wort gemeldet, den »Luftraum« über dem Operngrundstück zu kaufen. Im Gegenzug versprachen sie, die Oper im unteren Bereich ihres geplanten Hochhauses auf ihre Kosten wiedererstehen zu lassen. Die Oper als buchstäbliche Untermieterin eines Büromonsters, welch entsetzlicher Gedanke! Außerdem hätte der Spiel betrieb sich um mindestens vier Jahre verzögert. Gegen diese Art merkantilen Eifers hatten wir es leicht, den Anfängen einer Subkulturalisierung zu wehren, zumal die Allianz-Versicherung die vollen Kosten des Wiederaufbaus zu übernehmen bereit war. 200 Millionen zahlte eine kulante Allianz für den Wiederaufbau des Opernhauses und damit auch für einen um zehn Meter aufgestockten Bühnenturm, in dessen Windschatten Eins-zu-eins-Probenräume sowohl für das Frankfurter Opern- und Museumsorchester als auch für das Forsythe-Tanztheater hinzu gewonnen wurden.
Erschienen in: Ein Haus für das Theater: 50 Jahre Städtische Bühnen Frankfurt am Main, Verlag Henschel, 2013
Von Jochen Becker, Berlin: 1985 begann der aus der DDR in den Westen emigrierte Autor und Bühnenbildner Einar Schleef im Schauspiel Frankfurt als Hausregisseur. In ‚Mütter‘ sprach ausdauernd ein 50köpfiger Chor oder trug stundenlang Blecheimer mit Wasser im ganzen Raum herum, während Martin Wuttke auf offener Bühne geplant ausrastete.Eher unplanmässig hingegen tickte bei der Premiere im stuhllosen Zuschauerraum der Ensemble-Schauspieler Edgar M. Böhlke aus und warf der ganzen Veranstaltung „Faschismus“ vor (und zudem einen Gegenstand Richtung Bühne?). Das nach aufreibender Zeit der „Mitbestimmung“ erschöpfte Schauspielhaus Frankfurt bebte – endlich. In der Oper nebenan war das schon längst der Fall, wo emigrierte Juden, DDR-Regisseurinnen und marxistische Dramaturgen die Unversöhnlichkeit mit dem Bestehenden auf die Bühne hoben. William Forsythe tanzte dazu in beiden Häusern.
Die Academy for Architectural Culture (aac), eine durch die Architekten von Gerkan, Marg und Partner initiierte, private und gemeinnützige Einrichtung, hat im September 2019 ihren Herbst-Workshop dem Thema Interim Oper Frankfurt gewidmet. Unter der Leitung von Meinhard von Gerkan sowie Stephan Schütz und in Zusammenarbeit mit der Stadt Frankfurt entwarfen die teilnehmenden jungen Architektinnen und Architekten Zwischenlösungen für die Weiterführung des Operbetriebs während einer möglichen Um- bzw. Neugestaltung der Städtischen Bühnen.
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Erschienen am 27. April 2020 in der F.A.Z./Rhein-Main-Zeitung
Leserbrief zum Beitrag von Michael Hierholzer Gute Geschichte, schlechte Idee.
Von Alfons Maria Arns
Ein bisweilen angewandtes Mittel im Zusammenhang kontroverser Debatten besteht in der Methode bewussten Missverstehens. So deutlich erkennbar in diesem Beitrag, wo es anhand eines Arrangements vorgeblich rein fachlicher Zitate verantwortlich beteiligter Frankfurter Stimmen darum geht, das Anliegen der Petition als einseitig, unberechtigt, theaterfremd und ressentimentgeladen zu diskreditieren.
Ein zentraler Aspekt der Initiative für die Theater-Sanierung und den Erhalt der Doppelanlage betrifft das Glasfoyer mit den Wolkenskulpturen von Zoltán Kemény (1907-1965). Ganz entgegen der abfällig zu verstehenden Kennzeichnung des Foyers durch Michael Guntersdorf als „ein Zufallsprodukt, das sich aus der Gebäudestruktur ergeben und nichts mit demokratischem Aufbau zu tun gehabt habe“, handelt es sich, das zeigt bereits der kursorische Blick in wichtige Quellen aus der Entstehungszeit, um ein sorgfältig durchdachtes und wohlproportioniertes Konzept der deutlich sichtbaren Verklammerung von Oper und Theater. Statt Zufall also eine bewusste Entscheidung der Annäherung von Theater und Oper in räumlicher wie soziologischer Hinsicht als gleichwertige künstlerische Formen bürgerlicher Selbstverständigung in einem demokratischen Staat.
Die 2013 von Dieter Bartetzko in bezug auf die gläserne 120 Meter lange Schaufront des Theaters beobachtete radikale Verweigerung jeglicher vordergründiger architektonischer Repräsentation ist natürlich weit mehr als nur „ein tolles Statement für Transparenz“ (Ina Hartwig). Sie ist Ergebnis einer von dem Entwurfsarchitekten Hannsgeorg Beckert ganz bewusst geplanten gestreckten Wandelhalle zum „Promenieren der Theaterbesucher“: „Dieses Gehäuse war der Rohstoff, mit dem der Idee Foyer Ausdruck zu geben war.“ (Architektur und Plastik)
Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die im Jahre 1963 vom damaligen Amt für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung der Stadt Frankfurt am Main zur Eröffnung herausgegebene Broschüre Zoltan Kemeny Deckenskulptur im Frankfurter Theaterfoyer (mit Fotos von Trebor, d.i. Horst Robert Kratzmann, und Essays von H. Beckert, H. Buckwitz, Z. Kemény u. E. Rathke).
Wie der damalige Generalintendant Harry Buckwitz treffend bemerkte, sollte so das Erlebnis des Theaters von außen wie von innen für alle sichtbar ergänzt werden „durch das Erlebnis des Mitmenschen. Der Sinn des Theaterbesuchs erfüllt sich, denn die Botschaft des Dichters dringt nicht nur in uns ein, sondern ihr wird auch die Möglichkeit des Austausches, der Begegnung im Gespräch geschenkt.“ (Mein Foyer) Das großzügige Foyer als Zwischenbereich der Musen, „Signum und Herzstück dieser Theaterinsel“, schiebt sich so vermittelnd zwischen Straße und Bühne, wird der ehemals königliche Boulevard transformiert zur bürgerlichen Promenade. Ist es zuviel behauptet, dies als baulichen Ausdruck einer neu entstehenden demokratischen Gesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland zu interpretieren?
Dem korrespondieren die Deckenskulpturen von Zoltán Kemény, die der Künstler „als ein zweites Theaterspiel erdacht (hat), das in horizontaler Bewegung, die Höhe belebend, das Foyer durchquert wie die Akte einer unendlichen Komödie: Irrational in einer rationalen Architektur“. Mit voller Absicht hatte er seine Skulptur „im Gegensatz zur Architektur geschaffen, um zu einer ausgeglichenen Harmonie zwischen beiden zu gelangen. Darum wird meine Skulptur zum organischen Teil der Architektur.“ (Meine Skulptur) Aus diesem Grund handelt es sich eben gerade nicht „um ein mobiles Kunstwerk“, so Peter Cachola Schmal, „das anderswo ohne große Schwierigkeiten wieder aufgebaut werden könne“.
Der Kunsthändler und damalige Direktor des Frankfurter Kunstvereins Dr. Ewald Rathke hat diese Besonderheit schon bei der Eröffnung klar erkannt: „Nie in unserem Jahrhundert ist Kunst und Architektur so miteinander in Beziehung gesetzt worden, nie in dieser Dimension.“ Skulptur und Bauwerk würden „zu untrennbarer Einheit (verschmilzen), denn das eine könnte ohne das andere nicht bestehen. Für diesen Platz geschaffen und nur an ihm denkbar, ist Zoltán Keménys Deckenskulptur im Frankfurter Theaterfoyer eine verheißungsvolle Voraussage auf künstlerische Möglichkeiten, die in unserer Zeit liegen. Aber nicht an den Künstlern sondern an uns wird es liegen, frei und offen genug zu sein, das Neue in seiner ganzen Bedeutung zu erfassen.“ (Zur Kunst Zoltan Kemenys)
Frage: Wie soll der „gute Geist des Hauses“, den die Kulturdezernentin Ina Hartwig beschwört, „in die Gegenwart und mehr noch in die Zukunft“ übersetzt werden, wenn das Gehäuse, in dem dieser „Geist“ seit Jahrzehnten Regie führt in just dieser Einheit der Zerstörung preisgegeben wird?
Der Denkmalwert von wichtigen Teilen des Gebäudes – das Glasfoyer mit seinen Goldwolken, die Opernbühne und die Gebäudereste des Jugendstilgebäudes von 1902 – ist fachlich unstrittig, während die Theaterdoppelanlage aufgrund ihrer zahlreichen Umbauten als Ganzes nicht als Baudenkmal gilt. Im Protokoll der Sitzung des Denkmalbeirats Frankfurt vom November 2017 heiß es: „Gemäß Informationen von Herr Wionski (LfDH) bzw. Herrn Dr. Timpe (Denkmalamt Stadt Frankfurt Main) ist das Opern- und Schauspielhaus, zumindest in Teilen, als Kulturdenkmal anerkannt.“ Bereits ein Jahr zuvor hatte die Frankfurter Rundschau über die Bewertung des Hessischen Landeskonservators Heinz Wionski berichtet. Als schützenswert hob dieser das Wolkenfoyer von Oper und Schauspiel hervor. Mit seiner großen Glasfassade stelle es „eine Geste der Transparenz“ dar, die „absolute Klarheit“ bedeute. Hinzu kämen die wichtigen Kunstwerke im Wolkenfoyer, so etwa die aus Messing geschaffenen Kumuluswolken des ungarischen Künstlers Zoltan Kemeny, die über dem langgestreckten Foyersaal hängen. Als weiteren denkmalwerten Bestandteil der Gesamtanlage stellte Konservator Wionski die baulichen Überreste des alten, 1902 eröffneten Schauspielhauses heraus, die beim Bau der Theater-Doppelanlage integriert worden waren. Dazu zählten etwa zwei Treppenanlagen, die originalen Keller des Schauspielhauses mit Brandschutztüren aus dem Jahre 1903 mit zahlreichen baulichen Details. „All das ist denkmalwert.“ Einen besonderen Wert für sich stellten schließlich die beiden großen Bühnen von Oper und Schauspiel einschließlich ihrer Technik dar.“
Aus unbekannten Gründen, über die man nur spekulieren kann (gab es eine politische Einflussnahme?) sind die denkmalwerten Gebäudeteile gleichwohl bislang nicht in die Denkmalliste eingetragen. Rein rechtlich gesehen ist eine solche Eintragung für den Schutz der Kulturgüter nicht erforderlich, denn im Hessischen Denkmalgesetz heißt es: „Der Schutz unbeweglicher Kulturdenkmäler ist nicht davon abhängig, dass sie in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen sind.“ Und mit Bezug auf diesen Passus konstatiert auch Andrea Hampel, Hauptkonservatorin der Stadt Frankfurt im Februar 2020 auf Anfrage. „Es ist klar, dass sich grundsätzlich ein denkmalrechtlicher Belang aus § 11 HDSchG ergibt“.
Doch die politische Realität ist eine andere. Weder im Bericht der Stabsstellen von Februar 2020 noch in der Machbarkeitsstudie von 2017 wird jemals das Wort Denkmalschutz oder die Namen der damaligen Architekten und Künstler auch nur erwähnt. In welcher Uninformiertheit über denkmalpflegerische Belange das Stadtparlament seine Abrissentscheidung gefällt hat, verdeutlichen Aussagen der verantwortlichen Politiker. So stellt die Fraktion der Grünen im Römer im Februar 2020 fest: „Nach unserem Kenntnisstand steht lediglich das Foyer der Theaterdoppelanlage unter Denkmalschutz. Hier gibt es aber auch anderslautende Informationen, dass es überhaupt keinen Denkmalschutz gäbe.“ Für Planungsdezernent Mike Josef (SPD), zu dessen Zuständigkeitsbereich die Denkmalpflege gehört und der daher auch den Sitzungen des Denkmalbeirats der Stadt beiwohnt, basiert „die Grundlage seiner Arbeit und Entscheidung über das Gebäude […] auf der Tatsache, dass das Schauspielhaus oder Teile davon zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht unter Denkmalschutz stehen“. Geflissentlich ignoriert er die ihm bekannten Aussagen des hessischen Landeskonservators.
Sehr bewusst wurde die Landesdenkmalpflege nicht in die Planungsprozesse einbezogen, sondern erst im Nachgang informiert. So auch jüngst: Über die Planungen der letzten zwei Jahre wurde das Landesdenkmalamt erst Anfang März 2020 informiert. In Folge dieser Konsultationen erstellte das Landesdemkmalamt ein Gutachten, welche es am 20.Mai 2020 veröffentlichte. Dieses stellt fest, dass das Foyer die „gesetzlichen Voraussetzungen eines Kulturdenkmals aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen“ erfülle und somit an seinem Erhalt ein öffentliches Interesse bestehe.
Damit ist nach § 18 des Hessischen Denkmalschutzgesetz eine Abrissgenehmigung erforderlich, die bislang weder beantragt noch erteilt wurde. Die dafür nötige Abwägung der denkmalpflegerischen mit anderen öffentlichen Belangen hat soweit bekannt noch nicht stattgefunden.
In Hinsicht auf diesen bislang unterlassen und noch ausstehenden Schritt äußerte sich Landeskonservator Heinz Wionski bei Veröffentlichung des Gutachtens mit den Worte: „Wir freuen uns darauf, im konstruktiven Miteinander Chancen und Möglichkeiten der Erhaltung und Integration der denkmalwerten Elemente zu erörtern und gemeinsam weitere Schritte zu entwickeln“, so Wionski. Wichtig sei es, die geschichtliche Dimension des Standorts Städtische Bühnen insgesamt sowie das besondere Erhaltungsinteresse am Foyer als Rahmenbedingung in den Planungsprozess einzubringen.“ Es bleibt abzuwarten, wie die Verantwortlichen der Stadt Frankfurt hiermit umgehen.
Downloads: Protokolle der Sitzungen des Denkmalbeirats der Stadt Frankfurt
Im Rahmen einer Ausstellung in der Deutschen Bundesbank in Kooperation mit dem DAM im Frühjahr 2018 wurde eine Broschüre publiziert, in der Sunna Gailhofer anhand verschiedener Projekte das facettenreiche Werk von ABB Architekten vorstellt. Der Text zu den Städtischen Bühnen findet sich auf den Seiten 16 bis 18.
über alle relevanten Fragen im Zusammenhang mit der Erneuerung der Städtischen Bühnen informieren,
die in dem Planungsprozess mangelhaft behandelten Inhalte adressieren,
dazu beitragen, die bisher fehlende Transparenz herzustellen,
um damit eine breite und fundierte öffentliche Dikussion zu befördern.
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